ausübung nur den Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen vorbehalten bleibt und somit auch die Verschwiegenheitspflichten gewahrt würden. Die durch das Gericht formulierten Bedenken sind nicht neu. Sie waren ständiger Bestandteil der Debatten um die letzte große BRAO-Reform. Begründet wurde die Notwendigkeit fremden Kapitals zuletzt maßgeblich mit dem Wunsch, Legal Tech-Produkte auf den Markt bringen zu können, was mit erheblichen Investitionen verbunden sei. Es wird behauptet, dass Anwaltskanzleien nicht ohne Fremdkapital Legal Tech-Lösungen erarbeiten könnten (vgl. Hufeld/Bürkle/Ebert/Petrat/Kalb/Becker/Wainryb, AnwBl. 2020, 28). Ungeachtet der zu verneinenden Frage, ob es überhaupt die originäre Aufgabe einer Anwaltskanzlei sein soll, solche Produkte zu entwickeln, bestehen berechtigte Zweifel an dieser Behauptung. Selbstverständlich steht es jedem Anwalt und jeder Anwältin frei, Legal Tech-Produkte zu entwickeln. Hierfür kann man sich auch durchaus mit anderen Finanzinvestoren zusammenzuschließen. Dies darf eben nur nicht im Rahmen der Kanzlei erfolgen. Wolf (BRAKMitt. 2020, 250, 257) hat zutreffend argumentiert, dass unterm Strich die hohen Entwicklungskosten zu einer Marktverdichtung führen werden. Prognostisch werden die Anwälte und Anwältinnen letztendlich zu den Anwendern der Produkte und nicht zu deren entscheidenden Entwicklern. Bei aller Diskussion und Aufregung um die Notwendigkeit Einzelner, Fremdkapital zu beschaffen, darf keinesfalls der Blick auf das Wesentliche verschlossen werden: Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege – und das soll er auch bleiben. Diesen Standpunkt vertritt auch die BRAK. Nicht ohne Grund ist dieser Grundsatz prominent im ersten Paragraphen der BRAO niedergeschrieben. In § 43a BRAO heißt es zudem explizit: „Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden.“ Es geht hier vordergründig um den Wunsch einiger Kanzleien, Dritte an ihren Gewinnen gegen Gewährung von Kapital zu beteiligen. Bei diesen Dritten wird es sich typischerweise um Investoren handeln, die in erster Linie an einer guten Rendite ihres Kapitals interessiert sind. Die Interessen und das persönliche Schicksal des Mandanten dürften vor diesem Hintergrund irrelevant sein. Zudem droht im Fall von ausbleibender Rendite oder gar von Verlusten in der Kanzlei der Abzug des benötigten Kapitals. Die Kanzlei kommt somit zwangsläufig, auch ohne direkte Weisungsbefugnis, in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Kapitalgeber, da dieser mit guten Renditen bei Laune gehalten werden muss, um sein Investment aufrechtzuerhalten. Dieser Grundkonflikt wird mit keinem denkbaren Gesellschaftsvertrag aufzulösen sein. Die Probleme der Verschwiegenheit stehen ebenso in einem unlösbaren Konflikt. Gerade im Fall von Umsatzrückgängen wird der Investor prüfen wollen, wie es zu den Renditeausfällen kommt und welche Maßnahmen die Geschäftsführung dagegen ergreifen will. Er wird Einsicht haben wollen in die Umsatzvorgänge und wird sich nicht mit einer – dem Mandantenschutz dienenden – weitestgehend geschwärzten Buchhaltung zufriedengeben. Auch in diesem Fall droht der Abzug des Kapitals. Die Richter des BayAGH argumentieren auch damit, dass bereits jetzt schon externe Kapitalgeber oder finanzstarke Mandanten durchaus Einfluss auf die Tätigkeit des Anwalts ausüben könnten und es auch hier keine vergleichbaren Verbote gäbe. Dieses Argument ist nicht haltbar. Sollte eine solche Einflussnahme tatsächlich vorliegen, so verstößt diese gegen das geltende Berufsrecht und ist unverzüglich zu beenden. Das anwaltliche Verhalten ist an das Berufsrecht anzupassen und nicht umgekehrt. Sollte der EuGH ungeachtet dessen eine Lösung der dargestellten Konflikte aufzeigen können, müsste er in der Konsequenz feststellen, dass die Regelungen im deutschen Recht mit dem Unionsrecht unvereinbar sind. Der BayAGH müsste dann für seine endgültige Entscheidung in der Sache die einschlägigen Vorschriften als nicht anwendbar ignorieren. Zudem wäre der Gesetzgeber dann selbstverständlich zum Handeln aufgefordert, die Konformität mit dem Unionsrecht alsbald wieder herzustellen. Ob diese dann angepasste Regelung für Investoren noch attraktiv genug sind, bleibt abzuwarten. Vielleicht existieren bis zu einer endgültigen Entscheidung aber auch bereits anderweitige Finanzmodelle oder aber die Marktverdichtung auf einige wenige Anbieter für Legal Tech-Produkte ist dann bereits abgeschlossen. Rechtsanwalt für Arbeitsrecht Jan Schaeffer, Essen * Der Autor ist bei Brinkmann_Dewert & Partner in Essen, Mitglied im BRAOAusschuss der BRAK und Mitglied im Vorstand der Rechtsanwaltskammer Hamm. * HINWEISE DER REDAKTION: Mit dem Thema Fremdkapital setzt sich Wolf in BRAK-Mitt. 2020, 250 kritisch auseinander. Zu alternativen Finanzierungswegen für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte vgl. ferner den Beitrag von Hartung/Löwein BRAK-Mitt. 2017, 107. BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 199
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