Die Ursachen liegen nicht im Verschwinden von Konfliktanlässen. Vielmehr wird die gleichgebliebene oder erhöhte Menge potenzieller Zivilrechtskonflikte in gewachsenem Umfang anders verarbeitet. Zu einem vergleichsweise kleinen, aber praktisch bedeutsamen Teil gelangt sie vor Verbraucher- und andere Schlichtungsstellen. Zu einem wesentlich größeren Teil kommt zum Tragen, dass die Wirtschaft verstärkt durch Vertragsgestaltung und aufmerksames Beschwerdemanagement der Entstehung von Streitigkeiten vorbeugt oder auf kulante Weise abhilft. Sind Unternehmen oder Private gleichwohl mit verbleibenden zivilrechtlichen Problemen befasst, verzichten sie vor allem bei kleineren Streitwerten in der Abwägung mit Kosten, Dauer und Risiko des Ausgangs häufiger als früher von sich aus oder auf anwaltlichen Rat hin auf die gerichtliche Austragung. In diesem Streitwertbereich kann die staatliche Justiz mit ihren Anforderungen an Form und Zeit offenkundig mit heutigen einfacheren und schnelleren Methoden der Erledigung zivilrechtlicher Konflikte nicht mehr im früher gewohnten Maße mithalten. JURISTISCHES INTERESSE? JA. ReFa? NEIN. PROBLEME IN DER RECHTSANWALTSFACHANGESTELLTEN-AUSBILDUNG UND MÖGLICHE LÖSUNGSANSÄTZE NICOLE GENITHEIM, M.A., UND TAMARA HERL, M.A.* * Die Autorin Genitheimist Leiterin des Forschungsbereichs Freie Berufe am Institut für Freie Berufe (IFB) der Universität Erlangen-Nürnberg. Die Autorin Herl ist dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Seit Jahren sinken die Zahlen von Auszubildenden zum/ zur Rechtsanwaltsfachangestellten (ReFa). Bislang existierten jedoch keinerlei evidenzbasierte Studien, die sich speziell auf die ReFa-Ausbildung konzentrieren. Das Institut für Freie Berufe an der Universität Erlangen-Nürnberg hat im Auftrag des Selbsthilfe für Rechtsanwälte e.V. in einer breit angelegten Studie die Berufszufriedenheit im juristischen Arbeitsumfeld erforscht. Befragt wurden dabei sowohl Rechtsanwaltsfachangestellte mit abgeschlossener Ausbildung als auch solche, die sich noch in Ausbildung befinden. Die Autorinnen stellen die wesentlichen Erkenntnisse der Studie vor und leiten Handlungsoptionen daraus ab. Der Beitrag knüpft insofern an die Untersuchung von Theus/Nitschke1 1 Theus/Nitschke, BRAK-Mitt. 2023, 212. Zum Thema s. außerdemTrierweiler, BRAKMagazin 3/2023, 3. zu den Hintergründen der bei ReFas besonders hohen Quote von Ausbildungsabbrüchen an. I. EINLEITUNG Im Auftrag der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V. wurden zwischen März und Mai 2023 insgesamt 1.152 Rechtsanwaltsfachangestellte (ReFas) zu verschiedenen Aspekten ihrer beruflichen Tätigkeit sowie zu ihrer absolvierten Ausbildung befragt. Dies erfolgte im Rahmen einer größer angelegten Studie zum Thema Jobzufriedenheit im juristischen Arbeitsumfeld, die das Institut für Freie Berufe durchführte.2 2 Studienbeschreibung unter https://www.brak.de/fileadmin/newsletter_archiv/berli n/2023/Studienbeschreibung.pdf; s. auch Nachr. aus Berlin 6/2023 v. 22.3.2023. Der folgende Beitrag widmet sich vor allem der Bewertung der Ausbildung zum/zur ReFa durch die betroffenen Personen selbst. Hierbei wird auf positive Aspekte, aber auch auf die negativen Facetten der Tätigkeit eingegangen, aus welchen wiederum Implikationen für Kanzleien mit Mitarbeitermangel abgeleitet werden können. Die gesamte Studie erscheint im ersten Quartal 2024 als Print- und Digitalausgabe.3 3 Die Studie ist über das Institut für Freie Berufe (forschung@ifb.uni-erlangen.de) zu erwerben. Bei Interesse sind Vormerkungen bereits jetzt möglich. II. DIE BEFRAGUNG AUF EINEN BLICK 1. AUSGANGSSITUATION Bereits seit dem Jahr 2000 ist im Rahmen der amtlichen Statistik nachvollziehbar, dass die Zahl der Auszubildenden im Bereich der ReFas kontinuierlich abnimmt. Haben im Jahr 2000 noch insgesamt 16.551 Personen4 4 Gesamtzahl der Auszubildenden zum/zur ReFa zum 31.12. des jeweiligen Jahres, unabhängig vom Fortgang der Ausbildung. eine Ausbildung zum/zur ReFa absolviert, waren es im Jahr 2021 nur noch 6.297 Personen.5 5 Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB): Auszubildenden-Daten der Berufsbildungsstatistik zum 31.12.2022 (Datensystem Auszubildende), Auszubildende – Zeitreihen (DAZUBI), Bonn 2022. Prozentual bedeutet dies einen Rückgang an Auszubildenden von knapp 62 % innerhalb von 21 Jahren. Aber selbst, wenn man die Daten der letzten fünf verfügbaren Jahre – also die Jahre 2016 und 2021 – vergleicht, zeigt sich ein Minus von 29,2 %. Neben demografischen Faktoren wie schwächeren Geburtenkohorten und einem allgemeinen Akademisierungstrend drängt sich die Frage auf, warum sich gerade im Berufsbild ReFa solch starke Rückgänge im AusAUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2023 281
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