er den Mandanten über die Vor- und Nachteile des Vergleichs zu beraten. 2. Die Beratungsbedürftigkeit des Mandanten entfällt erst dann, wenn der Mandant aus anderen Gründen über die Vor- und Nachteile des Vergleichs im Bilde ist; dies hat der Rechtsanwalt darzulegen und zu beweisen. BGH, Urt. v. 20.4.2023 – IX ZR 209/21, MDR 2023, 872; DB 2023, 1469; ZIP 2023, 1390; ZInsO 2023, 1485 Diesem Anwaltsregress zugrunde liegt ein Streit zwischen dem Mandanten und einem Werkunternehmer wegen Feuchteschäden am Haus des Mandanten nach Durchführung von Drainage- und Abdichtungsarbeiten. Der Anwalt leitete für den Mandanten ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Nach einem ersten Ortstermin, bei dem keine Aufgrabungen vorgenommen wurden, erstattete der gerichtliche Sachverständige einen Zwischenbericht, nach dem mit hoher Wahrscheinlichkeit Arbeiten an der Drainage erforderlich seien, wobei ein Teil der Mängelbeseitigungskosten Sowieso-Kosten sein könnten. Vor dem Beginn von Aufgrabungsarbeiten kam es zu einem Vergleich, nach dem der Werkunternehmer an den Mandanten 55.000 Euro gegen umfassende Abgeltungserklärung zahlte. Der Mandant macht nun gegenüber dem Anwalt geltend, die Mangelbeseitigungskosten betrügen mehr als das Vierfache der Vergleichssumme; der Anwalt habe ihn nicht ausreichend über die Tragweite der Abgeltungsklausel beraten. Die Klage war in den Vorinstanzen erfolglos; beide Instanzen verneinten eine anwaltliche Pflichtverletzung. Das OLG stellte darauf ab, dass der Terminus „Abgeltung“ dem verständigen Verbraucher bekannt und Abgeltungsklauseln in gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen der Regelfall seien. Der Senat habe in seiner Praxis noch keine sog. „Naturalpartei“ erlebt, der die Bedeutung einer Abgeltungsklausel unbekannt gewesen wäre. Eine verständige Partei wisse, dass mit einer Abgeltungsklausel eine endgültige Befriedungswirkung erstrebt werde. Anders als etwa bei komplexen Personenschäden habe der Anwalt daher hier keine besondere Beratungspflicht gehabt. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das OLG zurück. Eine Pflicht des Anwalts, den Mandanten über Vor- und Nachteile und damit auch über die rechtlichen Wirkungen eines Vergleichs aufzuklären, bestehe bei jeder Abgeltungsklausel. Inhalt und Komplexität des Vergleichs beeinflussten lediglich Art und Umfang der Beratungspflichten. Es sei auch nicht zutreffend, dass es im hiesigen Fall keine Prognoseschwierigkeiten gegeben habe. Es sei schon nicht abschließend geklärt gewesen, ob das Werk mangelhaft sei und ob das Eigentum des Klägers beschädigt worden sei; zu einer etwaigen Schadenshöhe habe es noch nicht einmal eine Vorstellung gegeben. Um eine „besondere Beratungspflicht“ gehe es daher nicht. Zu der Frage, ob und ggf. wie der Anwalt den Mandanten beraten habe, habe das OLG keinerlei Feststellungen getroffen. Revisionsrechtlich sei daher davon auszugehen, dass die geschuldete Beratung des Mandanten, dass dieser mit dem Vergleich das Risiko übernahm, dass die tatsächlichen Kosten die Vergleichssumme übersteigen könnten, nicht erfolgt sei. Dafür, dass ein Mandant aufgrund von Vorkenntnissen – abweichend vom Regelfall – nicht beratungsbedürftig sei, sei der Anwalt darlegungs- und beweispflichtig; dies habe das OLG nicht unterstellen dürfen. Von einer Beratungsbedürftigkeit sei grundsätzlich selbst bei rechtlich vorgebildeten und wirtschaftlich erfahrenen Mandanten auszugehen. Die Entscheidung bekräftigt die bisherige, strenge Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH. Im Regelfall ist danach von einer Belehrungsbedürftigkeit des Mandanten auszugehen. Die Beratung muss grundsätzlich „umfassend und erschöpfend“ erfolgen und über den sichersten Weg sowie mögliche Risiken aufklären, damit der Mandant in die Lage versetzt wird, eine eigene, sachgerechte Entscheidung zu treffen.1 1 St. Rspr., z.B. BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 289/99, BRAK-Mitt. 2001, 69, bespr. von Jungk = NJW 2001, 517; BGH, Urt. v. 1.3.2007 – IX ZR 261/03, BRAK-Mitt. 2007, 158, bespr. von Chab = NJW 2007, 2485. Im konkreten Fall ist allerdings zu beachten, dass das OLG zur Frage der erteilten Beratung und zur Beratungsbedürftigkeit einfach keine Feststellungen getroffen hat; diese wird es nun nachzuholen haben. Dabei sollte der Mandant auch darzulegen haben, welche (unzutreffenden) Vorstellungen er denn über die Reichweite und Wirkung des Vergleichs gehabt haben will. (hg) ABSCHLUSS EINES ANWALTSVERTRAGS DURCH KLICK AUF EINEN BUTTON Ein Rechtsanwalt, der seine Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr anbietet, genügt den Anforderungen gem. § 312j III 2 BGB nicht, wenn er den Button (Schaltfläche), über den der Vertragsschluss erfolgt, mit den Worten „Bußgeld jetzt abwehren“ beschriftet. Der Ausschluss gem. § 312j V 1 BGB greift nicht, wenn vorhergehende Kommunikation – wie die Übersendung von Unterlagen der Rechtsschutzversicherung – in einem automatisierten Verfahren ohne individuellen auf den jeweiligen Mandanten zugeschnittenen Inhalt erfolgt ist. AG Düsseldorf, Urt. v. 10.1.2023 – 37 C 124/22, NJW-RR 2023, 628 Die Entscheidung betrifft nicht unmittelbar Fragen der anwaltlichen Haftung, soll aber dennoch an dieser Stelle erwähnt werden, weil ein wirksamer Vertrag regelmäßig auch die Grundlage für einen Schadenersatzanspruch wegen fehlerhafter anwaltlicher Tätigkeit bildet. Der Anwalt verklagte seinen Mandanten auf Zahlung des Selbstbehalts i.H.v. 150 Euro, den dieser offenbar in seinem Rechtsschutzversicherungsvertrag vereinbart hatte. Fraglich war aber, ob der Geschäftsbesorgungsvertrag, der dem Honoraranspruch hätte zugrunde lieAUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2023 233
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