weg i.S.v. § 130a IV 1 Nr. 2 ZPO dar. Dieses „Kanzleipostfach“ hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe v. 7.7.202187 87 BGBl. 2021 I, 2363. eingeführt. Allerdings ist ungeklärt, ob das Erfordernis der Personenidentität zwischen der verantwortenden Person, die das elektronische Dokument einfach signiert, und der die Nachricht versendenden Person auch für den Versand von Nachrichten aus dem „Kanzleipostfach“ gilt.88 88 Vgl. https://portal.beasupport.de/neuigkeiten/information-zur-nutzung-des-sichere n-uebermittlungswegs-durch-berufsausuebungsgesellschaften sowie Nachr. aus Berlin 20/2022 v. 6.10.2022. 7. REFORM DES VORMUNDSCHAFTS- UND BETREUUNGSRECHTS Art. 7 des Gesetzes zur Reform des Vormundschaftsund Betreuungsrechts v. 4.5.202189 89 BGBl. 2021 I, 882. hat mit Wirkung zum 1.1.2023 insb. § 53 ZPO neu gefasst und § 170a ZPO eingefügt, der die Zustellung bei rechtlicher Betreuung regelt. III. AUSBLICK Zum 1.1.2024 verschlankt Art. 34 MoPeG90 90 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrecht v. 10.8.2021, BGBl. 2021 I, 3436. die in §50 ZPO geregelte Parteifähigkeit. Die Sondervorschrift des § 50 II ZPO fällt weg und § 50 ZPO wird lauten: „Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist“. Derzeit stehen einige für das Zivilverfahrensrecht bedeutende Projekte an. Seit 2010 diskutiert der Gesetzgeber die Einrichtung von Kammern für Internationale Handelssachen91 91 Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen (KfiHG) der Länder Nordrhein-Westfalen und Hamburg: BR-Drs. 42/10 v. 27.1.2010. mit Englisch als Gerichtssprache. Hierzu nahm der Bundesrat Anfang 2022 einen erneuten Anlauf,92 92 BT-Drs. 20/1549: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gerichte in Wirtschaftsstreitigkeiten; Ultsch, BRAK-Mitt. 2022, 193, 199. den der Bundestag stoppte,93 93 Rechtsausschuss: BT-Drs. 20/6609. nachdem das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland durch Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit (Justizstandort-Stärkungsgesetz)“94 94 Referentenentwurf Justizstandort-Stärkungsgesetz; dazu BRAK-Stn.-Nr. 24/2023. veröffentlicht hatte. Damit große Wirtschaftsstreitigkeiten nicht weiter ins Ausland oder in die Schiedsgerichtsbarkeit abwandern, sollen die Länder ermächtigt werden, die landgerichtlichen Zivilverfahren im Bereich der Wirtschaftszivilsachen für die Gerichtssprache Englisch zu öffnen (Commercial Chambers). Zudem soll den Ländern die Befugnis eingeräumt werden, einen Commercial Court an einem Oberlandesgericht oder einem Obersten Landesgericht einzurichten. Dort sollen Wirtschaftszivilsachen ab einem Streitwert von einer Million Euro erstinstanzlich geführt werden können, sofern sich die Parteien auf die erstinstanzliche Anrufung des Commercial Courts verständigt haben. Die Commercial Courts sollen den Rechtsstreit – je nach Vereinbarung der Parteien – entweder in deutscher oder in englischer Sprache führen; bei der Verhandlung über Geschäftsgeheimnisse soll deren Schutz gestärkt werden. Für diese Verfahren soll die Möglichkeit der Erstellung eines Wortprotokolls eröffnet werden. Gegen Entscheidungen des Commercial Courts soll die Revision zum Bundesgerichtshof statthaft sein. Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung liegt noch nicht vor. Deutschland ist im Verzug bei der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen zumSchutz der Kollektivinteressen der Verbraucher (...).95 95 ABl. L 409 v. 4.12.2020, 1. DieRichtlinie hätte nach ihrem Art. 24 I schon bis zum 25.12. 2022 in nationales Recht umgesetzt sein sollen, so dass die neuen Vorschriften ab dem 25.6.2023 hätten angewendet werden können (Art. 22 I und 24 I der Richtlinie). Erst am 24.4.2023 konnte die Bundesregierung ihren Regierungsentwurf für das Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz (VRUG) vorlegen,96 96 BT-Drs. 20/6520. das durch das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG) u.a. eine neue zivilrechtliche Klageart, die Abhilfeklage, einführen soll. Im Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz sollen auch die bereits existierenden Regelungen zur Musterfeststellungsklage integriert werden. Der Gesetzesentwurf hat sich wegen Uneinigkeiten in der Bundesregierung über die Frage verzögert, bis wann Betroffene sich der neuen Sammelklage anschließen können sollen.97 97 Neues Klageinstrument für Verbraucher: Suliak, Bundesregierung beschließt Abhilfeklage, Legal Tribune Online v. 29.3.2023. Der Gesetzesbeschluss des Bundestags98 98 Deutscher Bundestag, Beschl. v. 7.7.2023 – BT-Drs. 20/6520, BT-Drs. 20/7631. sieht nun vor, dass Verbraucher ihre Ansprüche innerhalb von drei Wochen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung anmelden. Der Bundesrat wird sich mit dem Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz voraussichtlich am 29.9.2023 befassen. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes ist das geltende Recht richtlinienkonform auszulegen.99 99 Hierzu: G. Vollkommer, NJW-aktuell 29/2023, S. 3; zur Grenze der richtlinienkonformen Auslegung: Ultsch, Der einheitliche Verbraucherbegriff, S. 60 ff. Am 14.6.2023 hat das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof veröffentlicht.100 100 https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2023_Leitentsch eidungsverfahren.html?nn=110518. Damit soll es dem Bundesgerichtshof ermöglicht werden, bei Massenverfahren – über §§ 555 III, 565 S. 3 ZPO hinaus – auch dann eine den Instanzgerichten und der Öffentlichkeit als Richtschnur und Orientierung dienende Leitsatzentscheidung zu erlassen, wenn die Parteien die Revision zuULTSCH, DIE ENTWICKLUNG DES ZIVILVERFAHRENSRECHTS AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2023 231
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