– Die Beigeladene zu 1. kann dementsprechend auch für die Rechtsanwaltsgesellschaft nicht beruflich tätig sein (Verstoß gegen § 59e I 2 BRAO a.F.). – Die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und der Stimmrechte wird nicht mehr von Rechtsanwälten gehalten (Verstoß gegen § 59e II 1 BRAO a.F.). [31] Daher war nach deutschem Recht der Kl. zwingend die Zulassung zu entziehen. [32] Neben Beschränkungen hinsichtlich möglicher GeZulassung war zu entziehen sellschafter sieht das deutsche Recht auch Anforderungen an die Geschäftsführung vor, die sicherstellen sollen, dass die Rechtsanwaltsgesellschaft den berufsrechtlichen Anforderungen gerecht wird, Gemäß § 59f I BRAO a.F. muss die Rechtsanwaltsgesellschaft verantwortlich von Rechtsanwälten geführt werden. Die Geschäftsführer müssen mehrheitlich Rechtsanwälte sein. Diesen Anforderungen wird die Satzung der Kl. gerecht. [33] Gemäß § 59f IV BRAO a.F. ist die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte, die Geschäftsführer oder sonst bevollmächtigt sind für die Gesellschaft zu handeln, bei der Ausübung ihres Rechtsanwaltsberufs zu gewährleisten. Einflussnahmen der Gesellschafter, namentlich durch Weisungen oder vertragliche Bindungen sind unzulässig. Diese Bestimmung ergänzt die gem. § 46 GmbHG den Gesellschaftern zugewiesenen Kompetenzen und beschränkt sie. Gemäß § 46 Nr. 5, 7 GmbHG hat die Gesellschafterversammlung über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern um Prokuristen zu entscheiden. Gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG haben die Gesellschafter über Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung zu entscheiden. Letzteres Recht kann durch Satzungsbestimmung konkretisiert und eingeschränkt werden. Von dieser Möglichkeit hat die Kl. Gebrauch gemacht, indem sie in § 9 der Satzung ergänzende Bestimmungen aufgenommen hat, die die Befugnisse der Gesellschafter beschränken und die Unabhängigkeit der Geschäftsführer sicherstellen sollen. Ergänzend ist in § 11 der Satzung geregelt, dass Beschlüsse, die die Anforderungen von § 9 der Satzung nicht einhalten, unzulässig und damit nach deutschem Recht unwirksam sind. [34] § 33 BORA sieht vor, dass jeder Rechtsanwalt zu gewährleisten hat, dass die Regeln der Berufsordnung auch durch die Gesellschaft, für die er tätig ist, eingehalten werden. Die in der Berufsordnung vorgesehenen Rechte und Pflichten gelten für die Gesellschaft, für die der Rechtsanwalt tätig ist, nach dieser Bestimmung entsprechend. § 51a GmbHG sieht vor, dass die Geschäftsführer den Gesellschaftern auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben haben und die Einsicht in die Bücher und Schriften zu gestatten haben. Dieses Informationsrecht darf durch den Gesellschaftsvertrag nicht abbedungen werden. [35] Gemäß § 203 I Nr. 1, 3 StGB ist der Anwalt hinsichtlich der Tatsachen, die ihm aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit bekannt werden, zur Verschwiegenheit verpflichtet. Allerdings kann er gem. § 203 III StGB Berufsgeheimnisse Personen mitteilen, mit denen er beruflich oder dienstlich zusammenwirkt, soweit dies für die Tätigkeit dieser Personen erforderlich ist. [36] Gemäß § 14 I Nr. 1, 2 StGB werden Personen, die als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person, als Mitglied eines solchen Organs, oder als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft handeln, in gleicher Weise verpflichtet wie der Berufsträger (also die Gesellschaft) selbst. Schließlich regelt § 5 Nr. 7 StGB, dass das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatorts auch für im Ausland begangene Taten, die auf die Verletzung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen gerichtet sind, gilt. [37] Für Berufsgeheimnisträger wird der Schutz durch ein Zeugnisverweigerungsrecht (vgl. § 53 StPO) und ein korrespondierendes Beschlagnahmeverbot (vgl. § 97 StPO) ergänzt. Die Satzung der Kl. enthält zusätzliche Bestimmungen, durch die die Verpflichtung der anwaltlichen Berufsträger zur Verschwiegenheit im Verhältnis zu den Gesellschaftern ergänzt und auf diese erstreckt wird. Diese Einschränkungen sind mit § 51a II 2 GmbHG vereinbar. B. Vorlagefragen und Entscheidungserheblichkeit I. Unionsrechtliche: Rechtsrahmen 1. Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts [38] Es kann dahingestellt bleiben, ob für die Frage, ob die relevanten nationalen Vorschriften über die Zulassung von Rechtsanwaltsgesellschaften gegen die Grundfreiheit der Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV verstoßen, ein grenzüberschreitender Sachverhalt erforderlich ist; denn ein solcher liegt vor, weil sich eine GmbH österreichischen Rechts mit Sitz in Österreich durch den Erwerb von Geschäftsanteilen der Kl. an dieser im Inland beteiligen möchte. Die Kl. beruft sich darüber hinaus auch darauf, dass die beschränkenden Regelungen gem. §§ 59e, 59a, 59h BRAO a.F. gegen ihre Rechte aus Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie verstoße. Insoweit reicht es aus, wenn auch ein reiner Inlands-Sachverhalt gegeben ist (EuGH, Urt. v. 30.1. 2018 – C 360/15). 2. Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit [39] Durch das Recht der Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV wird die Kl., eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Form der Unternehmergesellschaft als juristische Person des Privatrechts geschützt; denn in den Schutzbereich dieser Vorschrift fallen sowohl natürliche Personen als auch juristische Personen des Privatrechts (Calliess/Ruffert/Korte EUV/AEUV 6. Aufl. 2022, Art. 63 Rn. 21; im Folgenden als Calliess/ Ruffert/Bearb. zitiert). [40] Unter den Begriff der Kapitalverkehrsfreiheit fallen alle auf Geld oder Sachkapital bezogenen Transaktionen, die nicht direkt durch den Waren- oder DienstleisBERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 192
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