Während von Seiten des Bundesjustizministers bereits Unterstützung für eine Anpassung des RVG noch in dieser Legislaturperiode signalisiert wurde, gilt es, die Länder noch zu überzeugen.9 9 S. dazu Wessels, BRAK-Mitt. 5/2023, 275. Mittelbaren Einfluss auf die Anwaltsvergütung hat auch die von den Präsidentinnen und Präsidenten der obersten Verwaltungsgerichte in Bund und Ländern geplante Überarbeitung ihres Streitwertkatalogs. Dieser soll eine einheitliche Praxis der Streitwertfestsetzung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit erleichtern und wurde zuletzt im Jahr 2013 überarbeitet. Die BRAK10 10 BRAK-Stn.-Nr. 58/2023; dazu Nachr. aus Berlin 21/2023 v. 18.10.2023. begrüßt die geplante Überarbeitung und hält eine Anpassung schon aufgrund der erheblichen Preissteigerungen in den letzten Jahren schon inflationsbedingt für dringend geboten. Daneben regt sie auch strukturelle Änderungen sowie eine Einarbeitung geänderter Rechtsprechungan. FREMDBESITZVERBOT In seiner vieldiskutierten Vorlageentscheidung legte der BayAGH11 11 BayAGH, Beschl. v. 20.4.2023 – BayAGH III-4-20/21, BRAK-Mitt. 2023, 185. im April dieses Jahres die Regelungen in §§ 59e, 59a BRAO a.F. zum sog. Fremdbesitzverbot dem EuGH zur Prüfung auf Vereinbarkeit u.a. mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit vor.12 12 Dazu Wessels, BRAK-Mitt. 2023, 203 sowie zu den Hintergründen Dahns/Flegler/ Nitschke, BRAK-Mitt. 2023, 204. Unabhängig von dem Vorabentscheidungsverfahren prüft das Bundesjustizministerium derzeit für das geltende Recht, ob eine Lockerung des Fremdbesitzverbotes angezeigt ist; das hatten sich die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag zur Aufgabe gemacht. Zunächst soll dazu in einer Umfrage eruiert werden, inwieweit die Anwaltschaft überhaupt Bedarf an einer Finanzierung durch Investoren sieht. Die BRAK unterstützte diese Umfrage, die von Mitte Oktober bis Ende November durchgeführt wurde, technisch.13 13 S. Nachr. aus Berlin, Sonderausgabe v. 19.10.2023. Das Fremdbesitzverbot war auch eines der Themen, die bei der gemeinsam von der BRAK und dem Institut für Prozess- und Anwaltsrecht der Leibniz Universität Hannover veranstalteten Konferenz „Anwaltschaft im Blick der Wissenschaft“ am 10.11.2023 in Hannover.14 14 S. www.anwaltskonferenz.de; ein ausführlicher Bericht zur Veranstaltung wird in BRAK-Magazin 1/2024 erscheinen. Unter anderem berichtete dort Stephen P. Younger über die aktuelle Diskussion und die überwiegend ablehnende Haltung zum Thema in den USA. ZIVILPROZESS Die Digitalisierung im Zivilprozess beschäftigte die BRAK auch im Berichtszeitraum weiterhin intensiv. Videokonferenztechnik Mit dem Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten sollen an diesen Gerichten künftig verstärkt Videoverhandlungen etabliert werden. Den Regierungsentwurf dieses Gesetzes hat das Bundeskabinett Anfang Juni beschlossen. In ihrer Stellungnahme15 15 BRAK-Stn.-Nr. 60/2023; dazu Nachr. aus Berlin 21/2023 v. 18.10.2023. dazu begrüßt die BRAK weiterhin uneingeschränkt die grundsätzliche Förderung von Videoverhandlungen. Denn Gerichtsverfahren müssten zukunftssicher gestaltet und das Digitalisierungsdefizit abgebaut werden. Die vermehrte Nutzung von Videokonferenztechnik lässt aus ihrer Sicht eine deutliche Beschleunigung der Verfahren erwarten, da nicht nur lange Anreisewege entfallen, sondern auch die Anzahl von Verlegungsanträgen sinken dürfte. An den konkreten Regelungsvorschlägen übt die BRAK jedoch weiterhin Kritik. Bereits in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf hatte sie sich für ein Konzept von Videoverhandlungen ausgesprochen, in dessen Zentrum die Dispositionsmaxime steht. Zwangsvollstreckung Bei Zwangsvollstreckungen muss häufig nach einem elektronischen Antrag der Vollstreckungstitel per Post nachgereicht werden. Das will das Bundesjustizministerium ändern. Den entsprechenden Entwurf für ein Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung begrüßt die BRAK im Ansatz, hält ihn aber für inkonsequent, weil er an einigen Stellen Medienbrüche beibehält, die eigentlich beseitigt werden sollten.16 16 BRAK-Stn.-Nr. 57/2023; dazu Nachr. aus Berlin 21/2023 v. 18.10.2023. Ebenso begrüßt die BRAK, dass die Ende 2022 mit der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung eingeführten und digital nutzbaren neuen Formulare u.a. für Vollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher nunmehr nach Anregungen aus der Praxis die Formulare überarbeitet werden sollen. In ihrer Stellungnahme gibt die BRAK Anregungen zur konkreten Ausgestaltung.17 17 BRAK-Stn.-Nr. 47/2023; dazu Nachr. aus Berlin 19/2023 v. 21.9.2023. STRAFRECHT UND STRAFPROZESS Verteidigerkorrespondenz Nach der der BRAK vorliegenden Berichten sichten Staatsanwaltschaften vermehrt die papierne und digitale Korrespondenz zwischen Beschuldigten und ihren Verteidigerinnen und Verteidigern, die eigentlich einem Beschlagnahmeverbot unterliegt. Dies geschieht den Berichten zufolge insb. bei Sachverhalten mit Bezug zu Cum-Ex-Fällen oder Sanktionsverstößen, und zwar selbst dann, wenn Post explizit als „Verteidigerkorrespondenz“ gekennzeichnet oder erkennbar ist. Von den Justizministerinnen und -ministern der Länder fordert die BRAK, diese rechtswidrige Praxis umgehend zu unterbinden, da sie evident gegen die Beschlagnahmefreiheit nach § 97 I StPO verstößt und damit ein zentrales Beschuldigtenrecht verletzt.18 18 Presseerkl. Nr. 7/2023 v. 11.9.2023; dazu Nachr. aus Berlin 19/2023 v. 21.9.2023. Die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Mandantinnen/Mandanten und Anwältinnen/Anwälten müsse mit Blick auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht (§ 43a BRAO) unBRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 AUS DER ARBEIT DER BRAK 388
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