BRAK-Mitteilungen 4/2023

Der Entscheidung liegt die Inhaftierung der türkischen Oppositionellen Selahattin Demirta¸s und Figen Yüksekdag˘ ¸Senog˘lu, ehemalige Co-Vorsitzende der linken HDP-Partei, zugrunde. Sie waren in der Folge des Putschversuchs in der Türkei im Jahr 2016 inhaftiert worden. Während ihrer Inhaftierung wurde durch Friedensrichter die Video-Aufzeichnung sowie die Überwachung von Beratungsgesprächen mit ihren Anwälten sowie die Beschlagnahmung der zwischen ihnen und ihren Anwälten gewechselten Post für einen Zeitraum von drei Monaten angeordnet. Vor nationalen Gerichten gingen die beiden Oppositionellen ohne Erfolg gegen ihre Inhaftierung vor. Der EGMR stellte eine Verletzung von Art. 5 IV EMRK fest. Die Vorschrift schützt das Recht auf eine Entscheidung innerhalb kurzer Frist über die Rechtmäßigkeit einer Freiheitsentziehung, welche einen effektiven Rechtsbeistand erfordert. Die nationalen Gerichte hätten nicht dargelegt, dass außergewöhnliche Umstände vorgelegen hätten, welche eine Ausnahme vom Grundprinzip der Vertraulichkeit anwaltlicher Gespräche mit ihren Mandanten gerechtfertigt hätten. Ferner hätten keine ausreichenden Garantien gegen einen möglichen Missbrauch vorgelegen. Für die Entscheidung stimmten sechs, dagegen ein Richter. S. dazu auch die Pressemitt. des EGMR v. 6.6.2023. BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN ERLASS EINES VERTRETUNGSVERBOTS AUF DEM GEBIET DES FAMILIENRECHTS BRAO §§ 43, 43a, 114 I; GG Art. 12 I * Berufspflichtverletzungen, wie die unterlassene Weiterleitung von Kindesunterhalt, die Preisgabe sensibler persönlicher Mandatsgeheimnisse im Internet sowie herabwürdigende Äußerungen betreffend eine Richterin rechtfertigen den Erlass eines Vertretungsverbots auf dem Gebiet des Familienrechts. BVerfG, Beschl. v. 26.4.2023 – 1 BvR 733/23 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Die Reichweite eines Vertretungsverbots muss vom Gericht genau bestimmt werden. Andernfalls fehlt der Ahndung einer etwaigen Zuwiderhandlung, im Regelfall der Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft, die eindeutige Grundlage. Einem Vertretungsverbot auf dem Gebiet des „Immobilienrechts“ mangelt es an der erforderlichen Bestimmtheit (vgl. hierzu Bayerischer AGH, BRAK-Mitt. 2015, 140). BESCHRÄNKTES TÄTIGKEITSVERBOT ALS ANWALTSGERICHTLICHE MASSNAHME BRAO § 114 I Nr. 4 * 1. Bei einer Verurteilung wegen Untreue ist regelmäßig eine Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft gerechtfertigt bzw. geboten. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Geschädigte ein Mandant des Rechtsanwalts ist. * 2. Verhältnismäßig und ausreichend kann in diesem Fall aber auch ein Tätigkeitsverbot gem. § 114 I Nr. 4 BRAO sein. * 3. Das Arbeits- und Familienrecht kann von einem Tätigkeitsverbot auf dem Gebiet des Zivilrechts ausgenommen werden, weil in familien- und arbeitsgerichtlichen Verfahren Fremdgelder nicht oder lediglich in geringem Maße anfallen. AnwG Koblenz, Urt. v. 11.7.2022 – 1 AG 1/21, 1 AG 1/20, 1 AG 3/20 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Ob besondere Umstände vorliegen, die es trotz gravierender Pflichtverletzungen rechtfertigen, von einem Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft abzusehen, hat ein Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung aller für die Rechtsfolgenzumessung maßgeblichen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Kann der Gefahr erneuter schwerwiegender Berufsrechtsverfehlungen mit milderen Maßnahmen als dem Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft begegnet werden, so sind diese zu verhängen (vgl. etwa BGH, BRAK-Mitt. 2013, 128). UNZULÄSSIGE MANDATSVERMITTLUNG ÜBER INFORMATIONS- UND WERBEPLATTFORMEN BRAO § 49b III 1 Eine Vereinbarung zwischen einem Rechtsanwalt und einem kanzleifremden Dritten verstößt gegen das Provisionsverbot, wenn das zu zahlende Entgelt kausal mit der Vermittlung eines konkreten Mandats verknüpft ist. OLG Dresden, Urt. v. 6.4.2023 – 8 U 1883/22 BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2023 247

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