ZULASSUNG KEINE AUFNAHME GEFLÜCHTETER EHEMALIGER ANWÄLTE IN DIE KAMMER BRAO §§ 206 I, II, 207 I 1 1. Zum Anspruch auf Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer gem. § 207 I 1 i.V.m. § 206 I BRAO im Falle eines ehemaligen ausländischen Rechtsanwalts (hier: Avukat nach türkischem Recht). * 2. Unter Zugehörigkeit zu einem Beruf i.S.v. §§ 206 I, 207 I BRAO ist die Zulassung zu dem Beruf im Herkunftsstaat bzw. die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaates zu verstehen. * 3. Eine Auslegung von § 206 I und § 207 I BRAO dergestalt, dass anerkannte Flüchtlinge als Voraussetzung der Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer nicht einem dem Rechtsanwalt nach der BRAO i.S.v. § 206 II BRAO entsprechenden Beruf angehören müssen, ist nicht möglich. * 4. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften dergestalt, dass auch solche Personen in die Rechtsanwaltskammer aufzunehmen sind, die zwar nicht dem ausländischen Beruf angehören, aber über die Qualifikation für diesen Beruf verfügen und entsprechende Bescheinigungen vorlegen können, kommt ebenfalls nicht in Betracht, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. BGH, Urt. v. 22.5.2023 – AnwZ (Brfg) 23/22 AUS DEM TATBESTAND: [1] Die Parteien streiten um die Aufnahme des Kl. in die Bekl. als Rechtsanwalt nach türkischem Recht (Avukat). [2] Der 1972 geborene Kl. ist türkischer Staatsangehöriger. Er wurde nach Abschluss eines Studiums an der juristischen Fakultät der Universität A. und eines Referendariats 1997 als Rechtsanwalt zugelassen und war bis 2017 Mitglied der Rechtsanwaltskammer A. Der Kl. arbeitete zunächst in seiner eigenen Kanzlei und seit 2001 zusätzlich als selbstständiger Anwalt in staatlichen Einrichtungen, zuletzt als Justitiar in der Behörde des türkischen Ministerpräsidenten. [3] Nach dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 galt der Kl. als politisch Oppositioneller und wurde aus politischen Gründen aus seinem staatlichen Beschäftigungsverhältnis entlassen. Gegen ihn wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Zugehörigkeit zu dem G.-Netzwerk eingeleitet. Der Kl. befürchtete die Verletzung seiner Sicherheit und seines Lebens einschließlich Folter und floh deshalb im September 2016 mit seiner Ehefrau und seinem Sohn nach Deutschland. Die türkischen Behörden löschten daraufhin die wohnrechtliche Meldung der Familie in der Türkei. Die Eintragung des Kl. bei der Rechtsanwaltskammer A. wurde im Oktober 2017 gelöscht, weil Beiträge nicht gezahlt werden konnten und Mitteilungen der Rechtsanwaltskammer unbeantwortet blieben. Einer Wiederaufnahme des Kl. in die Rechtsanwaltskammer A. steht seine fehlende wohnrechtliche Anmeldung in der Türkei entgegen. Weitere Versagungsgründe nach türkischem Recht sind für den Senat nicht ersichtlich. [4] Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkannte dem Kl. mit Bescheid v. 17.5.2017 die Flüchtlingseigenschaft zu, während es mit demselben Bescheid die Asylanerkennung ablehnte. Der Kl. ist im Rechtsdienstleistungsregister i.S.v. §§ 10, 12, 16 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) für den Bereich „Rechtsdienstleistungen in ausländischem Recht – Türkei“ eingetragen. [5] Der Kl. beantragte im Oktober 2020 die Aufnahme in die Bekl. als türkischer Rechtsanwalt. Die Bekl. lehnte mit Bescheid v. 3.2.2022 den Antrag des Kl. unter Verweis auf die fehlende Bescheinigung über die Zugehörigkeit zum Anwaltsberuf nach § 207 I 1 BRAO und die fehlende Berufsausübung nach § 206 I 1 BRAO [in der bis zum 31.7.2022 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.] ab. [6] Der AGH hat die gegen den Bescheid v. 3.2.2022 gerichtete Klage abgewiesen. Er hat ausgeführt, die Bekl. habe die Aufnahme des Kl. zu Recht daran scheitern lassen, dass er keine Bescheinigung der im Herkunftsstaat zuständigen Behörde, der Rechtsanwaltskammer A., über die Zugehörigkeit zum Rechtsanwaltsberuf gem. § 207 I BRAO vorlege. § 207 I BRAO sei nicht verfassungswidrig und auch nicht im Lichte der Grundrechte des Kl. einschränkend dahin auszulegen, dass die Voraussetzung der Vorlage einer Bescheinigung der im Herkunftsstaat zuständigen Behörde über die Zugehörigkeit zum Rechtsanwaltsberuf in seinem Fall nicht gelte. Der Kl. könne sich als türkischer Staatsangehöriger nicht auf das „allen Deutschen“ garantierte Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 I 1 GG berufen, sondern nur auf das „Auffanggrundrecht“ der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG. Der Schutz über Art. 2 I GG biete einen im Verhältnis zu Art. 12 I 1 GG eher abgeschwächten Schutz. [7] § 207 I BRAO sei nicht verfassungswidrig und auch nicht verfassungskonform einschränkend auszulegen. Zwar werde durch die Vorgabe, für eine Zulassung nach §§ 206, 207 BRAO eine Bescheinigung der im Herkunftsstaat zuständigen Behörde über die Zugehörigkeit zu dem Beruf vorzulegen, in Art. 2 I GG eingegriffen. Denn nur der im Herkunftsstaat nach den dortigen Rechtsvorschriften zugelassene Anwalt könne in die Rechtsanwaltskammer aufgenommen werden und sich im Kammerbezirk als Anwalt niederlassen. Dieser Eingriff sei jedoch geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um sicherzustellen, dass in diesem Rahmen nur solche ausländischen Rechtsanwälte zugelassen würden, die tatsächlich befugt seien, in ihrem Herkunftsstaat den Beruf auszuüben. Dabei sei zu beachten, dass der nach § 206 BRAO niedergelassene ausländische AnBERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2023 313
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