sind durch den EuGH als Ziele der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigen können, anerkannt (EuGH, Urt. v. 2.12.2010 – C-225/09), Der EuGH hat allerdings noch nicht entschieden, ob Beschränkungen der Beteiligung an einer Rechtsanwaltsgesellschaft wie sie in §§ 59a, 59e, 59h BRAO a.F. vorgesehen sind, zur Erreichung dieser Ziele verhältnismäßig sind. Der EuGH hat insoweit folgende allgemeine Voraussetzungen aufgestellt (EuGH, Urt. v. 21.4.2005 – C-140/03, Rn. 34): „Eine nationale Regelung, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, die aber geeignet ist, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten durch die Gemeinschaftsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, kann aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, vorausgesetzt dass sie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zwecke zu gewährleisten und nicht über das hinausgeht was zur Erreichung dieses Zweckes erforderlich ist [...].“ [44] Die Feststellung, dass nationale Maßnahmen grundsätzlich geeignet sind, das mit ihnen im Interesse der Allgemeinheit verfolgte Ziel zu erreichen, reicht nach diesem Urteil nicht aus. Zusätzlich ist vielmehr festzustellen, dass die streitigen Beschränkungen nicht über das Maß hinausgehen, das erforderlich ist, um das angestrebte Ziel auch zu erreichen. Es bestehen Zweifel, ob die Beschränkungen gem. §§ 59a, 59e, 59h BRAO a.F. erforderlich sind, um die Unabhängigkeit des Anwalts zu gewährleisten. Für europarechtswidrig halten die Bestimmungen Kleine-Cosack, BRAO, 9. Aufl. 2022, vor §§ 59b ff. Rn. 15; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 59e Rn. 24 (nicht das Tätigkeitsverbot, wohl aber das Mehrheitserfordernis; zweifelnd auch Kilian, AnwBl. 2014, 111; Hellwig, AnwBl. Online 2020, 223). [45] Aus Sicht des Senats könnten diese Zweifel gerechtfertigt sein. Die Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit der Geschäftsführer und Bevollmächtigten der Gesellschaft ist institutionell gewährleistet. Durch § 59f IV BRAO a.F. sind Einflussnahmen der Gesellschafter, die die anwaltliche Tätigkeit der Rechtsberatung einschließlich der Annahme oder Ablehnung eines Mandats betreffen, unzulässig. Durch Bestimmungen in der Satzung kann die Unabhängigkeit der Geschäftsführung zusätzlich abgesichert werden. Solche Bestimmungen enthält die Satzung der Kl. Die Anwaltskammern können die Zulassung einer Rechtsanwaltsgesellschaft davon abhängig machen, dass in der Satzung entsprechende institutionelle Vorkehrungen enthalten sind. Wird die Satzung nachträglich geändert und dadurch der Schutz der Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit verringert oder aufgehoben, kann die Zulassung gem. § 59h BRAO a.F. auch wieder entzogen werden. [46] Es erscheint fraglich, ob der generelle Ausschluss Dritter, die keinen Beruf i.S.v. § 59a BRAO a.F. ausüben, erforderlich ist, um die Unabhängigkeit der anwaltGenereller Ausschluss erforderlich? lichen Berufsträger sicherzustellen. Durch die Regelung soll erreicht werden, dass anwaltliche Berufsträger bei der Ausübung ihres Berufs für die Rechtsanwaltsgesellschaft wirtschaftlich nicht von Gesellschaftern abhängig sind, die der Gesellschaft in erheblichem Umfang Kapital zur Verfügung stellen. Die Bekl. verweist insoweit darauf, dass von Finanzinvestoren besondere Risiken ausgingen. Die anwaltliche Tätigkeit sei dem Gemeinwohl verpflichtet. Die Berufsträger würden hierbei nicht primär nach Gesichtspunkten der Gewinnmaximierung handeln. Demgegenüber sei das Handeln von Marktteilnehmern ausschließlich an der Gewinnerzielung orientiert. Diese seien nicht daran interessiert, flächendeckend für eine universelle Versorgung Verantwortung zu übernehmen. In besonderer Weise gelte dies für Finanzinvestoren, egal ob Privat Equity oder Venture Capital. Diese seien daran interessiert, zu einem frühen Zeitpunkt Einfluss auf die Unternehmensleitung zu gewinnen, um durch einen späteren Verkauf der Beteiligung eine dem hohen Risiko angemessene Rendite zu erzielen. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber diese Form der Finanzierung einer Rechtsanwaltsgesellschaft unterbinden wollte. [47] Der Senat geht vorläufig davon aus, dass das Verbot der Drittbeteiligung ein geeignetes Mittel ist, um den Einfluss von Finanzinvestoren auf das operative Geschäft der Rechtsanwaltsgesellschaft zu verhindern. Allerdings bestehen Zweifel, ob dieses Verbot erforderlich ist. Insbesondere kann – wie noch ausgeführt wird – auch durch institutionelle Vorkehrungen durch den Gesetzgeber und den Gesellschaftsvertrag ein entsprechender Einfluss der Gesellschafter auf die anwaltliche Tätigkeit der Gesellschaft verhindert werden. Es ist dann Sache des Finanzinvestors, zu entscheiden, ob er sich an einer solchen Gesellschaft beteiligen möchte, obwohl ihm ein Einfluss auf die Geschäftsführung, wie sie üblicherweise eingeräumt wird, in diesem Fall versagt bleibt, oder ob er sich für ein anderes Investment entscheidet. [48] Das Risiko, dass ein Gesellschafter oder Kapitalgeber Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt, ist nicht davon abhängig, ob ein Gesellschafter einen Beruf i.S.v. § 59a BRAO a.F. ausübt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit der anwaltlichen Berufsträger kann in gleicher Weise eintreten, wenn ein Berufsträger i.S.v. § 59a BRAO a.F. der Gesellschaft in erheblichem Umfang Kapital zur Verfügung stellt, unabhängig davon, in welchem Umfang er für die Gesellschaft beruflich tätig ist. Die Vorschrift schützt auch nicht davor, dass ein Anwalt von einem externen Kapitalgeber oder aber einem bedeutenden Mandanten wirtschaftlich abhängig ist. Auch in diesen Fällen kann die Entscheidung über die Annahme eines Mandats sowie die Bedingungen, zu denen dieses ausgeführt werden soll, von wirtschaftlichen Erwägungen in gleicher Weise beeinflusst werden, wie wenn entsprechende Renditeerwartungen durch einen Finanzinvestor an die Berufsträger herangetragen werBRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 194
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