den. Anders als in Bezug auf Gesellschafter ist es allerdings nicht möglich, die Berufsträger gesellschaftsrechtlich oder durch vergleichbare die Unabhängigkeit schützende Vorschriften vor Einflussnahme zu schützen. [49] Institutionelle Vorkehrungen, die einen unmittelbaAndere wirksame Mittel? ren Einfluss der Gesellschafter auf die Geschäftsführung verhindern, erweisen sich als wirksames Mittel, um die Unabhängigkeit der anwaltlichen Berufsträger sicherzustellen. Demgegenüber kann ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung der Gesellschafter und der Unabhängigkeit der Geschäftsführer und der Personen, die befugt sind für die Gesellschaft zu handeln, nicht hergestellt werden. Zumindest dann, wenn die gesetzlichen Bestimmungen, die die Unabhängigkeit der anwaltlichen Berufsträger gewährleisten sollen, durch Satzungsbestimmungen wie im vorliegenden Fall, die die Unabhängigkeit der Rechtsstellung der Geschäftsführer und ihrer Vertreter schützen, verstärkt werden und dazu führen, dass Gesellschafter nicht auf das operative Geschäft einwirken können, ist nicht erkennbar, dass durch Dritte in weiterem Umfang als durch Berufsträger einer Rechtsanwaltsgesellschaft in die Unabhängigkeit der Rechtsberatung eingegriffen werden könnte. Darüber hinaus sieht die Satzung auch Vorschriften zur Wahrung der Vertraulichkeit vor, die über das Maß noch hinausgehen, das der Gesetzgeber durch die Neufassung der BRAO im Zusammenhang mit der Öffnung der Rechtsanwaltsgesellschaft zur Berufsausübungsgesellschaft für erforderlich gehalten hat. Die weitergehenden Beschränkungen hinsichtlich des Erwerbs von Geschäftsanteilen an einer Rechtsanwaltsgesellschaft durch Dritte dürften daher zumindest nicht verhältnismäßig im engeren Sinn sein. Die Rechtsanwaltskammer kann die Zulassung davon abhängig machen, dass die Satzung im Fall der Drittbeteiligung die Unabhängigkeit entsprechend verstärkende Komponenten enthält. [50] Es trifft zwar zu, wenn die Bekl. ausführt, dass das Spannungsverhältnis zwischen § 37 GmbHG und § 59f IV BRAO a.F. durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist. Dies schließt aber nicht aus, dass das Weisungsrecht der Gesellschafter gem. § 37 GmbHG entsprechend restriktiv verstanden wird und so die Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit gewährleistet wird, wenn nach Auffassung des Gerichtshofs das Fremdbeteiligungsverbot mit der Kapitalverkehrsfreiheit nicht vereinbar ist. Dieser Gesichtspunkt ist im vorliegenden Fall aber auch für die Entscheidung des Gerichtshofs nicht entscheidend, weil die Kl. in ihrer Satzung über die Vorgabe des § 59f IV BRAO a.F. hinausgehende Regelungen vorsieht, durch die die Unabhängigkeit der anwaltlichen Geschäftsführung gewahrt wird. Da diese Satzungsbestimmungen vorrangig zu berücksichtigen sind, kommt es in dem vorliegenden Fall daher nicht darauf an, ob das Risiko besteht, dass die Gesellschafter aufgrund ihres Weisungsrechts gem. § 37 GmbHG entgegen § 59f IV BRAO a.F. in die Unabhängigkeit der Geschäftsführung eingreifen können. Es mag zwar Finanzinvestoren geben, wie die Bekl. ausführt, aus deren Sicht das Investitionsziel nur erreicht werden kann, wenn sie durch entsprechende Einflussmöglichkeiten sichergehen können, dass die anwaltliche Geschäftsführung lediglich rentable Mandate bearbeitet. Für diesen Personenkreis ist aber eine Gesellschaft, die wie die Kl. verfasst ist, wirtschaftlich nicht interessant. Im Übrigen verfolgen auch Rechtsanwälte als Gesellschafter wirtschaftlich Ziele. [51] Die Bekl. macht geltend, es sei ihr nicht möglich, die Einhaltung der Unabhängigkeitsgarantie gem. § 59f IV BRAO a.F. zu prüfen. Insoweit ist ihr zuzugeben, dass durch § 33 BORA aus dem Berufsrecht abgeleitete Verhaltensanforderungen normiert werden, die sich auch an die übrigen Beteiligten der Rechtsanwaltsgesellschaft richten, hieraus aber keine Anforderungen an die Satzung einer Rechtsanwaltsgesellschaft abgeleitet werden können. Etwas anderes dürfte aber für § 59f IV BRAO a.F. gelten. Die in dieser Vorschrift enthaltene Garantie der Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der Geschäftsführung gilt, wie die systematische Stellung der Vorschrift zeigt, auch für die Verfassung (Satzung) der Rechtsanwaltsgesellschaft. Je nach Gesellschafterstruktur, Finanzverfassung und Geschäftsmodell der Gesellschaft können hieraus durchaus konkrete Anforderungen an die Ausgestaltung der Satzung abgeleitet werden, die insb. für Dritte, die in der Gesellschaft nicht geschäftsführend tätig sind, gelten. Die Satzung der Kl. enthält solche aus Sicht des Senats notwendige Bestimmungen. § 59e BRAO sieht dementsprechend auch ausdrücklich vor, dass für Berufsausübungsgesellschaften durch die Kammer zu prüfen ist, ob die Satzung gewährleistet, dass die Berufsträger ihre berufsrechtlichen Verpflichtungen erfüllen können. [52] Der unionsrechtliche Grundsatz der VerhältnismäGrundsatz der Verhältnismäßigkeit ßigkeit erlaubt Eingriffe in die vertraglichen Grundfreiheiten nur, wenn die Beschränkungen in kohärenter und systematischer Weise einem anerkannten Ziel der öffentlichen Ordnung bzw. des Gemeinwohls dienen. Die Beschränkungen müssen diskriminierungsfrei sein, durch zwingende allgemeine Interessen gerechtfertigt sein, geeignet sein die Verwirklichung der verfolgten Ziele zu gewährleisten und nicht weiter gehen, als dies zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist (EuGH, Urt. v. 19.5.2009 – C 171/07 und C 172/07; Urt. v. 15.10.2015 – C 168/15; Hellwig, AnwBl. Online 2020, 260). [53] Auch unter diesem Aspekt bestehen Bedenken, ob die §§ 59a, 59e, 59h BRAO a.F. eine kohärente und systematisch konsequente Beschränkung zur Wahrung der Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der geordneten Rechtspflege enthalten. Das Gesetz verfolgt das Ziel, die Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit dadurch sicherzustellen, dass die Beteiligung von Personen mit rein wirtschaftlichen Interessen an der GesellBERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 195
RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0