BRAK MITTEILUNGEN DEZEMBER 2023 · AUSGABE 6/2023 54. JAHRGANG AKZENTE BEWEGTE ZEITEN Dr. Ulrich Wessels Noch einer von diesen Jahresend-Rückblicken?! Keine Sorge, liebe Kolleginnen und Kollegen, das erspare ich Ihnen, obwohl das Jahr wahrlich Anlass zu sorgenvollem Rückblick gäbe angesichts der rasanten Entwicklungen auf weltpolitischer, europäischer und nationaler Ebene. Doch nach vorne schauen liegt mir eindeutig mehr... Vor uns liegt eine neue Amtsperiode des Präsidiums der BRAK. Es ist mir eine Ehre, auch in den nächsten vier Jahren für die Interessen der Anwaltschaft eintreten zu dürfen, gerade in diesen turbulenten Zeiten. Mit mir hat die Hauptversammlung ein kraftvolles Team gewählt, das wir Ihnen im aktuellen BRAK-Magazin und in unserem Podcast vorstellen. Wir freuen uns auf diese gemeinsame Aufgabe! Mit mehr als nur einem weinenden Auge lassen wir zwei verdiente Präsidiums-Mitstreiter ziehen: Ulrike Paul und Michael Then, denen ich für ihr beharrliches und beherztes Engagement in so vielen für die Anwaltschaft heiklen Fragen auch auf diesem Wege von Herzen danken möchte. Vor uns „Neuen“ liegen viel rechtspolitisch Spannendes, allem voran die Anpassung der gesetzlichen Anwaltsvergütung. Richtig, das war schon mehrfach hier Thema; übrigens auch, als ich vor vier Jahren zu meinem Amtsantritt an dieser Stelle schrieb – damals mit einem zumindest in Teilen erfolgreichen Ende in Gestalt des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2021. Dass damit keine vollständige Anpassung an die damalige Wirtschaftslage erfolgte und dass auch Energiekrise und Inflation zu berücksichtigen sind, wissen Sie. Die BRAK ist deshalb im Gespräch mit dem Bundesjustizministerium und den Ländern. Unsere Forderung ist glasklar: noch in dieser Legislaturperiode eine substanzielle Gebührenanpassung! Auch ein anderes Thema bewegte uns bereits damals: das Fremdbesitzverbot. Die große BRAO-Reform von 2022 ließ es im Kern unberührt. Nun steht es auf dem Prüfstand des EuGH. Das kommende Jahr bringt möglicherweise schon eine Entscheidung, ob die entsprechenden Regelungen der BRAO mit Unionsrecht vereinbar sind. Unabhängig davon prüft das Bundesjustizministerium derzeit – eine Hausaufgabe aus dem Koalitionsvertrag –, ob eine Lockerung des Fremdbesitzverbots angezeigt ist. Die dazu vom Ministerium mit Unterstützung der BRAK durchgeführte Umfrage zeigt ganz klar: Die allermeisten Anwältinnen und Anwälte sehen keinen Bedarf für reine Kapitalinvestitionen in die eigene Kanzlei. Die zahlreichen Freitext-Antworten machen deutlich, dass viele Kolleginnen und Kollegen die Unabhängigkeit ihrer Mandatsbearbeitung durch Investoren gefährdet sehen und mit Sorge auf das Gesundheitswesen blicken, wo dies bereits Realität ist. Die BRAK wird sich auch weiter dafür einsetzen, die Unabhängigkeit der anwaltlichen Berufsausübung zu schützen. Zündstoff birgt auch weiterhin das Thema Dokumentation strafgerichtlicher Hauptverhandlungen, nachdem die Länder ankündigten, das geplante Gesetz in der Sitzung des Bundesrats am 15. Dezember blockieren zu wollen. Strafverhandlungen nicht einmal in der nun noch in Rede stehenden Kompromissvariante einer reinen Audioaufzeichnung zu dokumentieren, kann keine rechtsstaatlich akzeptable Lösung sein angesichts der technischen Möglichkeiten! Die BRAK hat deshalb eindringlich an die Länder appelliert, das Gesetz zu unterstützen. Und wir werden uns auch weiter für dieses langjährige Petitum der Anwaltschaft einsetzen. Auf der Agenda für 2024 stehen noch viele weitere wichtige Vorhaben. Besonders viel Bewegung gibt es im Zivilprozessrecht: Leitentscheidungsverfahren, Erprobung des Onlineverfahrens für geringfügige Streitigkeiten, Pilotprojekt Bayerns und Niedersachsens zur Erprobung des elektronischen Basisdokuments, Einführung von Commercial Courts – um nur die für die anwaltliche Praxis bedeutsamsten zu nennen. Das neue BRAKPräsidium wird sich mit voller Kraft dafür einsetzen, dass hier die Interessen der Anwaltschaft angemessen einbezogen werden. Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wünsche ich frohe Weihnachten (so Sie es denn feiern) und ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr! Ihr Dr. Ulrich Wessels AKZENTE BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 355
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