BRAK-Mitteilungen 6/2023

Rechtsanwaltskammer seinen Antrag zurückwies. Dabei bewertete die Rechtsanwaltskammer zahlreiche der vom Kläger eingereichten Fälle aufgrund der Überschneidung ihrer Sachverhalte und Rechtsfragen mit einem Faktor von 0,2. Im Verfahren vor dem AGH legte der Kläger drei Ergänzungslisten zur Ursprungsliste vor und vertrat die Auffassung, dass die Rechtsanwaltskammer im Falle der Mindergewichtung im Detail darlegen müsse, warum sie eine Mindergewichtung eines Falles vorgenommen habe. Die Klage hatte Erfolg. b) ENTSCHEIDUNG DES AGH Der AGH setzte sich im Detail mit den vom Kläger vorgelegten Fällen auseinander und behandelte insb. ausführlich die Frage der Fallgewichtung. In Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH gelangte der AGH so zu dem Schluss, dass eine – auch erhebliche – Mindergewichtung gerechtfertigt und geboten sei, wenn Wiederholungsfälle eng miteinander verknüpft seien, etwa weil ihnen im Wesentlichen derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liege oder weil sie Teil eines Verfahrensverbundes seien.17 17 Vgl. dazu auch BGHZ 197, 118 = NJW 2013, 1599. Der AGH stellte im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung sodann heraus, dass der Bewerber durch einen hinreichend aussagekräftigen Fallbeschrieb belegen müsse, dass den bearbeiteten Fällen insgesamt betrachtet, mindestens das gleiche Gesamtgewicht zukäme wie der vorgegebenen Anzahl durchschnittlicher Mandate. Liefere der Bewerber keine entsprechenden Anhaltspunkte, so sei der Fachanwaltsausschuss auch nicht gehalten, dem betreffenden Fall ein durchschnittliches Gewicht beizumessen. Auch verwies der AGH darauf, dass für die Gewichtung nach § 5 IV FAO in quantitativer Hinsicht keine rechtliche Unter- oder Obergrenze bestehe.18 18 Vgl. BGHZ 197, 118 = NJW 2013, 1599. Er knüpft ausdrücklich daran an, dass der BGH in seiner insoweit maßgeblichen Entscheidung einen Faktor von „höchstens 0,2“ für angemessen erachtet habe. Die Klage des Klägers hatte dennoch Erfolg, da der Fachausschuss aus Sicht des AGH die Verfahrensvorschriften des § 24 FAO verletzt hatte. So dürfe bei Nichtdurchführung eines Fachgesprächs nur dann nach Aktenlage entschieden werden, wenn das in § 24 IV 3 FAO beschriebene Verfahren eingehalten werde. Dies setze voraus, dass der Antragsteller innerhalb einer angemessenen Ausschlussfrist keine Fälle nachgemeldet oder Auflagen nicht erfüllt habe. Obgleich der Kläger dem Fachausschuss mitgeteilt hatte, dass er bei der Nachmeldung von Fällen derzeit keine Möglichkeit sehe, wäre der Fachausschuss gehalten gewesen, eine ausdrückliche Aufforderung nach § 24 IV 1 FAO auszusprechen und diese mit einer konkreten Ausschlussfrist zu verknüpfen. Der Senat hätte nach Feststellung des nicht behebbaren Verfahrensfehlers die Entscheidung der Kammer nunmehr aufheben und die Kammer nach Nachholung des Fachgesprächs gem. § 7 FAO zur Neubescheinigung des Antrages des Klägers verpflichten können. Darüber ging der AGH jedoch hinaus und verpflichtete die Rechtsanwaltskammer zur Erteilung der Befugnis zur Führung des Fachanwaltstitels, da auf die Durchführung eines Fachgesprächs in Anbetracht der Vielzahl der nachgemeldeten weiteren Verfahren verzichtet werden könne. Die Entscheidung des Bayerischen AGH gewinnt daher Bedeutung sowohl für den großen Spielraum der Fachausschüsse im Rahmen der Gewichtungsregelung des § 5 FAO als auch im Hinblick auf die Notwendigkeit zur strengen Einhaltung der Verfahrensvorschriften des §24FAO. PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT RECHTSANWÄLTIN ANTJE JUNGK, RECHTSANWÄLTE BERTIN CHAB UND HOLGER GRAMS* * Die Autorin Jungk ist Leitende Justiziarin, der Autor Chab Leitender Justiziar bei der Allianz Versicherungs-AG, München; der Autor Grams ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in München. In jedem Heft der BRAK-Mitteilungen kommentieren die Autorin und die Autoren an dieser Stelle aktuelle Entscheidungen zum anwaltlichen Haftungsrecht. HAFTUNG HINWEISPFLICHTEN BEI MANDATSENDE Bei einer vorzeitigen Mandatsbeendigung ist der Anwalt regelmäßig verpflichtet, den Mandanten auf Umstände hinzuweisen, aus denen dem Mandanten ein Schaden erwachsen kann und derer der Mandant sich nicht bewusst ist. (eigener Ls.) OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.4.2023 – 18 U 35/22, r+s 2023, 820 AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 379

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