BRAK-Mitteilungen 4/2023

sem Zeitpunkt käme keinerlei Nachwuchs an qualifiziertem Fachpersonal mehr nach. Die prognostizierte Entwicklung tritt neben den demografisch bedingten Rückgang erwerbstätiger Personen,10 10 Vgl. BIBB, Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2023, 254 ff. der die Mangellage insgesamt verschärft. Ob sich diese rein statistisch gewonnenen Prognosen bewahrheiten werden, wird sich zeigen. Das Risiko, dies abzuwarten, dürfte jedoch keine Option sein. Vielmehr ist es höchste Zeit, gegenzusteuern. III. GRÜNDE FÜR AUSBILDUNGSABBRÜCHE Ein erster Schritt dazu ist es, die Gründe für steigende Zahlen von Ausbildungsabbrüchen zu eruieren. Diese sind sicherlich vielfältig und letztlich vom Einzelfall abhängig. Ob sie bei den betroffenen Auszubildenden einzeln oder kumuliert vorliegen und insb. ob sie bundesweit übertragbar sind, ist nicht abschließend verifiziert. Es lohnt jedoch, die von (ehemaligen) ReFa-Auszubildenden angegebenen Gründe und berichteten Probleme genauer zu betrachten, um Rückschlüsse aus Erfahrungswerten einzelner Kammern zu ziehen und Gegenstrategien entwickeln zu können. 1. IM MARKTVERGLEICH GERINGE AUSBILDUNGSVERGÜTUNG FÜR REFAS Ein gewichtiger und von vielen Auszubildenden angegebener Faktor ist die Vergütung, die im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen relativ niedrig ist. Das deckt sich mit den Befunden einer aktuellen Studie zur Berufszufriedenheit von (ausgelernten) ReFas, wonach geringes Gehalt ein wesentlicher Demotivator und zugleich auch der Grund ist, über einen Jobwechsel nachzudenken.11 11 Legal Support, Marktstudie zum nichtjuristischen Personal in Deutschland, 2023, 19 f. Im Jahr 2022 lagen die tariflichen Ausbildungsvergütungen aller Berufssparten im bundesweiten Gesamtdurchschnitt12 12 Gebildet aus allen Ausbildungsjahren der jeweiligen Ausbildung. bei 1.028 Euro (vgl. Abb. 3), 13 13 Ergebnisse der jährlichen Auswertungen der tariflichen Ausbildungsvergütungen zum Stand 1. Oktober durch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). die freien Berufe kommen dabei nur auf einen GesamtdurchAbb. 3: Tarifliche Ausbildungsvergütungen nach Ausbildungsbereichen 2022 (durchschnittliche monatliche Beträge in Euro) schnitt von 946 Euro im Jahr 2022. Der Gesamtdurchschnitt der Ausbildungsvergütung bei Rechtsanwaltsfachangestellten lag dagegen 2021 monatlich bei nur 796Euro.14 14 Vgl. BRAK, Übersicht über die Ausbildungs-Vergütungsempfehlungen der RAKn (2021); dazu Nachr. aus Berlin 5/2021 v. 10.3.2021. Die meisten Kammern haben aber seitdem z.T. deutlich höhere Vergütungsempfehlungen für ausbildende Kanzleien beschlossen.15 15 Exemplarisch: RAK Berlin ab 1.2.2023, s. https://www.rak-berlin.de/rak-berlin/aktu elles/2022/221209_Azubiverguetung.php; RAK Hamburg zum 1.8.2023, s. https://www.rak-hamburg.de/ra-fachangestellte_r/ausbildung/hinweisefuerauszu bildende/; RAK Sachsen ab dem Schuljahr 2023/2024, s. https://www.rak-sachsen .de/anhebung-der-empfehlung-fuer-die-ausbildungsverguetung/. Der Gesamtdurchschnitt der empfohlenen Ausbildungsvergütung liegt daher für 2023 bei 925 Euro.16 16 Vgl. BRAK, Übersicht über die Ausbildungs-Vergütungsempfehlungen der RAKn (2023). Dabei handelt es sich zwar nicht um einen festen Tarif, sondern um Empfehlungen, die von ausbildenden Kanzleien auch unterschritten werden können. Sie haben jedoch insofern verbindlichen Charakter, als Ausbildende nach § 17 BBiG ihre Auszubildenden angemessen zu vergüten haben. Wird die Vergütungsempfehlung der Kammer um mehr als 20 % unterschritten, gilt dies nach der Rechtsprechung als unangemessen. Ausbildungsverträge mit unangemessener Vergütung werden nicht in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse eingetragen, die Auszubildenden können dann nicht zur Abschlussprüfung zugelassen werden. Die höheren Vergütungsempfehlungen der Kammern können daher einen Beitrag dazu leisten, den in der unterdurchschnittlichen Ausbildungsvergütung liegenden Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Ausbildungsberufen abzumildern. Das gilt zumindest für die aktuellen, erhöhten Empfehlungen, die nunmehr dem Durchschnitt der freien Berufe recht nahe kommen. Sie müssen aber erst in der Praxis ankommen – und höhere Lohnkosten müssen für die Anwaltschaft auch finanzierbar sein, was einer der Hintergründe für die Forderung nach einer neuerlichen Erhöhung der anwaltlichen Vergütung ist.17 17 S. dazu nur Wessels, BRAK-Mitt. 2022, 239 sowie ders., BRAK-Mitt. 2023, 1. Dass die Anwaltschaft durchaus verstanden hat, dass konkurrenzfähige Gehälter ein Mittel sind, um Fachkräfte zu halten, belegt auch die STAR-Untersuchung 2022.18 18 So die Analyse von Vetter, BRAK-Mitt. 2023, 2, 9 f. Im Vergleich zur vorhergehenden Untersuchung im Jahr 2020 sind die Gehälter ausgelernter ReFas und ReNos deutlich angestiegen, auch wenn die Angaben der einzelnen Befragten z.T. weit auseinandergingen. Eine im Vergleich zu anderen Berufen etwas geringere Vergütung während der Ausbildung könnte für Auszubildende sicherlich durch andere Faktoren aufgewogen werden.19 19 Dazu näher unten IV.2. Doch hier hat die Anwaltschaft, wie nachfolgend gezeigt wird, ebenfalls Verbesserungspotenzial. THEUS/NITSCHKE, AUSBILDUNGSSITUATION VON REFAS – ALARMSTUFE ROT! BRAK-MITTEILUNGEN 4/2023 AUFSÄTZE 216

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