ßend gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung wurde zurückgewiesen. Der BGH billigt das Verhalten und die Auslegungen, die das Berufungsgericht hier den jeweiligen Erklärungen beimaß. Grundsätzlich müsse ein Rechtsanwalt einen Verlängerungsantrag stellen, wenn er erkenne, dass eine (verlängerbare) Frist nicht mehr einzuhalten sei; damit habe er dafür Sorge zu tragen, dass ein Wiedereinsetzungsantrag gar nicht erst notwendig werde. Die Frage war nun, ob der lediglich angekündigte Fristverlängerungsantrag als Antrag ausgelegt werden kann. Diese Auslegung könne – so der Senat – auch durch den BGH im Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgen. Im Zweifel sei dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig sei und der wohlverstandenen Interessenlage entspreche. Einschränkungen könnten sich dadurch ergeben, dass damit regelmäßig auch erhebliche Folgen für die andere Partei verbunden seien, deren berechtigte Interessen ebenfalls geschützt werden müssten. Dies alles vorausgeschickt legt der Senat den Schriftsatz dann dergestalt aus, dass in den ersten Absätzen klar eine Beantragung auf Beiziehung und Einsicht in die Akten formuliert wurde, während davon abgesetzt im letzten Absatz lediglich ein Fristverlängerungsantrag angekündigt wurde. Darin könne man dann eben nur eine Ankündigung und noch keinen Antrag verstehen, zumal der Schriftsatz von einem Anwalt stamme, der sehr wohl zwischen Antrag und Ankündigung desselben unterscheiden könne. Die anschließende, aber verspätete „klarstellende“ Parteierklärung könne nach Ablauf der Begründungsfrist nicht mehr berücksichtigt werden. (bc) UNZULÄSSIGE DELEGIERUNG DES EEB AN MITARBEITER 1. Bestehen an der Echtheit eines elektronisch abgegebenen Empfangsbekenntnisses sowie der Integrität und Gültigkeit seiner qualifizierten Signatur keine Zweifel, so erbringt es den vollen Beweis für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks und für den Zeitpunkt der Kenntnisnahme. Dieser kann nur erschüttert werden, wenn der Gegenbeweis geführt wird, dass es ausgeschlossen ist, dass die Angaben in dem Empfangsbekenntnis richtigsind. 2. Organisiert ein Rechtsanwalt den Umgang mit elektronischen Empfangsbekenntnissen in seiner Kanzlei so, dass es möglich ist, dass diese ohne sein Wissen von seinem Personal abgegeben werden, dann handelt es sich um einen Fall von grobem Anwaltsverschulden. Der Anwalt kann sich seiner persönlichen Verantwortung, den Zeitpunkt seiner Kenntnisnahme von dem zuzustellenden Schriftstück mit seiner Signatur zu bestätigen, nicht durch Delegierung und Berufung auf Fehler seines Personals entledigen. Hessischer VGH, Beschl. v. 28.4.2023 – 6 A 2124/22, NJW 2023, 2210; NVwZ 2023, 1103 In einem Asylverfahren vor dem VG waren weder der Kläger noch dessen Anwalt zum Verhandlungstermin erschienen. Nach Ablauf der Wartefrist wurde die Klage durch Urteil abgewiesen. In seinem Antrag auf Zulassung der Berufung versicherte der Anwalt an Eides statt, dass er keine Terminsladung erhalten habe. Der Antrag wurde vom VGH abgelehnt. In der Gerichtsakte befinde sich ein elektronisch abgegebenes Empfangsbekenntnis (eEB) des Anwalts, das die Zustellung der Ladung sowie die Kenntnisnahme des Anwalts hiervon beweise. Daher könne er mit der gegenteiligen Behauptung nicht gehört werden; damit werde die Beweiskraft der Urkunde nicht erschüttert. Die eidesstattliche Versicherung sei mit dem Akteninhalt nicht vereinbar und leichtfertig abgegeben. Gegen die Beweiskraft des eEB müsse der Vollbeweis der Unrichtigkeit geführt werden.8 8 Z.B. BGH, NJW-RR 2021, 1584. Die hilfsweise Einlassung des Anwalts, dass ihn an einem etwaigen Fehler seiner Kanzleimitarbeiter kein Verschulden treffe, lasse darauf schließen, dass er die Abgabe von Empfangsbekenntnissen seinem Sekretariat überlasse. Falls dies wirklich der Fall sei, handle es sich um ein grobes anwaltliches Organisationsverschulden, da Kanzleimitarbeiter nicht befugt seien, den Empfang einer Ladung (oder eines Urteils o.ä.) an Stelle des Anwalts zu bestätigen. Dies müsse der Anwalt persönlich bestätigen (§ 56 II VwGO i.V.m. § 175 III ZPO). Dieser Verantwortung könne er sich nicht durch Delegierung entledigen. Entweder habe der Anwalt selbst seine Signaturkarte zur Abgabe des eEB eingesetzt, also Kenntnis von der Ladung erlangt, oder er habe sein Personal mit dem Signieren mit seiner eigenen Signaturkarte beauftragt, was ein eklatanter Pflichtenverstoß wäre, da ein Anwalt weder seine Signaturkarte aus der Hand geben noch seine persönliche PIN an andere Personen weitergeben dürfe. Der VGH musste die Sache nicht abschließend aufklären. Für den Fall, dass der Anwalt tatsächlich unzulässigerweise seine beA-Signaturkarte oder seine PIN an sein Kanzleipersonal weitergegeben haben sollte, würde sich im Verhältnis zu seinem Berufshaftpflichtversicherer deutlich die Frage stellen, ob hier Versicherungsschutz besteht. Aus Sicht des Versicherers wäre es hier durchaus naheliegend, den Einwand einer wissentlichen Pflichtverletzung (§ 51 III Nr. 1 BRAO, § 4 Nr. 5 AVB) zu erheben. (hg) beA-NUTZUNGSPFLICHT AUCH FÜR RECHTSANWÄLTE ALS BERUFSBETREUER 1. Rechtsanwälte, die das Amt des Betreuers berufsmäßig ausüben und in dieser Eigenschaft im eigenen Namen eine Beschwerdeschrift nach § 64 II 1 FamFG einreichen, haben diese gem. § 14b I 1 FamFG als elektronisches Dokument zu übermitteln. 2. (...) BGH, Beschl. v. 31.5.2023 – XII ZB 428/22 JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS - EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2023 299
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