BRAK-Mitteilungen 3/2023

Dass bei Abschluss eines Zeithonorars in den meisten Fällen nicht absehbar ist, wie hoch die entstehenden Kosten sein werden und für Mandantinnen und Mandanten ihr finanzielles Risiko dadurch nicht abschließend kalkulierbar ist, ist zwar nicht von der Hand zu weisen. Entgegen der Ansicht des EuGH ist die Vergütungsabrede deshalb aber nicht intransparent. Denn die Klausel ist dennoch aus sich heraus verständlich, das damit verbundene besondere Risiko – die Ungewissheit der zu erwartenden Vergütung – ist für den Verbraucher erkennbar. Auch wenn man der Ansicht des EuGH folgen würde, wird man diese Ungewissheit in den meisten Fällen kaum durch eine Formulierung in der Vergütungsvereinbarung oder Information und Aufklärung im Vorfeld vollständig ausräumen können. Der EuGH weist selbst darauf hin, dass es für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte oft schwer, wenn nicht sogar unmöglich sein wird, bei Vertragsschluss vorherzusehen, wie viele Stunden genau erforderlich sein werden und mit welcher Vergütung hierfür insgesamt zu rechnen ist. Hinzu kommt, dass dies in vielen Fällen auch von unvorhergesehenen Umständen abhängig sein wird, auf die auch die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte selbst keinen Einfluss haben. Der EuGH verlangt deshalb auch keine Information über die endgültigen finanziellen Folgen. Als mögliche Lösungsansätze nennt der EuGH eine Schätzung der Stunden, die voraussichtlich oder mindestens erforderlich sind oder die Verpflichtung, in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige Aufstellungen zu übermitteln, in denen die aufgewandten Arbeitsstunden ausgewiesen sind. Ob dies ausreichend sein kann, beispielsweise wie es sich verhält, wenn die Vergütungsvereinbarung zwar regelmäßige Abrechnungen vorsieht, aber eine Schätzung des zu erwartenden Zeitaufwandes unterbleibt, bleibt aber letztendlich offen. Hinsichtlich der angesprochenen Schätzung stellt sich zudem die Frage, welche Konsequenzen es haben kann, falls sich diese Schätzung später als unzutreffend erweist und wesentlich höhere Kosten als ursprünglich angenommen anfallen. Ist eine zumindest grobe Schätzung möglich, wird darauf aber wohl nicht mehr verzichtet werden können, flankiert durch eine gut dokumentierte Aufklärung über die grundsätzlichen Kostenrisiken der Zeithonorarvereinbarung sowie vorsorglich sowohl der bekannten als auch der ungewissen Umstände des Mandats, die sich auf die Höhe der Vergütung auswirken können bzw. deren verbindlicher Schätzung entgegenstehen. Für die Frage, ob nach deutschem Recht keine Vergütung geschuldet ist, wenn die Vergütungsklausel intransparent ist, bleibt zwar die Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten. Erweist sich eine Vergütungsvereinbarung im Ergebnis einer AGB-Kontrolle nach § 307 I 2 BGB als unwirksam, müsste gem. § 306 I und II BGB jedoch die gesetzliche Vergütung gemäß RVG maßgeblich sein. In vielen Fällen wird dies allerdings kein gleichwertiges Äquivalent sein, nicht nur bei besonders aufwendigen Mandaten, sondern vor allem bei reinen Beratungstätigkeiten. Denn gem. § 34 I 3 RVG dürfen für die außergerichtliche Beratung von Verbrauchern höchstens 250 Euro in Rechnung gestellt werden, wenn keine andere Vereinbarung getroffen wurde. Pauschalhonorare oder die Abrechnung nach RVG auf der Basis eines vereinbarten Gegenstandswertes können sicher hilfreiche Alternativen sein. Das Bedürfnis nach Zeithonorarvereinbarungen werden sie aber nicht generell ersetzen können, insb. in Fällen, in denen die Bestimmung eines Gegenstandswertes nur schwer möglich ist oder die Leistung nicht pauschaliert werden kann, weil deren Umfang nicht kalkulierbar ist. Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Kati Kunze, Berlin BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN VORAUSSETZUNGEN DER KANZLEIPFLICHT BRAO§27 * 1. Zwar muss ein Rechtsanwalt im Rahmen seiner Kanzleipflicht in der von ihm einzurichtenden Kanzlei zu den üblichen Geschäftsstunden normalerweise anwesend sein und den Rechtsuchenden für anwaltliche Dienste zur Verfügung zu stehen. Eine Erreichbarkeit „normalerweise“ bedeutet aber nicht, dass der Rechtsanwalt ständig persönlich in der Kanzlei anwesend sein muss. * 2. Die Kanzleipflicht erfordert auch nicht eine ausnahmslos durchgängige telefonische Erreichbarkeit der Kanzlei zu den üblichen Geschäftszeiten. BGH, Beschl. v. 25.1.2023 – Anwz (Brfg) 30/22 AUS DEN GRÜNDEN: [1] I. Der Kl. ist seit 1986 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid v. 3.2.2022 widerrief die Bekl. die Zulassung des Kl. zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 II Nr. 7 BRAO). Die Klage gegen den Widerrufsbescheid hat der AGH abgewiesen. Der Kl. beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des AGH. BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 182

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