Verschwiegenheitspflicht Die BRAK hat das geplante Wachstumschancengesetz vehement kritisiert.17 17 Presseerkl. Nr. 6/2023 v. 26.7.2023 sowie BRAK-Stn.-Nr. 43/2023; dazu Nachr. aus Berlin 16/2023 v. 9.8.2023. Damit sollen vordergründig Anreize für Investitionen und Innovationen gesetzt sowie Steuern vereinfacht und fairer gestaltet werden. Doch der Gesetzentwurf enthält auf den zweiten Blick einen Pflichtenkatalog für Beraterinnen und Berater sowie für Steuerpflichtige, insb. schafft er Mitteilungspflichten bei nationalen Steuergestaltungen. Kritisch sieht die BRAK nicht nur die äußerst kurze Stellungnahmefrist und den irreführenden Titel des Gesetzentwurfs. Ihr missfällt v.a., dass durch die geplante Erweiterung von Meldepflichten auf innerstaatliche Steuergestaltungen eine nicht verhältnismäßige, nicht hinreichend evaluierte und rechtsstaatsgefährdende Verletzung der Verschwiegenheitspflicht der rechts- und steuerberatenden Berufe droht. Die BRAK wehrt sich weiterhin gegen den Generalverdacht gegenüber Anwältinnen und Anwälten, sich trotz legaler (Steuer-)Beratung an illegalen Aktivitäten ihrer Mandantschaft zu beteiligen; hierzu zählt auch die degradierende Bezeichnung als „professional enabler“. Ende August beschloss das Bundeskabinett den Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes. Er entspricht in großen Teilen dem Referentenentwurf. Trotz der teils harschen Kritik von Seiten der betroffenen Berufsverbände – neben der BRAK u.a. auch der Bundessteuerberaterkammer und der Wirtschaftsprüferkammer – wurde die erweiterte Meldepflicht als eine der „Maßnahmen zur Verbesserung der Steuerfairness“ unverändert in den Regierungsentwurf übernommen.18 18 Nachr. aus Berlin 18/2023 v. 6.9.2023. Die BRAK wird auch das weitere Gesetzgebungsverfahren kritisch begleiten. JUSTIZ Wie bereits die beiden vorangehenden Berichtszeiträume war auch der aktuelle von reger gesetzgeberischer Aktivität im Bereich der Justiz gekennzeichnet. Leitentscheidungsverfahren Mit dem im Juni vorgelegten Entwurf für ein Gesetz zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim BGH will das BMJ Zivilgerichte bei Massenverfahren entlasten. Bei Rechtsfragen, die für eine Vielzahl gleichgelagerter Verfahren relevant sind, soll der BGH ein einzelnes Revisionsverfahren zum Leitentscheidungsverfahren bestimmen können. Diese Rechtsfragen soll der BGH auch dann klären können, wenn die Revision in diesem Verfahren zurückgenommen wird. Die BRAK hatte sich bereits an anderer Stelle19 19 S. zuletzt BRAK-Stn.-Nr. 17/2023 (zur Bewältigung von Massenverfahren). mit Blick auf Massenverfahren dafür ausgesprochen, ein Vorabentscheidungsverfahren beim BGH einzuführen und den Instanzgerichten zu ermöglichen, Verfahren zu derselben Rechtsfrage bis zu einer Entscheidung des BGH auszusetzen. In ihrer Stellungnahme20 20 BRAK-Stn.-Nr. 33/2023; dazu Nachr. aus Berlin 15/2023 v. 26.7.2023. befürwortet sie daher auch das Ziel des jetzigen Referentenentwurfs. Sie gibt jedoch zu bedenken, dass Zahlen dazu fehlen, wie viele Massenverfahren es gibt und in welchem Maß sie die Ziviljustiz trotz des Rückgangs der Eingangszahlen belasten. Neben einer Evaluation fordert sie ein schlüssiges Gesamtkonzept für die Bewältigung von massenhaften Schäden und den daraus resultierenden Klagen. Sie äußert sich ferner auch zu Details der Regelungsvorschläge. Zuständigkeitsstreitwerte Die Justizministerkonferenz fordert eine Erhöhung des Streitwerts, bis zu dem die Amtsgerichte in Zivilsachen zuständig sind, von derzeit 5.000 Euro auf 8.000 Euro.21 21 Vgl. dazu Nachr. aus Berlin 16/2023 v. 9.8.2023. Auf Anfrage des BMJ hat die BRAK zu dem Beschluss der Justizministerkonferenz Stellung genommen.22 22 Schreiben von BRAK-Vizepräsident Then v. 27.7.2023; dazu Nachr. aus Berlin 16/2023 v. 9.8.2023. Einer Anpassung des Zuständigkeitsstreitwerts steht die BRAK im Grundsatz aufgeschlossen gegenüber, schon weil die letzte Anpassung vor 30 Jahren erfolgte. Sie weist jedoch darauf hin, dass die Verschiebung zahlreicher Streitfälle auf die Landgerichte erhebliche Auswirkungen für Justiz, Anwaltschaft sowie rechtsuchende Bürgerinnen und Bürger hätte. Daher mahnt sie, dass eine Anhebung nicht ohne eine präzise Evaluierung möglicher Konsequenzen erfolgen dürfe. Zudem weist sie auf die möglichen Folgen für den Postulationszwang hin. Insoweit seien die finanziellen Risiken der Rechtsuchenden mitzubedenken. Die BRAK fordert daher, die bisherige Wertgrenze von 5.000 Euro für den Postulationszwang beizubehalten. Die BRAK hatte sich bereits Ende 2022 mit einem ausführlichen Positionspapier23 23 BRAK-Stn.-Nr. 47/2022. in die Diskussion eingebracht, in dem sie ebenfalls auf die erheblichen Folgewirkungen einer Anhebung der Zuständigkeitsstreitwerte hinwies. Auch in die weitere Diskussion wird die BRAK sich intensiv einbringen. Eingangszahlen in der Ziviljustiz Mit dem Ende April vorgelegten Abschlussbericht der vom Bundesjustizministerium beauftragen Studie zum Rückgang der Eingangszahlen in der Ziviljustiz24 24 S. BMJ, Pressemitt. v. 24.4.2023; dazu Nachr. aus Berlin 9/2023 v. 3.5.2023. befassten sich die BRAK sowie die Rechtsanwaltskammern sehr intensiv. Diskutiert wird insb. über eine Reihe von Fragen zur alltäglichen Zusammenarbeit von Anwältinnen und Anwälten mit den Zivilgerichten, die möglicherweise ebenfalls Aufschluss darüber geben, weshalb Anwältinnen und Anwälte ihrer Mandantschaft eher nicht zum Prozess raten. Armin Höland, einer der drei Autoren der Studie, stellt die wesentlichen Ergebnisse in diesem Heft der BRAKMitt.25 25 Höland, BRAK-Mitt. 2023, 276 (in diesem Heft). vor. BRAK-MITTEILUNGEN 5/2023 AUS DER ARBEIT DER BRAK 302
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