werden. Änderungen von § 9 IV und V sowie § 13 dieses Gesellschaftsvertrags bedürfen der Einstimmigkeit. (2) Jede Änderung der Satzung, der Gesellschafter oder in der Person der Vertretungsberechtigten, jeder Beschluss über die Einzelvertretungsberechtigung von Geschäftsführern sowie die Errichtung oder Auflösung von Zweigniederlassungen sind der zuständigen Rechtsanwaltskammer unverzüglich unter Beifügung der erforderlichen Nachweise anzuzeigen.“ [6] Die Satzungsänderung und die Übertragung der Geschäftsanteile wurden am 6.4.2021 im Handelsregister des AG Traunstein eingetragen. [7] Mit Schreiben v. 9.4.2021 und 9.5.2021 teilte die Kl. der Bekl. die Änderung der Satzung und die Übertragung von 51 der 100 Geschäftsanteile an die Beigeladene zu 1. mit. [8] Mit Schreiben v. 19.5.2021 teilte die Bekl. der Kl. mit, dass die Übertragung der Geschäftsanteile an die Beigeladene zu 1. gem. §§ 59e, 59a BRAO a.F. unzulässig sei und daher der Kl. die Zulassung zur Anwaltschaft zu widerrufen sei, sofern es bei der Übertragung der Geschäftsanteile bleibe. [9] Die Kl. teilte der Bekl. mit Schreiben v. 26.5.2021 mit, dass es bei der Übertragung der Geschäftsanteile bleiben solle. Sie bat um den Erlass eines Bescheides. [10] Am 1.7.2021 fasste das Präsidium der Bekl. den Beschluss, die Zulassung der Kl. zu widerrufen. Durch Bescheid v. 9.11.2021 wurde die Zulassung der Kl. widerrufen. Der Bescheid ist gestützt auf § 59h III 1 i.V.m. § 56e I 1 BRAO a.F., Nach diesen Vorschriften ist es unzulässig, dass ein Geschäftsanteil auf eine Person übertragen wird, die kein Berufsträger i.S.v. § 59a BRAO a.F. bzw. Arzt oder Apotheker ist. Ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten gem. Art. 49, 63 AEUV bzw. Art. 15 Dienstleistungsrichtlinie liege hierin nicht, da Art. 25 I 2 lit. a der Dienstleistungsrichtlinie für gebundene Berufe entsprechende Einschränkungen zulasse. Im Übrigen sei die Bekl. an die §§ 59h, 59e BRAO a.F. gebunden, ohne dass ihr insoweit eine Normprüfungs- und Verwerfungskompetenz zustehe. Der Bescheid wurde am 11.11.2021 der Kl. zugestellt. [11] Gegen den Bescheid richtet sich die Klage v. 26.11. 2021, eingegangen beim Bayerischen AGH am gleichen Tag. Mit der Klage rügt die Kl., dass sie durch den Widerruf der Zulassung in ihren Rechten verletzt werde. Zwar entspreche der Widerruf der Zulassung den §§ 59h III 1, 59e I 1 BRAO a.F., da die Beigeladene zu 1. kein Berufsträger i.S.v. § 59a BRAO a.F. sei. Der Bescheid sei gleichwohl rechtswidrig, da diese Bestimmungen gegen höherrangiges Verfassungsrecht und – für das vorliegende Verfahren allein von Bedeutung und vorrangig zu prüfen – höherrangiges EU-Recht verstoße. Insbesondere würden durch den Widerruf der Zulassung das Recht der Kl. auf Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 I AEUV), das Recht der Beigeladenen zu 1, auf Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV), die Rechte der Kl. aus Art. 15 Dienstleistungsrichtlinie und die Rechte der Kl. und der Beigeladenen aus Art. 15, 16 EUGrundrechtecharta verletzt. Die Kl. regt an, dass der Senat ein Vorabentscheidungsersuchen gem. Art. 267 AEUV an den EuGH richtet. [12] Dem ist die Bekl. entgegengetreten. Ein Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, da ein konstruierter Fall vorliege. Die Kl. habe selbst keine anwaltliche Tätigkeit entfaltet. In Anbetracht der Höhe des Stammkapitals von 100 Euro sei dies auch nicht zu erwarten. Die Beiladung sei unzulässig, da die Beigeladene durch das nationale Berufsrecht nicht gebunden sei. Der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit sei nicht betroffen. Auf die Niederlassungsfreiheit könne sich die Kl. nicht berufen, da insoweit ein rein nationaler Sachverhalt vorliege. Im Übrigen seien die Beschränkungen gem. §§ 59h, 59a, 59c-f BRAO a.F. durch Art. 65 AEUV sowie Art. 15 IIc, III der Dienstleistungsrichtlinie gerechtfertigt. [13] Der Senat hat durch Beschluss v. 21.12.2022 die Beigeladenen zu 1. und 2., da durch das Verfahren auch ihre Rechte betroffen sind, beigeladen. III. Nationaler Rechtsrahmen [14] Nach deutschem Recht bedarf die Tätigkeit als Rechtsanwalt der Zulassung durch die RAK (§ 4 BRAO). Zugelassen werden natürliche Personen, die die Befähigung zum Richteramt erworben haben. Die Zulassung ist ausgeschlossen, wenn sich die antragstellende Person in Vermögensverfall befindet oder aus anderen Gründen Zweifel daran bestehen, dass sie ihre Tätigkeit als unabhängiges Organ der Rechtspflege ausüben kann (§ 7 BRAO). [15] Außer natürlichen Personen können auch Gesellschaften und Zusammenschlüsse von Personen zur gemeinsamen Berufsausübung zugelassen werden. Für Rechtsanwaltsgesellschaften sah das zum Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung geltende Recht, das für die Beurteilung in diesem Fall maßgeblich ist, erhebliche Beschränkungen vor (§ 59a BRAO ff. a.F.), die teilweise noch fortgelten. Gemäß § 59a BRAO a.F. ist die gemeinsame Berufsausübung nur den in Ziff. 2.1.1 der Vorlagefragen genannten Personen gestattet. Die Erstreckung auf Ärzte und Apotheker beruht auf einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 12.1.2016, BVerfGE 141, 82), durch die § 59a BRAO a.F. ergänzt wurde. § 59c BRAO a.F. gestattet zusätzlich die anwaltliche Berufsausübung durch Rechtsanwaltsgesellschaften in Form von Kapitalgesellschaften. Gemäß § 59e I BRAO a.F. dürfen Gesellschafter einer solchen Rechtsanwaltsgesellschaft nur Rechtsanwälte und Berufsträger i.S.v. Ziff. 1.1.1. der Vorlagefragen sein. Gemäß § 59e I 2 BRAO a.F. ist weiterhin erforderlich, dass diese in der Rechtsanwaltsgesellschaft beruflich tätig sind. Schließlich steht Personen, die ihren Beruf gem. Ziff. 1.1.1. der Vorlagefragen nicht ausüben dürfen, kein Stimmrecht zu. Erfüllt die Rechtsanwaltsgesellschaft diese Anforderungen nicht, ist ihr gem. § 59d BRAO a.F. die Zulassung zu versagen. Fallen die Voraussetzungen nachträglich weg, ist die Zulassung der Rechtsanwaltsgesellschaft zu widerrufen (§ 59h BRAO BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 188
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