Blick auf die allgemein in § 6 RDG zulässige unentgeltliche Rechtsberatung als reformbedürftig. Zuvor hatte der BGH im Fall der Tax Law Clinic an der Universität Hannover23 23 Zur Historie s. Dux-Wenzel, in Deckenbrock/Henssler, § 6 RDG Rn. 7d; Deckenbrock/Keß, AnwBl. Online 2021, 328, 333. mit Beschluss vom 28.3.202324 24 BGH, DStRE 2023, 758; dagegen ist Verfassungsbeschwerde anhängig vor dem BVerfG unter dem Az. 1 BvR 1042/23. das gegenwärtige Verbot im StBerG noch bestätigt und auch – wie der BFH25 25 BFH, AnwBl. Online 2021, 839. – keine verfassungsrechtlichen Bedenken.26 26 Zu den Bedenken s. Dux-Wenzel, in Deckenbrock/Henssler, § 6 RDG Rn. 7b ff.; Deckenbrock/Keß, AnwBl. Online 2021, 328. c) LEGALDEFINITION DER HILFELEISTUNG IN STEUERSACHEN Im StBerG ist der Gesetzgeber bereits bei der zentralen Definition der Hilfeleistung in Steuersachen dem Vorbild im RDG gefolgt und hat durch das seit 1.8.2022 in Kraft getretene BRAO-Reformgesetz 202127 27 Eingefügt durch Art. 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe v. 7.7.2021, BGBl. I 2363. eine dem § 2 I RDG nachgebildete Definition in § 2 II StBerG zur Klarstellung aufgenommen. Danach ist geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen jede Tätigkeit in fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.28 28 S. dazu näher Koslowski, StBerG, 8. Aufl. 2022, § 2 StBerG Rn. 3 f.; das Merkmal „konkret“ wurde nicht mit aufgenommen, s. dazu Remmertz/Krenzler, in Krenzler/ Remmertz, 3. Aufl. 2023, § 2 Rn. 11 und 65. Damit wird deutlich, dass sich dieses Definitionsmodell nach dem Vorbild des § 2 I RDG in der Praxis bewährt hat. Nunmehr soll mit dem Reformgesetz das Wort „geschäftsmäßig“ in § 2 II StBerG gestrichen und eine weitere Angleichung an das RDG dadurch erfolgen, indem mit § 2 III Nr. 1 StBerG-E in Anlehnung an § 2 III Nr. 1 RDG klargestellt wird, dass die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten keine Hilfeleistung in Steuersachen ist.29 29 RegE, S. 43. Bislang ist eine entsprechende Ausnahme in § 6 Nr. 1 StBerG vorgesehen. Ferner soll die Neuregelung der §§ 4 ff. StBerG-E zum Anlass genommen werden, § 7 StBerG insgesamt neu zu fassen und an § 9 RDG anzulehnen.30 30 RegE, S. 57. d) REZEPTION UND KRITIK DES ENTWURFS Das Gesetz soll zum 1.5.2024 in Kraft treten. Die BRAK hat speziell zur Zulässigkeit der Tax Law Clinics in § 6 StBerG-E Stellung genommen und diese begrüßt.31 31 BRAK-Stn.-Nr. 25/2023 zum RefE v. 12.5.2023. Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) begrüßt bis auf § 6 II StBerG-E die Reform, lehnt die Liberalisierung der unentgeltlichen Steuerrechtsberatung aber – wie erwartet –ab.32 32 Stn. v. 6.6.2023 zum RefE, abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de. Kritikwürdig ist in der Tat, dass sich die Reform in § 6 StBerG-E nicht auf eine Zulässigkeit der sog. Tax Law Clinics beschränkt, sondern in Anlehnung an § 6 RDG allgemein unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen ohne Verpflichtung zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung nicht nur für Privatleute, sondern auch für Unternehmen erlauben will. Zielführender wäre es, für die Förderung studentischer Rechtsberatung33 33 Zum Überblick Kilian/Wenzel, Law Clinics in Deutschland, Baden-Baden 2022; dies.; AnwBl. 2017, 963. einen eigenen Erlaubnistatbestand z.B. im DRiG oder in den JAG der Länder vorzusehen und auf Privatleute zu beschränken, anstatt auf das Vorbild des § 6 RDG aufzubauen, der ursprünglich nicht für die studentische Rechtsberatung, sondern für die altruistische Rechtsberatung sozial Benachteiligter geschaffen wurde.34 34 S. dazu den Reformvorschlag von Remmertz, AnwBl. 2017, 946. 3. VERBOT VON RECHTSDIENSTLEISTUNGEN INFOLGE DES UKRAINE-KRIEGES Bislang ist man von der Systematik des RDG als Verbotsgesetz mit Erlaubnisvorbehalt gewohnt, dass neue Erlaubnistatbestände innerhalb oder außerhalb des RDG geschaffen werden. Dass umgekehrt an sich erlaubte Rechtsdienstleistungen im Nachhinein auch ausdrücklich verboten werden können, hat das achte Sanktionspaket des Rates der Europäischen Union vom 6.10.2022 gegen Russland gezeigt.35 35 S. allg. zu dem Maßnahmenpaket Rath, https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/a nwaeltinnen-anwaelte/anwaltspraxis/russlandsanktionen-rechtsberatung. Insoweit haben die Folgen des Ukraine-Krieges auch Auswirkungen auf die Erbringung von Rechtsdienstleistungen nach dem RDG. Mit Verordnung 2022/1904 und Ratsbeschluss 2022/ 1909 wurde – von Ausnahmen abgesehen – die gegen Russland geltende Sanktionsverordnung 833/2014 angepasst und zusätzlich verboten, direkt oder indirekt Rechtsdienstleistungen an die Regierung Russlands oder in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu erbringen. Die Maßnahmen richten sich nicht nur an Rechtsdienstleister nach dem RDG, sondern auch an die Anwaltschaft.36 36 S. zur Kritik die BRAK-Stn.-Nr. 4/2023 sowie Gamisch, NJW-aktuell 9/2023, S. 17. Betrachtet man die Systematik des RDG als Verbotsgesetz mit Erlaubnisvorbehalt, so dürfte es sich um eine Art Rückausnahme, nämlich um ein ausdrückliches – nachträgliches – gesetzliches Verbot einer an sich erlaubten Rechtsdienstleistung handeln. II. RECHTSPRECHUNG 1. LEGAL TECH-INKASSO – AKTUELLE ENTWICKLUNGEN UND OFFENE FRAGEN Bei der Inkassoerlaubnis nach § 2 II RDG hat der BGH seine liberale Rechtsprechung fortgesetzt. Der zur Bewältigung der Fälle im Diesel-Skandal gegründete Hilfssenat des BGH hat in weiteren Urteilen vom 10.10. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2023 289
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