danten dafür vor, dass er bei korrekter Beratung von der Klageerhebung Abstand genommen hätte. LG Heidelberg, Urt. v. 27.6.2023 – 3 O 99/22 Nach den Feststellungen des LG habe die beklagte Anwaltskanzlei die klagende Mandantin der Höhe nach objektiv fehlerhaft über das (erhebliche) Gesamtkostenrisiko eines Schadensersatzprozesses gegen Architekten (den die Mandantin verlor) beraten. Auf die Frage, ob überhaupt eine Pflicht der Anwälte zur Beratung über das Kostenrisiko bestanden hatte, komme es nicht an. Wenn nämlich eine Beratung erteilt werde, müsse diese korrekt sein.6 6 Z.B. OLG Karlsruhe, NJW 1990, 2132. Die Klägerin habe aber den ihr obliegenden Beweis, dass sie bei korrekter Beratung von der Klage gegen die Architekten abgesehen hätte, nicht geführt. Auf einen Beweis des ersten Anscheins könne sich die Klägerin nicht berufen. Ein solcher komme nur dann zum Tragen, wenn objektiv nur eine einzige vernünftige Entscheidung (hier: Absehen von der Klage) nahegelegen hätte.7 7 St. Rspr., z.B. BGH, NJW 1993, 3259; NJW-RR 2006, 1645; NJW 2009, 1591. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin einen Schadensersatzanspruch gegen die Architekten in Höhe von mindestens 10 Mio. Euro geltend machte. Demgegenüber könne es auch bei einem sehr hohen Prozessrisiko, auf das die Anwälte ausdrücklich hingewiesen hatten, nicht als per se unvernünftig angesehen werden, ein Kostenrisiko von über 500.000 Euro einzugehen. Die Entscheidung müsse der Mandant nach pflichtgemäßer Beratung durch den Anwalt selbst treffen. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, ab welchem Kosten-RisikoVerhältnis ein Kläger bereit sei, Klage zu erheben, existiere nicht. Einen solchen könne auch das Gericht nicht aufstellen, da dies immer von der persönlichen Risikobereitschaft des Mandanten abhänge und wirtschaftliche Erwägungen nicht die einzigen Gründe seien, die in die Entscheidung einfließen. Zudem sei auch eine Berechnung der Obsiegenswahrscheinlichkeit mit mathematischer Genauigkeit im Vorhinein nicht möglich. Die Schadensersatzklage gegen die Kanzlei wurde daher abgewiesen. (hg) FRISTEN KEINE WEITEREN BEMÜHUNGEN NACH ERFOLGTER ERSATZEINREICHUNG § 130d S. 2 ZPO stellt auf die vorübergehende technische Unmöglichkeit im Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung des elektronisch einzureichenden Dokuments ab. Der Prozessbevollmächtigte, der aus technischen Gründen gehindert ist, einen fristwahrenden Schriftsatz elektronisch einzureichen, ist, nachdem er die zulässige Ersatzeinreichung veranlasst hat, nicht mehr gehalten, sich vor Fristablauf weiter um eine elektronische Übermittlung zu bemühen. BGH, Urt. v. 25.5.2023 – V ZR 134/22, NJW 2023, 2484 Der Prozessbevollmächtigte hatte die Revisionsbegründung binnen der verlängerten Revisionsbegründungsfrist dem Revisionsgericht nicht wie gesetzlich gefordert als elektronisches Dokument übermittelt, sondern nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 129 ff. ZPO) in Schriftform. Grund hierfür war eine Störung des beA, die der Prozessbevollmächtigte mit der Ersatzeinreichung glaubhaft gemacht hatte. Es lagen daher die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung gem. § 130d S. 2 und 3 ZPOvor. Bemerkenswert in der Entscheidung ist der klarstellende Hinweis des BGH, dass die fehlende Glaubhaftmachung für die weitere Erklärung des Prozessbevollmächtigten, er habe danach bis zum Büroschluss die Funktionsfähigkeit des beA weiterhin überprüft, unschädlich sei. Das müsse man nämlich gar nicht tun. Mit der zulässigen Ersatzeinreichung ist alles erledigt, es sei denn, das Gericht fordert ein elektronisches Dokument ausdrücklich nach (§ 130d S. 3 Hs. 2 ZPO). (ju) ANGEKÜNDIGTER FRISTVERLÄNGERUNGSANTRAG IST KEIN ANTRAG Prozessuale Erklärungen der Parteien sind grundsätzlich der Auslegung fähig, wobei nicht am reinen Wortlaut festzuhalten ist, sondern auch der wirkliche Wille der jeweiligen Partei zu erforschen ist. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt der Einreichung des Schriftsatzes an. (eigener Ls.) BGH, Urt. v. 27.4.2023 – III ZB 46/22 Das klageabweisende Urteil des LG, gegen das der Kläger hier rechtzeitig Berufung eingelegt hatte, wurde am 8.4.2022 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 10.5. führten die Klägervertreter u.a. aus, dass es zur Erstellung der Berufungsbegründung notwendig sei, in eine staatsanwaltliche Ermittlungsakte Einsicht zu nehmen, was bislang noch nicht möglich gewesen sei. Beantragt wurde die Beiziehung dieser Ermittlungsakte sowie Akteneinsicht. Darüber hinaus schrieben die Prozessbevollmächtigten: „Der Unterzeichner kündigt aus diesem Grund bereits jetzt an, dass die Frist zur Begründung der Berufung verlängert werden muss.“ Am 10.6 ging die Akte beim Gericht ein, mit Schriftsatz vom 12.6. wiesen die Anwälte darauf hin, dass ihnen noch keine Akteneinsicht gewährt worden sei, und sie davon ausgingen, dass die reguläre Möglichkeit der Verlängerung bis zum 3.7.2022 durch den Senat gewährt worden sei. Nunmehr werde die weitere Verlängerung bis 3.8.2022 beantragt. Das OLG wies im Folgenden darauf hin, dass es die Berufung wegen Versäumung der Begründungsfrist für unzulässig halte. Nachdem die Frist abgelaufen sei, könne keine (weitere) Verlängerung erfolgen. Der anschlieBRAK-MITTEILUNGEN 5/2023 AUFSÄTZE 298
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