BRAK-Mitteilungen 4/2023

Außerdem gilt die Fürsorgepflicht als Arbeitgeber und nicht zuletzt ist ein derartiges Verhalten ggf. auch strafrechtlich bedenklich. – „Ich putze seit Monaten die Kanzlei alleine, weil er die Reinigungskraft gefeuert hat (300qm).“ Putzdienste sind nicht mit § 14 III BBiG vereinbar. Danach dürfen Auszubildenden nur Aufgaben übertragen werden, die dem Ausbildungszweck dienen und ihren körperlichen Kräften angemessen sind. – „Muss ich als Azubi von 8 bis 20 Uhr in der Kanzlei sein?“ Ein derart umfangreicher Einsatz ist arbeitszeitrechtlich problematisch. Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden, vgl. § 3 ArbZG. Sofern die Auszubildenden noch nicht volljährig sind, enthält das JArbSchG strengere Vorschriften. – „Ich kann mir die ganze Literatur zur Ausbildung nicht leisten, meine Kanzlei sagt, ich muss das selbst zahlen.“ Tatsächlich haben Ausbilder kostenlos die Ausbildungsmittel, u.a. Fachliteratur, zur Verfügung zu stellen, vgl. § 14 I Nr. 3 BBiG. – „Ist mein Ausbilder verpflichtet, mir etwas beizubringen?“ Nach § 14 I Nr. 2 BBiG hat die Ausbilderin bzw. der Ausbilder selbst auszubilden oder einen Ausbilder ausdrücklich damit zu beauftragen. Nach § 28 BORA hat die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt zu gewährleisten, dass die Tätigkeit eines Auszubildenden in der Kanzlei auf die Erreichung des Ausbildungszieles ausgerichtet ist. – „Ich bin im dritten Jahr und habe noch nie eine Rechnung geschrieben.“/“Ich bin im dritten Jahr und habe noch nie eine Zwangsvollstreckungsakte bearbeiten dürfen.“/“Ich sitze seit drei Jahren am Empfang und bediene nur die Zentrale, Akten bearbeiten, Rechnungen schreiben oder ZV-Akten oder Mahnwesen habe ich noch nie machen dürfen.“ Auch diese Anfragen zeigen deutlich, dass in den betreffenden Kanzleien die Ausbilderinnen- bzw. Ausbilder-Pflichten nicht ernstgenommen werden. Denn die Ausbilderin bzw. der Ausbilder hat nach § 14 I Nr. 1 BBiG dafür zu sorgen, dass der oder dem Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist. Zudem hat die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt nach § 28 BORA zu gewährleisten, dass die Tätigkeit eines Auszubildenden in der Kanzlei auf die Erreichung des Ausbildungszieles ausgerichtet ist. – „Muss ich am Berufsschultag nachmittags noch in die Kanzlei?“ An Berufsschultagen mit mehr als fünf Unterrichtsstunden, einmal die Woche, sind Auszubildende freizustellen, vgl. § 15 I Nr. 2 BBiG. – „Muss ich samstags in die Kanzlei, um den Berufsschultag auszugleichen?“ Nein, denn Auszubildende sind für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freizustellen, vgl. § 15 I Nr. 1 BBiG. – „Ich bekomme vor der Prüfung keinen Urlaub.“ An dem Tag, der der schriftlichen Prüfung unmittelbar vorausgeht, sind Auszubildende freizustellen, vgl. § 15 I Nr. 5 BBiG. – „Muss ich für die Prüfung Urlaub einreichen?“ Für die Teilnahme an Prüfungen sind Auszubildende freizustellen, vgl. § 15 I Nr. 4 BBiG. – „Ich arbeite in einer Kanzlei, die wie mir jetzt bekannt wurde, immer nur Auszubildende beschäftigt, eine Übernahme ist jedoch aus finanziellen Gründen ausgeschlossen. Nach mir werden sie wieder einen Auszubildenden einstellen, weil dieser günstiger ist. Muss sie mir das nicht vor Eingehung des Ausbildungsvertrages mitteilen, dass ich dort keine Zukunft habe?“ Es gibt keine Verpflichtung, die oder den Auszubildenden zu übernehmen. Diese Verfahrensweise fördert aber einen schlechten Ruf der Anwaltschaft bei den (potenziellen) Auszubildenden, unseren späteren Fachkräften, sie schafft weder Vertrauen noch unterstützt sie eine langfristige Bindung der zukünftigen Fachkräfte an die Anwaltschaft im Ganzen. Hinzu kommen die von Auszubildenden immer wieder zu hörenden Vorwürfe, man werde angeschrien, wenn man einen Fehler mache, arbeite unter einem enormen Zeitdruck, es sei überhaupt keine Zeit, sich mit einer Akte oder einem Thema länger zu beschäftigen oder nachzufragen, was der Hintergrund für die eine oder andere Verfahrensweise sei. Überstunden würden als selbstverständlich angesehen, ein „Danke“ oder eine Wertschätzung erfolge nicht, ein Interesse am Auszubildenden, seinen schulischen Leistungen, seinem Fortkommen, erst recht nicht an seinem privaten Befinden sei nicht vorhanden. Die benannten Vorwürfe sind leider nicht die Ausnahme, sondern werden im Einzelnen oder kumulativ von einer Vielzahl von Schülerinnen und Schülern berichtet. Das ergaben direkte Befragungen der Schülerinnen und Schüler, jedoch auch der Berufsschullehrkräfte in einzelnen Kammerbezirken. Es darf natürlich nicht verkannt werden, dass ein Teil dieser Vorwürfe auch in anderen Berufssparten vorkommt. Würde man umgekehrt die Ausbilderinnen und Ausbilder zu ihren Auszubildenden befragen, kämen sicherlich auch von Seiten der Ausbildenden Vorwürfe fehlender Motivation, Arbeits- und Lernbereitschaft oder respektlosen Verhaltens zu Tage. b) WECHSEL DES AUSBILDUNGSPLATZES ALS LÖSUNG? Mit Ausnahme des letztbenannten Negativbeispiels sind sämtliche der unter a) aufgeführten Vorwürfe zwar THEUS/NITSCHKE, AUSBILDUNGSSITUATION VON REFAS – ALARMSTUFE ROT! AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2023 219

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