b) FERNLEHRGÄNGE ZUM ERLANGEN DER FACHANWALTSBEZEICHNUNG Erneut aufgegriffen wurde auch die Problematik der sog. Fernlehrgänge zur Erlangung der Fachanwaltsbezeichnung. Während § 15 FAO bereits eindeutige Regelungen für Fortbildungsveranstaltungen trifft, die nicht in Präsenzform durchgeführt werden, fehlt eine adäquate Bestimmung für den Fachanwaltslehrgang. Dies ist durchaus problematisch, da § 15 II FAO damit faktisch höhere Anforderungen an eine Fortbildungsveranstaltung stellt als dies für den grundlegenden Lehrgang zum Erwerb der besonderen theoretischen Kenntnisse der Fachanwaltschaft erforderlich wäre. So muss bei Fortbildungsveranstaltungen nach § 15 II FAO die Möglichkeit der Interaktion des Referenten mit den Teilnehmenden sowie der Teilnehmenden untereinander während der Dauer der Fortbildungsveranstaltung sichergestellt und danach der Nachweis zur durchgängigen Teilnahme erbracht werden. Derartige Anforderungen stellt § 4 FAO nicht auf. Dies kann als Wertungswiderspruch begriffen werden. Die Frage einer daher etwaig notwendigen Änderung von § 4 FAO war allerdings bereits in der Vergangenheit kontrovers diskutiert worden. Es ist davon auszugehen, dass sich der Fachanwaltsausschuss auch in der kommenden Legislaturperiode erneut dieser Frage annehmen dürfte. II. FACHANWALTSSTATISTIK Die Zahl er in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist erneut leicht gesunken.8 8 S. BRAK-Mitgliederstatistik der Rechtsanwaltskammern zum 1.1.2023 und dazu Witte, BRAK-Mitt. 2023, 150. Waren am 1.1.2022 165.587 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zugelassen, so waren dies am 1.1.2023 noch 165.186. Die Zahl der Fachanwältinnen und Fachanwälte ist im Berichtszeitraum geringfügig gestiegen von 45.960 auf 45.968.9 9 S. BRAK-Statistik Verteilung der Fachanwälte zum 1.1.2023. Allerdings hat die Zahl der erworbenen Fachanwaltstitel weiter zugenommen und beträgt nunmehr 58.339. Davon erwarben 34.854 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte einen Fachanwaltstitel, 9.864 zwei und 1.250 die Höchstzahl von drei Fachanwaltstiteln. Noch immer ist die Fachanwaltschaft für Arbeitsrecht mit 11.101 Titelträgern die mit Abstand größte Fachanwaltschaft, gefolgt von der Fachanwaltschaft für Familienrecht (8.940), die allerdings einen relativ deutlichen Rückgang von 9.137 im Vorjahr verzeichnen musste.10 10 S. hierzu und zu den folgenden Zahlen BRAK-Fachanwaltsstatistik zum 1.1.2023 sowie Witte, BRAK-Mitt. 2023, 150. Mit erneut deutlichem Abstand folgen die Fachanwaltschaften für Steuerrecht (4.736), Verkehrsrecht (4.406) und Miet- und Wohnungseigentumsrecht (3.880). Die kleinste Fachanwaltschaft ist weiterhin die Fachanwaltschaft für Sportrecht mit 45 Titelträgern gefolgt nunmehr von der Fachanwaltschaft für Agrarrecht (196) und den nahezu gleich großen Fachanwaltschaften für Transport- und Speditionsrecht (231), Migrationsrecht (238) und Internationales Wirtschaftsrecht (240). Den stärksten relativen Zuwachs verbuchte wiederum die Fachanwaltschaft für Sportrecht mit 21,62 %, gefolgt von den Fachanwaltschaften für Migrationsrecht (9,17 %) und Vergaberecht (8,51 %). Rückgänge verbuchten die Fachanwaltschaften für Sozialrecht (-3,22 %), gefolgt von den Fachanwaltschaften für Familienrecht (-2,16 %), Bank- und Kapitalmarktrecht (-1,94 %), Steuerrecht (-1,58 %) und Verwaltungsrecht (-0,63 %). Insgesamt sind folglich keine großen Veränderungen bei allerdings noch immer wachsender Attraktivität der Fachanwaltschaft zu verzeichnen. III. RECHTSPRECHUNG IN FACHANWALTSSACHEN Die Rechtsprechung des Anwaltssenats beim BGH war erneut von Entscheidungen geprägt, die den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder die Zulassung von Syndikusanwältinnen und -anwälten betrafen. Bei insgesamt zurückgegangener Zahl von Entscheidungen traf der Anwaltssenat im Berichtszeitraum nur zwei Entscheidungen, die überhaupt Fachanwaltssachen betrafen. Eine vertiefte inhaltliche Behandlung erfordern diese Entscheidungen nicht. Sie sollen dennoch kurz berichtet werden. So hat der Anwaltssenat in einer Entscheidung v. 17.1. 202311 11 BGH, Beschl. v. 17.1.2023 – AnwZ (Brfg) 27/22. ein Verfahren des Antrags auf Zulassung der Berufung eingestellt. Gegenstand des Verfahrens war eine Widerrufsentscheidung einer Rechtsanwaltskammer im Hinblick auf die Führung der Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwalt für Steuerrecht“. Die dagegen gerichtete Klage des Klägers hatte der AGH abgewiesen. Dagegen hatte der Kläger die Zulassung zur Berufung beantragt, diesen Antrag jedoch nicht begründet. Sodann hatte der Kläger auf die Berechtigung zur Führung des Titels „Fachanwalt für Steuerrecht“ verzichtet, woraufhin die Parteien das beim BGH anhängige Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Der BGH hat daraufhin das Verfahren eingestellt und über die Kosten des Verfahrens entschieden. Diese waren dem Kläger aufzuerlegen, denn sein Rechtsmittel wäre als unzulässig zu verwerfen gewesen. Ein nahezu identischer Sachverhalt lag der Entscheidung des Anwaltssenats v. 8.2.202312 12 BGH, Beschl. v. 8.2.2023 – AnwZ (Brfg) 28/22. zugrunde. Auch der dortige Kläger hatte seinen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen eine Entscheidung des AGH nicht begründet und später auf seine Berechtigung zur Führung des Titels „Fachanwalt für Steuerrecht“ verzichtet. ENGEL, DIE ENTWICKLUNG DES FACHANWALTSRECHTS IM JAHR 2023 AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 377
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