BRAK-Mitteilungen 3/2023

Vielmehr bestand für den Kl. angesichts dessen, dass er entgegen seiner Ankündigung in der Klageschrift seine Klage nicht begründet hatte, gerade Grund zu der Annahme, eine ihm nachteilige Entscheidung des AGH werde auch ohne seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ergehen. [10] Etwas Anderes folgt nicht aus den vom Kl. angeführten Beschluss des BFH v. 19.1.2007 (VII B 137/06 Rn. 5). Daraus, dass mit dem Hinweis in einem Umladungsschreiben auf die vorausgegangene Ladung und den darin enthaltenen Hinweis auf die Vorschrift des – § 102 II VwGO entsprechenden – § 91 II FGO alles Erforderliche veranlasst ist, kann nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass bei Fehlen einer solchen Bezugnahme in einem Umladungsschreiben Sinn und Zweck des § 102 II VwGO – zumal gegenüber einem sich selbst vertretenden Rechtsanwalt – nicht Genüge getan wird. [11] b) Der AGH hat das rechtliche Gehör des Kl. auch nicht dadurch verletzt, dass er dessen am Tag der mündlichen Verhandlung v. 21.8.2022 gestelltem Terminverlegungsantrag nicht nachgekommen ist. [12] aa) Gemäß § 112c I 1 BRAO, § 173 S. 1 VwGO, § 227 I 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen verlegt werden; nach § 227 II ZPO sind die erheblichen Gründe auf Verlangen des Vorsitzenden des Gerichts glaubhaft zu machen. Im Hinblick auf die durch einen Vermögensverfall indizierte Gefährdung der Interessen der rechtsuchenden Mandanten sind dabei an den Verhinderungsgrund und dessen Glaubhaftmachung strenge Anforderungen zu stellen (Senat, Beschl. v. 18.5.2020 – AnwZ (Brfg) 63/18 Rn. 14 und v. 20.11. 2017 – AnwZ (Brfg) 41/17 Rn. 16). [13] bb) Der Kl. hat den Terminverlegungsantrag v. kein Grund für Terminverlegung 12.8.2022 damit begründet, dass sich seine einzige Mitarbeiterin gerade krank gemeldet habe, eine Ersatzkraft nicht zur Verfügung stehe und sein Büro somit an diesem Tag nur mit dem Kl. besetzt sei (Telefax-Schreiben v. 12.8.2022). Dieser Sachverhalt begründet keinen, eine Terminverlegung begründenden erheblichen Grund i.S.v. § 112c I 1 BRAO, § 173 S. 1 VwGO, § 227 I 1ZPO. [14] Der Kl. hat nicht dargelegt, dass in dem Zeitraum, in dem er wegen der Verhandlung vor dem AGH in H. am 12.8.2022 nicht in seiner Kanzlei in D. hätte anwesend sein können, von ihm dort dringende und unaufschiebbare anwaltliche Aufgaben wahrzunehmen waren. [15] Er war auch berufsrechtlich nicht verpflichtet, an diesem Tag ununterbrochen in seiner Kanzlei anwesend zu sein. Zwar ist der Rechtsanwalt im Rahmen seiner Kanzleipflicht gem. § 27 I BRAO verpflichtet, in der von ihm einzurichtenden Kanzlei zu den üblichen Geschäftsstunden normalerweise erreichbar zu sein und dem rechtsuchenden Publikum für anwaltliche Dienste zur Verfügung zu stehen (vgl. Senat, Beschl. v. 6.7.2009 – AnwZ (B) 26/09, NJW-RR 2009, 1577 Rn. 5 und v. 18.10.2004 – AnwZ (B) 69/03 Rn. 5; Weyland/Weyland, BRAO, 10. Aufl., § 27 Rn. 5 f.; Siegmund, inGaier/ Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 27 BRAO Rn. 24 und 27). Eine Erreichbarkeit „normalerweise“ bedeutet aber nicht, dass der Rechtsanwalt ständig persönlich in der Kanzlei anwesend sein muss (Siegmund, a.a.O.). Die Kanzleipflicht erfordert auch nicht eine ausnahmsständige Anwesenheit und Erreichbarkeit nicht erforderlich los durchgehende telefonische Erreichbarkeit der Kanzlei zu den üblichen Geschäftszeiten (vgl. hierzu im Einzelnen Siegmund, a.a.O. Rn. 65 m.w.N.). Dies gilt jedenfalls für den vorliegenden Fall der Erkrankung der einzigen Mitarbeiterin des Rechtsanwalts und eines ihn persönlich betreffenden zeitgleichen, wichtigen Gerichtstermins. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Anbetracht der Entfernung der Kanzlei des Kl. in D. zum AGH in H. und einer üblichen Verhandlungsdauer von nicht mehr als einer Stunde die Abwesenheitszeit des Kl. am 12.8.2022 nicht mehr als vier Stunden betragen hätte. Sie hätte zudem – die Verhandlung war auf 12:00 Uhr angesetzt – den Zeitraum von 12:30 Uhr bis 14:30 Uhr umfasst, in dem die Kanzlei des Kl. ausweislich der von ihm verwandten Kanzleibriefbögen ohnehin geschlossen ist. ANMERKUNG: Der Anwaltssenat des BGH hat in diesem leider leitsatzlosen Beschluss zu zwei berufsrechtlich wichtigen Fragen geäußert. Zur prozessualen Frage: Der gegen den Widerruf seiner Zulassung klagende Rechtsanwalt war zum ersten Termin mit dem in anwaltsgerichtlichen Verwaltungsverfahren üblichen Hinweis gem. §§ 112c I 1, 102 II VwGO geladen worden, dass im Fall seines Nichterscheinens auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann. Bei der Umladung zu dem Termin, zu dem der Rechtsanwalt dann nicht erschien, fehlte dieser Hinweis. Der BGH sieht darin weder einen Verfahrensfehler noch die Verletzung rechtlichen Gehörs. Zwar könne ein unterbliebener Hinweis gem. § 102 II VwGO grundsätzlich fehlerhaft sein. Hier seien aber die erste Ladung und die Umladung als Einheit zu betrachten, auch wenn der Senat dies bedauerlicherweise nicht endgültig entscheidet. Aber von einem Rechtsanwalt könne verlangt werden, dass er zumindest die „verfahrensrechtlichen Grundzüge“ beherrscht und erkennen konnte, dass auch in dem verlegten Termin ohne ihn verhandelt werden könne. Der BGH bleibt also bei seiner strengen Rechtsprechung, dass ein Rechtsanwalt die Rechtslage zu kennen hat, wie verschiedene Senate es in jüngster Zeit bei der Rechtslage zum elektronischen Rechtsverkehr mehrfach entschieden haben (z.B. BGH, Beschl. v. 10.1.2023 – VIII ZB 41/22). Zur inhaltlichen Frage: Der BGH musste sich mit dem Argument des Rechtsanwalts befassen, dass er an BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 184

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