BRAK-Mitteilungen 4/2023

bilder/eine Ausbilderin ausdrücklich damit zu beauftragen, vgl. § 14 I Nr. 2 BBiG. Nach § 28 BORA hat die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt zudem zu gewährleisten, dass die Tätigkeit der Auszubildenden in der Kanzlei auf die Erreichung des Ausbildungszieles ausgerichtet ist. Es ist insoweit festzuhalten, dass die unter den Auszubildenden beliebten Kanzleien diejenigen sind, die sich an die gesetzlichen Vorschriften halten und die Ausbildung als Verpflichtung begreifen, diese auch wirklich durchzuführen und in den Auszubildenden nicht lediglich kostengünstige zusätzliche Mitarbeitende sehen, die das Tagesgeschäft abarbeiten. V. DIE ANWALTSCHAFT INVESTIERT, JUSTIZ UND WIRTSCHAFT PROFITIEREN Die unter II.1. genannten Zahlen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass von den ohnehin schon fallenden Zahlen der erfolgreichen Abschlussprüflinge eine nicht zu unterschätzende Anzahl den Beruf danach nicht in der Anwaltschaft fortsetzt. Eine ebenso steigende Anzahl der Abschlussprüflinge wechselt nach der Ausbildung in die Justiz oder in die Wirtschaft. Die Gehälter sowohl in der Justiz als auch in der Wirtschaft liegen wesentlich höher als in der Anwaltschaft, zudem bieten der Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst sowie die Tarifverträge in der Wirtschaft ein hohes Maß an Transparenz hinsichtlich zu erwartender Lohnsteigerungen je nach Dienstzugehörigkeit, eine Vielzahl von ebenso transparent für den Betreffenden nachzulesenden Lohnnebenleistungen sowie insb. auch Perspektiven wie Aufstiegschancen oder interne Wechselmöglichkeiten. Eine vergleichbare Transparenz und Planbarkeit kann die Anwaltschaft jedenfalls nicht in Gestalt von Tarifen bieten. Umso mehr liegt es an den einzelnen Anwältinnen und Anwälten, ihrem begehrten künftigen Personal gegenüber transparent zu machen, welche Leistungen und Entwicklungsmöglichkeiten sie anzubieten haben. Zudem bietet eine größere Firma und auch die Justiz einen größeren Kollegenkreis, d.h. in der Regel mehr soziale Kontakte sowie üblicherweise mehr als zehn Arbeitnehmer und damit Kündigungsschutz und Sicherheit. Nachdem Auszubildende in der Anwaltschaft also unter enormem Zeitdruck und meist relativ schlecht bezahlt die anspruchsvolle Abschlussprüfung bei hoher Durchfallquote bestanden haben, profitieren Justiz und Wirtschaft von gut qualifizierten Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern, die Zeitmanagement, Büroorganisation, Buchführung und rechtlichen Background mitbringen und zudem für einen geregelten Arbeitsalltag mit weniger Überstunden, besserer Bezahlung, Lohnnebenleistungen und Aufstiegschancen überaus dankbar sind. VI. FAZIT Es drängt sich der Rückschluss auf, dass eine höhere Vergütung allein den Abwärtstrend bei den Zahlen neu eingegangener Ausbildungsverhältnisse ebenso wie bei den Zahlen abgeschlossener Ausbildungen nicht aufhalten wird. Vielen Auszubildenden mangelt es an Support, Interesse an ihrer Person, einem motivierenden Arbeitsklima, kurzum an Wertschätzung. Wertschätzung bezeichnet die positive Bewertung eines anderen Menschen. Sie ist verbunden mit Respekt, Wohlwollen und drückt sich aus in Zugewandtheit, Interesse, Aufmerksamkeit und Freundlichkeit. Eigentlich hat die Anwaltschaft die Lösung zur Mitarbeiterbindung bereits vor Augen und im Rahmen der Selbstständigkeit gelernt: Jede Rechtsanwältin und jeder Rechtsanwalt hat im Verlauf seiner/ihrer Karriere erfahren, dass nach anfänglicher Akquise die Neugewinnung von Mandanten ein Multiplikator von zufriedenen Bestandsmandaten ist. Wenn also zufriedene Mandanten neue Mandanten generieren ist dies gleichermaßen auf Mitarbeitende bzw. Auszubildende übertragbar. Zu angemessenen Bedingungen und bei einem Arbeitsklima, in dem sich Auszubildende wertgeschätzt fühlen, werden sie sich sowohl mit der Kanzlei wie auch mit dem Beruf identifizieren und dies so an ihre Mitschülerinnen und Mitschüler und sämtliche sozialen Kontakte wiedergeben und dergestalt neue Mitarbeitende und auch Auszubildende generieren. Man verbringt für gewöhnlich im Büro mehr Zeit in der Woche, im Monat, im Jahr als mit der eigenen Familie. Vielleicht ist der Weg, die Abwärtsspirale aufzuhalten, der, die eigenen Mitarbeitenden und auch Auszubildenden an sich zu binden, ihre Ausbildung und berufliche Weiterentwicklung ernst zu nehmen, sie zu motivieren und zu fördern, wie die eigene Familie, die eigenen Kinder. Anderenfalls werden zunächst die betreffenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ihr Tagesgeschäft bald ohne Fachkräfte-Nachwuchs bewältigen müssen. Wird der Abwärtstrend nicht aufgehalten, besteht die Gefahr, dass nicht nur die betreffenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, sondern die Anwaltschaft insgesamt weiter die Konsequenz daraus tragen muss, dass sie als unbeliebte Arbeitgeber und Ausbilder gelten. Ziel muss es vielmehr sein, Anwaltskanzleien als attraktive Arbeitsplätze und engagierte Ausbildungsstätten zu positionieren und Anwältinnen und Anwälte als gute und faire Chefinnen und Chefs. Daran müssen alle gemeinsam arbeiten – und zwar jetzt. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2023 221

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