BRAK-Mitteilungen 4/2023

gelung darum, eine statusrechtliche Anerkennung der Tätigkeit als Syndikusanwalt in einem Unternehmen als Rechtsanwalt – allerdings mit bestimmten Einschränkungen – vorzunehmen (vgl. BT-Drs. 18/5201, 1). Erklärtes Ziel war es zu verdeutlichen, dass es sich bei der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts um eine besondere Form der Ausübung des einheitlichen Berufs des Rechtsanwalts handelt (BT-Drs. 18/5201, 19, 28). Nach § 46 III und IV BRAO setzt dies voraus, dass eine fachlich unabhängige, eigenverantwortliche Tätigkeit ausgeübt wird, was vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sollten die für Rechtsanwälte geltenden gesetzlichen Vorschriften grundsätzlich – vorbehaltlich abweichender Sonderregelungen – auch für Syndikusrechtsanwälte gelten. Dies sollte mit § 46c I BRAO klargestellt werden (BTDrs. 18/5201, 37 zu § 46c I BRAO-E). [33] (ccc) Diesem gesetzgeberischen Anliegen entspricht es, von einem Verbandssyndikusrechtsanwalt, der entsprechend § 46 V 2 Nr. 2 BRAO Rechtsdienstleistungen des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitgliedern erbringt und hierfür über ein separates beA verfügt (vgl. § 46c V, § 31 BRAO), zu verlangen, dass er bei Anträgen und Erklärungen gegenüber einem Gericht, die in Ausübung dieser Tätigkeit vorgenommen werden, die für Rechtsanwälte geltenden Formerfordernisse wahrt. Insoweit unterscheiden sich auch Verbandssyndikusrechtsanwälte maßgeblich von nichtanwaltlichen Verbandssyndici (vgl. zu anwaltlichen und nichtanwaltlichen Insolvenzverwaltern BGH, 24.11.2022 – IX ZB 11/22 Rn. 21). Ein rollenbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht, dass diese vom jeweiligen Auftreten abhängig macht (dafür Natter, in Ory/Weth, jurisPKERV Bd. 2, Stand 14.2.2023, § 46c ArbGG Rn. 65; Gädeke, in Ory/Weth jurisPK-ERV Bd. 3, Stand 24.3.2023, § 65d SGG Rn. 23), wäre hingegen mit den Voraussetzungen für die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt nach § 46 III bis V BRAO nicht vereinbar (vgl. BGH, 24.10. 2022 – AnwZ (Brfg) 33/21 Rn. 17 ff.). [34] (3) Weiterhin sprechen Sinn und Zweck des § 46g Sinn und Zweck des §46gArbGG ArbGG für die aktive Nutzungspflicht des ERV. Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers soll durch eine Verpflichtung für alle Rechtsanwälte (und Behörden) zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten der ERV etabliert werden. Die Rechtfertigung gerade eines Nutzungszwangs ergibt sich für den Gesetzgeber daraus, dass selbst bei einer freiwilligen Mitwirkung einer Mehrheit von Rechtsanwälten an diesem Ziel die Nichtnutzung durch eine Minderheit immer noch zu erheblichen Druck- und Scanaufwänden insbesondere bei den Gerichten führte. Es sei nicht hinzunehmen, erhebliche Investitionen der Justiz auszulösen, wenn dann nicht die für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderliche Nutzung sichergestellt sei (BT-Drs. 17/12634, 37 i.V.m. S. 27). Diese ratio legis lässt die Einbeziehung auch der als Verbandsvertreter agierenden Syndikusrechtsanwälte, die als Rechtsanwälte ohnehin ein beA für die elektronische Kommunikation vorzuhalten haben (§ 31a VI BRAO), nur als konsequent erscheinen (ebenso zum anwaltlichen Insolvenzverwalter und § 130d S. 1 ZPO, BGH, 24.11.2022 – IX ZB 11/22 Rn. 19). [35] (4) Der Pflicht des Verbandssyndikusrechtsanwalts, den ERV aktiv zu nutzen, steht – anders als die Bekl. meint – nicht entgegen, dass die Verbände selbst erst ab dem 1.1.2026 dieser Pflicht unterliegen (Art. 10 des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften v. 5.10.2021, BGBl. I S. 4607, 4613). [36] a) Aus der Einbindung des Verbandssyndikusrechtsanwalts in den ERV folgt keine Verpflichtung der Verbände, den ERV schon vor dem 1.1.2026 zu nutzen. Auch wird dadurch nicht die gesetzgeberische Wertung konterkariert (a.A. Elking, NZA 2022, 1009, 1016). Vielmehr beruht die Pflicht, den ERV aktiv zu nutzen, auf der – mit dem grundsätzlichen Einverständnis des Verbands stattfindenden – Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, für die durch den Verband u.a. die fachlich unabhängige Berufsausübung vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten ist (vgl. § 46 IV BRAO; hierzu auch BGH, 24.10.2022 – AnwZ (Brfg) 33/21 Rn. 17 ff.). [37] (b) Dieses Ergebnis entspricht der Rechtsprechung Pflicht der Verbände vom Syndikus unabhängig des BGH zur Einrichtung eines beA für Rechtsanwaltsgesellschaften nach alter Rechtslage. Entscheidend kam es hier auf die persönliche Qualifikation der natürlichen Berufsträgerinnen und Berufsträger für die Ausübung der Tätigkeit an (BGH, 6.5.2019 – AnwZ (Brfg) 69/18 Rn. 12). Die Rechtsprechung des BFH (BFH, 25.10.2022 – IX R 3/22 Rn. 21 f.) steht dem mangels vergleichbarer Ausgangslage nicht entgegen. Der BFH hatte angenommen, dass gesetzliche Vertreter einer Steuerberatungsgesellschaft, die über eine Zulassung als Rechtsanwalt verfügten, keiner Nutzungspflicht unterlägen, wenn sie in dieser Funktion tätig werden. Der im Streitfall handelnde Verbandssyndikusrechtsanwalt ist kein gesetzlicher Vertreter des bevollmächtigten Verbands und nicht als solcher tätig geworden. [38] (c) Aus dem Schweigen der Begründung des Entwurfs des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften v. 5.10.2021 (BT-Drs. 19/28399) zum Verbandssyndikusrechtsanwalt und aus dem Hinweis, dass Verbände künftig die Möglichkeit erhielten, über das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) nach § 10 ERVV mit den Gerichten elektronisch zu kommunizieren (BT-Drs. 19/ 28399, 23), lassen sich keine überzeugenden Gesichtspunkte herleiten, die gegen die Anwendung von § 46g S. 1 ArbGG auf den Verbandssyndikusrechtsanwalt sprechen. Insbesondere lässt sich daraus nicht zwingend schließen, der Gesetzgeber habe sich mit Blick auf die Nutzungspflicht nach § 46g S. 1 ArbGG für eine gesonderte rechtliche Behandlung von VerbandssyndikusSYNDIKUSANWÄLTE BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2023 259

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