BRAK-Mitteilungen 3/2023

vollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer eines anderen Staates, dem im Inland die Ausübung dieser Tätigkeit gestattet ist, oder einen Arzt oder Apotheker erworben werden, 1.2 ein Gesellschafter zwar die besonderen Anforderungen gem. 1.1. erfüllt, aber in der Rechtsanwaltsgesellschaft nicht beruflich tätig ist? 1.3 aufgrund der Übertragung eines oder mehrerer Geschäftsanteile bzw. der Stimmrechte die Mehrheit hieran Rechtsanwälten nicht mehr zusteht? 2. Stellt es eine unzulässige Beschränkung des Rechts auf Freiheit des Kapitalverkehrs gem. Art. 63 I AEUV dar, dass einem Gesellschafter, der zur Ausübung eines Berufs i.S.v. 1.1. nicht berechtigt ist, kein Stimmrecht zusteht, obwohl die Satzung der Gesellschaft zum Schutz der Unabhängigkeit der anwaltlichen Berufsträger und der anwaltlichen Tätigkeit der Gesellschaft Klauseln enthält, durch die sichergestellt ist, dass die Gesellschaft ausschließlich durch Rechtsanwälte als Geschäftsführer oder Prokuristen vertreten wird, den Gesellschaftern und der Gesellschafterversammlung untersagt wird, durch Weisungen oder mittelbar durch die Androhung von Nachteilen auf die Geschäftsführung einzuwirken, Gesellschafterbeschlüssen, die hiergegen verstoßen, die Wirksamkeit versagt wird und die anwaltliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit auf die Gesellschafter und von diesen beauftragte Personen erstreckt wird? 3. Erfüllen die in Ziff. 1. und 2. genannten Beschränkungen die Bedingungen gem. Art. 15 IIIa-c der Richtlinie 2006/123/EG v. 12.12.2006, Abl. L 376/ 36 v. 27.12.2006 (im folgenden Dienstleistungsrichtlinie genannt) für zulässige Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit? 4. Für den Fall, dass nach Auffassung des Gerichtshofs das Recht der Klägerin auf Freiheit des Kapitalverkehrs (Ziff. 1. und 2.) nicht betroffen sein sollte und ein Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie (Ziff. 3) nicht vorliegt: Wird durch die in 1. und 2. genannten Beschränkungen das Recht der Beigeladenen zu 1, (S-GmbH) auf Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV verletzt? Bayerischer AGH, Beschl. v. 20.4.2023 – BayAGH III-4-20/21 AUS DEN GRÜNDEN: A. Gegenstand und Sachverhalt des Ausgangsverfahrens I. Streitgegenstand [1] Gegenstand des Verfahrens bildet die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung einer Rechtsanwaltsgesellschaft. [2] Zuständig für die Entscheidungen über die Zulassung und den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach deutschem Recht die Bekl. Die Kl. war ursprünglich als Unternehmergesellschaft gem. § 5a GmbHG (das entspricht einer Kapitalgesellschaft mit einem geringeren Stammkapital als für eine GmbH erforderlich) gegründet worden. Einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft war der Beigeladene zu 2., der als Rechtsanwalt zugelassen war. Diese Gesellschaft wurde durch die Bekl. zur Anwaltschaft in Deutschland zugelassen. Nachträglich wurde die Satzung der Gesellschaft geändert. 51 % der Geschäftsanteile wurden an die Beigeladene zu 1., eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung Österreichischen Rechts (GmbH), veräußert. Diese Gesellschaft ist weder in Deutschland noch in Österreich zur Rechtsberatung zugelassen. Aufgrund der Veräußerung von 51 % der Geschäftsanteile an diese GmbH wurde durch die Bekl. der Rechtsanwaltsgesellschaft (Kl.) die Zulassung entzogen. Dagegen richtet sich die im Ausgangsverfahren erhobene Klage der Rechtsanwaltsgesellschaft. Sie sieht sich in ihren Rechten aus Art. 63, 49 AEUV sowie aus Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie verletzt. [3] Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) in der bis 31.7.2022 geltenden Fassung maßgeblich (im folgenden BRAO a.F.). Nach diesen Vorschriften können zwar auch Kapitalgesellschaften als Rechtsanwaltsgesellschaften zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden. Hierfür ist aber Voraussetzung, dass Gesellschafter ausschließlich Rechtsanwälte und ihnen gleichgestellte Berufsträger sind und dass die Gesellschafter in der Rechtsanwaltsgesellschaft beruflich tätig sind. Soweit ein Gesellschafter seine berufliche Tätigkeit nicht ausübt, steht ihm kein Stimmrecht zu. II. Sachverhalt [4] Die Kl. ist eine Rechtsanwaltsgesellschaft, die in Form einer haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG) betrieben wird. Bei der Unternehmergesellschaft handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, für die die Regeln der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) gelten, jedoch das Mindeststammkapital hinter dem an sich vorgesehenen Betrag von 25.000 Euro zurückbleibt. Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter dieses Unternehmens war ursprünglich der Beigeladene zu 2. Die Gesellschaft wurde durch Vertrag v. 30.1.2020 gegründet, am 16.7.2020 im Handelsregister des AG Traunstein eingetragen und aufgrund Bescheides der Bekl. v. 28.7.2020 am 6.8.2020 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Sie hat ihren Sitz in W.straße 5, 8... H2. (Oberbayern). [5] Durch Abtretungsvertrag v. 31.3.2021 wurden 51 der 100 Geschäftsanteile v. Beigeladenen zu 2. an die Beigeladene zu 1., eine GmbH Österreichischen Rechts, veräußert. Gleichzeitig wurde die Satzung der UG geändert, um die Übertragung von Geschäftsanteilen an eine nicht zur Anwaltschaft zugelassene Kapitalgesellschaft zu ermöglichen und die Unabhängigkeit der Geschäftsführung, die zugelassenen Anwälten vorbehalten bleibt, zu gewährleisten. Die maßgeblichen Bestimmungen der Satzung haben nun folgenden Wortlaut: „§ 2 Gegenstand des Unternehmens (1) Gegenstand des Unternehmens ist die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 186

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