Wo ausgelerntes Kanzleipersonal nicht zu finden ist, läge es an sich nahe, stattdessen darauf zu setzen, Fachpersonal selbst auszubilden. Doch die oben dargestellten Zahlen belegen, dass angebotene bzw. freiwerdende Ausbildungsplätze nicht mehr ausreichend mit qualifiziertem Nachwuchs besetzt werden können, da sich einfach immer weniger Schulabgängerinnen und Schulabgänger für diesen Ausbildungsberuf entscheiden. II. DAS PROBLEM AUSBILDUNGSABBRÜCHE Diese für die Anwaltschaft beängstigende Entwicklung steht jedoch gleichermaßen neben der Problematik, dass wir offenbar diejenigen, die sich für diesen Beruf entscheiden, nicht mehr über die gesamte Ausbildungsdauer halten können. Während der Ausbildung oder danach entscheidet sich eine statistisch erschreckend hohe Zahl, der Anwaltschaft den Rücken zuzukehren. Im Ergebnis verstärkt das den Rückgang der Zahl ausgelernter Fachkräfte, die in Anwaltskanzleien tätig sind, dramatisch. Aus dem Berufsbildungsbericht7 7 Vgl. Nachr. aus Berlin 11/2023 v. 31.5.2023 zum Berufsbildungsbericht 2023, den das Bundeskabinett am 10.5.2023 beschlossen hat. geht hervor, dass in den freien Berufen mit 30,9 % aller Ausbildungsverträge überdurchschnittlich viele Ausbildungen vorzeitig beendet werden. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 26,7 %. Die vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) erhobenen Zahlen zeigen, dass die vorzeitigen Beendigungen im Ausbildungsberuf Rechtsanwaltsfachangestellte/r bzw. Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte/r mit 33,6 % (2021) sogar noch höher liegen als in den freien Berufen insgesamt. Im öffentlichen Dienst liegen die vorzeitigen Beendigungen dagegen lediglich bei 7,1 %. Neben der Frage, wie wieder mehr Menschen überhaupt für den Beruf begeistert werden können, muss die Anwaltschaft sich auch – und zwar gleichermaßen – mit der Thematik befassen, aus welchen Gründen eingegangene Ausbildungsverträge seitens der Auszubildenden gelöst oder gewechselt werden und warum von den verbleibenden Absolventinnen und Absolventen der Ausbildung so viele dennoch danach ihre Qualifikation nicht der Anwaltschaft zur Verfügung stellen. 1. ABBRECHER Die folgenden Statistiken einiger ausgewählter Rechtsanwaltskammern verdeutlichen die zunehmende Tendenz der Abbrüche der Ausbildung zur/zum Rechtsanwaltsfachangestellten. Die Abbildungen 1a bis 1m stellen für die Bezirke der Rechtsanwaltskammern Bamberg, Braunschweig, Düsseldorf, Freiburg, Karlsruhe, Kassel, Koblenz, Nürnberg, Oldenburg, Saarland, Schleswig-Holstein, Stuttgart und Zweibrücken jeweils die Zahlen der abgeschlossenen Ausbildungsverträge den Zahlen der Prüflinge dieser Einstellungsjahrgänge nach drei Jahren gegenüber.8 8 Die Zahlen der Prüflinge enthalten sowohl die Winter- wie auch die Sommerprüfungen. Die Statistiken enthalten also auch Wiederholer und Prüfungsvorzieher, also Auszubildende, die ihre Ausbildung verkürzen und die Abschlussprüfung bereits nach zwei Jahren ablegen. Letztere bleiben jedoch in der Regel zahlenmäßig und prozentual konstant, so dass sie allenfalls marginalen Einfluss auf die Statistik nehmen. Bei den Zahlen der abgeschlossenen Verträge lässt sich für die meisten der ausgewählten Kammerbezirke ein Rückgang im Jahr 2020, dem ersten Jahr der CoronaPandemie, beobachten. In diesem Jahr (wie auch in den beiden folgenden Pandemie-Jahren) war auf dem Ausbildungsmarkt allgemein, besonders aber für die Ausbildungsberufe Rechtsanwaltsfachangestellte/r bzw. Rechtanwalts- und Notarfachangestellte/r ein erheblicher Rückgang neuer Ausbildungsverhältnisse zu verzeichnen.9 9 Das belegt etwa die Statistik des Bundesverbands Freier Berufe für die Zeit bis März 2021. Zur Entwicklung während der Pandemie s. die Überblicke in Nachr. aus Berlin 10/2021 v. 20.5.2021, 6/2022 v. 23.3.2022 sowie 4/2023 v. 22.2.2023. Ein eindeutiger Effekt der Pandemie auf die Abb. 1a: Abbrecherquote RAK Bamberg Abb. 1b: Abbrecherquote RAK Braunschweig Abb. 1c: Abbrecherquote RAK Düsseldorf AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2023 213
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