Die Satzungsversammlung hat sich auf Antrag des Ausschusses 1 veranlasst gesehen, die bisherigen Bestimmungen um die Sätze 3 und 4 zu ergänzen. Danach hat die Rechtsanwaltskammer der Antragstellerin oder dem Antragsteller, wenn die Fortbildung nicht vollständig nachgewiesen werden kann, Gelegenheit zu geben, innerhalb einer angemessenen Frist fehlende Fortbildungsstunden nachzuholen, sofern deren Anzahl zehn nicht überschreitet. In besonderen Härtefällen kann die Rechtsanwaltskammer darüber hinaus auf Antrag die Nachholung weiterer Fortbildungsstunden zulassen. Die Satzungsversammlung hat damit eine bisher unangemessene Härte beseitigt, die vorliegen konnte, wenn bei einer unter Umständen für zahlreiche Jahre nachgewiesenen Fortbildung einzelne Fortbildungsstunden nicht anerkannt wurden, was zur Entwertung des gesamten Fachanwaltslehrgangs und der gesamten nach dem Fachanwaltslehrgang absolvierten Fortbildung zwingend führte. Dabei durften die Kammern bislang auch nicht danach differenzieren, ob Fortbildungsstunden nur im geringeren oder im größeren Umfange fehlten oder jedenfalls nicht nachgewiesen werden konnten. Die von einigen Rechtsanwaltskammern bislang zugelassene Nachholung der Fortbildung stand auf unsicherer Rechtsgrundlage, da es sich bei der Entscheidung über die Verleihung der Befugnis, eine Fachanwaltsbezeichnung führen zu dürfen, um eine gebundene und keine Ermessensentscheidung handelte.4 4 Vgl. BGH, Beschl. v. 13.7.2015 – AnwZ (Brfg) 5/15. Die nunmehrige Neufassung der Bestimmung stellt eine einheitliche Handhabung dieser Fälle sicher. So muss die Rechtsanwaltskammer eine angemessene Nachfrist setzen und die Möglichkeit einräumen, bis zu zehn Fortbildungsstunden nachholen zu können. Darüber hinaus wird der Rechtsanwaltskammer für die Handhabung besonderer Härtefälle ein Ermessen eingeräumt, auf Antrag die Nachholung von mehr als zehn Fortbildungsstunden zuzulassen. Eine derartige Entscheidung kann beispielsweise geboten sein, wenn eine langwierige Erkrankung vorgelegen hat. f) ÄNDERUNG VON § 15 V FAO Ebenfalls auf Anregung des Ausschusses 1 hat die Satzungsversammlung auch die Bestimmung des § 15 V FAO um einen nunmehrigen Satz 3 ergänzt. Danach hat die Rechtsanwaltskammer der Fachanwältin oder dem Fachanwalt für den Fall, dass die Fortbildung nicht oder nicht vollständig nachgewiesen werden kann Gelegenheit zu geben, innerhalb einer angemessenen Frist fehlende Fortbildungsstunden nachzuholen. Im Gegensatz zu § 4 FAO war hier der Rechtsanwaltskammer ohnehin gem. § 43c IV 2 BRAO im Rahmen der Entscheidung über den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung eine Ermessensentscheidung eröffnet. Allerdings hat der BGH bereits vor Jahren5 5 BGH, Beschl. v. 5.5.2014 – AnwZ (Brfg) 76/13, BRAK-Mitt. 2014, 212. klargestellt, dass der Verstoß gegen die Fortbildungsverpflichtung bei Ablauf des Kalenderjahres feststehe und nicht mehr mit einer Nachholung versäumter Stunden im Folgenden ausgeglichen werden könne. Die bisherige Handhabung durch die Rechtsanwaltskammern war nicht einheitlich. Übten einige Rechtsanwaltskammern ihr Ermessen großzügig aus, legten andere Rechtsanwaltskammern einen engen oder sehr engen Maßstab an. Entschied sich die Rechtsanwaltskammer in derartigen Fällen zu einem Widerruf der Befugnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung, so bestätigten dies anschließend die angerufenen Anwaltsgerichtshöfe unter Bezugnahme auf den Normtext, der eine Nachholung versäumter Fortbildungsstunden nicht vorsah.6 6 Vgl. nur AGH NRW, Urt. v. 13.11.2020 – 1 AGH 14/20; AGH Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 9.6.2020 – 1 AGH 3/19, BRAK-Mitt. 2020, 354. Bemerkenswert war zuletzt insoweit eine Entscheidung des AGH Rheinland-Pfalz v. 7.4.2022.7 7 AGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 7.4.2022 -1 AGH 8/21, BRAK-Mitt. 2022, 161; vgl. dazu auch Engel, BRAK-Mitt. 2022, 309. Nach Auffassung des AGH war hier nach der bisherigen Fassung der Norm von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen. Die Neufassung der Bestimmung des § 15 FAO verpflichtet die Kammern nunmehr zur Einräumung der Gelegenheit zur Nachholung fehlender Fortbildungsstunden innerhalb einer angemessenen Frist. Diese Normkorrektur sichert die Verhältnismäßigkeit der Bestimmung des § 15 FAO unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in die Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG und wird zu einer einheitlichen Handhabung der Problematik der Nachholung fehlender Fortbildungsstunden durch die Rechtsanwaltskammern führen. Anders als in § 4 II FAO war hier eine Deckelung auf eine bestimmte Stundenzahl nicht erforderlich und auch nicht sinnvoll, da der Umfang insgesamt fehlender Fortbildung davon abhängen kann, zu welchem Zeitpunkt die Rechtsanwaltskammer die Erfüllung der Fortbildungspflicht für zurückliegende Kalenderjahre prüft. 2. TÄTIGKEIT DES AUSSCHUSSES 1 – FACHANWALTSCHAFTEN DER SATZUNGSVERSAMMLUNG Der Fachanwaltsausschuss der Satzungsversammlung kam im Berichtszeitraum nur zu einer Sitzung am 3.4. 2023 zusammen. Dies war vornehmlich dem seinerzeit bevorstehenden Ende der Sitzungsperiode der 7. Satzungsversammlung zum 30.6.2023 geschuldet. a) REGELUNG FÜR SPEZIALISIERUNG? Neben der Vorbereitung der später von der Satzungsversammlung gefassten Beschlüsse über die Änderung und Ergänzung der Vorschriften der §§ 4 und 15 FAO befasste sich der Ausschuss erneut mit der Frage der Notwendigkeit der Regelung einer Spezialisierung neben, oberhalb oder unterhalb der Fachanwaltschaften. Dabei gelangte der Ausschuss zu dem vorläufigen Ergebnis, dass das Thema der Spezialisierung im Rahmen der 8. Satzungsversammlung erneut aufgegriffen werden sollte. BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 AUFSÄTZE 376
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