BRAK-Mitteilungen 6/2023

7. ANHEBUNG DER VERFAHRENSWERTE IN KINDSCHAFTS- SOWIE GEWALTSCHUTZ- UND ABSTAMMUNGSSACHEN Die Forderung nach der Anhebung der Verfahrenswerte in isolierten Kindschaftssachen nach § 45 FamGKG auf 5.000 Euro wird von BRAK und DAV erneut bekräftigt.16 16 S. bereits Forderungskatalog 2018, a.a.O. Durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 202117 17 A.a.O. erfolgte zwar eine Anhebung des Regelverfahrenswerts in Kindschaftssachen von 3.000 Euro auf 4.000 Euro. Allerdings ist eine Angleichung an den sonst in den Kostengesetzen üblichen Regelwert von 5.000 Euro und auch eine Berücksichtigung für jedes Kind – wie ebenfalls von BRAK und DAV gefordert und in der Vergütungsregelung für Verfahrensbeistände auch bereits praktiziert – dringend notwendig, um in einem für die betroffenen Kinder so existenziellen Bereich wie der Regelung der elterlichen Sorge und des Umgangsrechts die kostendeckende Bearbeitung durch die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die die wohlverstandenen Interessen der Kinder wahrnehmen, zu gewährleisten. Aufgrund von fiskalischen Überlegungen von einer gesetzlichen Änderung abzusehen, würde der Wertigkeit der Kinder in unserer Gesellschaft nicht gerecht werden. Ungeachtet dessen ist es von erheblicher Bedeutung in der Praxis, dass die Gerichte bei der Festsetzung des Gegenstandswertes künftig auch den Spielraum, den ihnen heute bereits § 45 III FamGKG einräumt, nutzen und besondere Umstände berücksichtigen. Nur so kann den individuellen Bedürfnissen jedes einzelnen Kindes Rechnung getragen werden.18 18 S. bereits Beck-Bever/Witte, Spatz oder Taube? Das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021, BRAK-Mitt. 2020, 244 [249]. Darüber hinaus sind die Verfahrenswerte in Gewaltschutzsachen nach dem Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (GewSchG) mit nur 2.000 Euro bzw. 3.000 Euro bei Wohnungsüberlassung nach § 49 FamGKG sowie in Abstammungssachen mit 2.000 Euro nach § 47 FamGKG deutlich zu gering. Diese Werte wurden seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr angehoben und sollten ebenfalls auf 5.000 Euro angepasst werden. 8. AUSLAGENTATBESTÄNDE a) ÄNDERUNG DER DOKUMENTENPAUSCHALE NACH Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG BRAK und DAV fordern abermals,19 19 S. bereits Forderungskatalog 2018, a.a.O. dass Nr. 1 der Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG auch das Einscannen von in Papierform vorliegenden Akten zur weiteren Bearbeitung als elektronische Akte von der Pauschale erfasst werden. Derzeit umfasst die Regelung nur Kopien, keine Scans. Mit der Ersetzung des Wortes „Ablichtung“ durch das Wort „Kopie“ durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz20 20 A.a.O. verfolgte der Gesetzgeber unstreitig nicht das Ziel, die bestehende Rechtslage zu ändern. Deshalb ist kein Grund ersichtlich, dieses „Redaktionsversehen“ nicht zu korrigieren: Zum einen ist eine Ungleichbehandlung von Kopien und Scans sachlich nicht gerechtfertigt, da der Personalaufwand identisch ist und höhere Kosten für leistungsfähige Geräte zur Erstellung von Scans anfallen. Zum anderen werden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Vergleich zu Steuerberaterinnen und -beratern ungleich behandelt, die nach § 17 I Nr. 1 StBVV die Dokumentenpauschale nach wie vor für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten, also auch Scans, und nicht nur für Kopien erhalten. Die Regelung ist außerdem im Hinblick auf die seit dem 1.1.2022 geltende aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nicht zeitgemäß. Insofern muss sie auch die Kosten und den Aufwand für das Einscannen von für die Vertretung notwendigen Aktenbestandteilen berücksichtigen, wenn Gerichte und Behörden die Verfahrensakten zwecks Akteneinsicht noch in Papierform übersenden. b) ERHÖHUNG DER FAHRTKOSTENPAUSCHALE NACH Nr. 7003 VV RVG Durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 202121 21 A.a.O. wurde die Kilometerpauschale auf 0,42 Euro erhöht. Allerdings sind seitdem aufgrund der erst späteren, nicht absehbaren politischen Entwicklungen die Kraftstoffpreise enorm gestiegen, sodass die Kilometerpauschale nicht mehr kostendeckend ist. Denn der durchschnittliche Kraftstoffpreis (Super E10) betrug im August 2023 0,60 Euro/Liter mehr als während des Gesetzgebungsverfahrens im Jahr 2020. Darüber hinaus sind die gestiegenen tatsächlichen Autokosten seit der letzten Erhöhung zum 1.1.2021 zu berücksichtigen. Die Anhebung der Kilometerpauschale ist daher dringend notwendig, um die seit der letzten Anhebung erheblich gestiegenen Kosten für die Nutzung eines PKW zu kompensieren und um den Zugang zum Recht gerade in der Fläche zu gewährleisten, da durch zahlreiche Gerichtsschließungen die Fahrtwege immer länger werden. Deshalb sollte sie auf mindestens 0,50 Euro angehoben werden. 9. ANGELEGENHEITSBEGRIFF, § 17 RVG Jedes einzelne behördliche, vorgerichtliche oder gerichtliche Verfahren ist eine gesonderte gebührenrechtliche Angelegenheit – dies soll nach Auffassung von BRAK und DAV in § 17 I Nr. 1 RVG klargestellt werden. Denn in der Rechtsprechung wird teilweise vertreten, dass auch verschiedene gerichtliche bzw. behördliche Verfahren nur eine einheitliche gebührenrechtliche Angelegenheit sein können, wenn sie inhaltlich zusammenhängen. Diese Ansicht widerspricht jedoch dem GrundWITTE, ERHÖHUNG DER RECHTSANWALTSVERGÜTUNG IN DER 20. LEGISLATURPERIODE AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 373

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