ZWECKGEBUNDENE FREMDGELDER BORA§4 II * 1. Einem Rechtsanwalt ist es nicht erlaubt, eigene Forderungen mit Geldern zu verrechnen, die an ihn zweckgebunden für einen anderen als den Mandanten gezahlt worden sind. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlung durch den Mandanten selbst erfolgt. * 2. Eine solche Zweckbindung liegt beispielsweise vor, wenn der Mandant dem Anwalt einen Gerichtskostenvorschuss, eine Sicherheitsleistung zum Zwecke der Abwendung der Zwangsvollstreckung zahlt oder Zahlungen zur Weiterleitung an die Finanzbehörden zum Zwecke der Begleichung von Steuerschulden auf das Kanzleikonto geleistet werden. OLG München, Hinweisbeschl. v. 5.4.2023 – 15 U 6218/22 AUS DEN GRÜNDEN: I. Die Berufungen der Arrestbeklagten zu 1 und zu 2 richten sich gegen Urteil des LG Traunstein v. 23.9.2022 – 6 O 1649/22 (2), das den Arrestbefehl des LG Traunstein v. 1.8.2022 gegen die Arrestbeklagten bestätigt hat. Die Arrestklägerin macht gegen die Arrestbeklagten als Gesamtschuldner Schadensersatzansprüche aus deliktischer Haftung i.H.v. 595.178,02 Euro geltend. Die Arrestklägerin überwies im Rahmen eines bestehenden Steuermandats mit dem Arrestbeklagten zu 1, das überwiegend von der Arrestbeklagten zu 2 als Mitarbeiterin des Arrestbeklagten zu 1 bearbeitet wurde, in den Jahren 2018–2021 Umsatzsteuervorauszahlungen und Lohnsteuerzahlungen in der im Ersturteil im Einzelnen aufgeführten Höhe auf das Kanzleikonto des Arrestbeklagten zu 1. Es handelte sich dabei um zweckgebundene Gelder zur Weiterleitung an die Finanzverwaltung für die Begleichung der jeweils fälligen Umsatzsteuer- und Lohnsteuerverbindlichkeiten der Arrestklägerin. Die Arrestklägerin führt aus, dass zwischen 2018 und Januar 2021 ein Betrag i.H.v. mindestens 595.178,02 Euro abredewidrig bewusst nicht an die Finanzverwaltung weitergeleitet worden sei, sondern von den Arrestbeklagten für sich selbst vereinnahmt worden sei. Die Arrestklägerin macht gegen die Arrestbeklagten insoweit einen auf die Veruntreuung der Gelder gestützten Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 266 I Var. 2 StGB geltend. Die Arrestklägerin stützt ihren Antrag auf Anordnung des Arrestes darauf, dass der Arrestgrund durch die Untreuetat indiziert sei. Zudem bestehe der Verdacht, dass die Arrestbeklagten die Vollstreckung vereiteln oder wesentlich erschweren würden, da sie jede Auskunft zur Verwendung und zum Verbleib der Treuhandgelder verweigern würden. Die Arrestbeklagten weisen die erhobenen Vorwürfe zurück. Sie machen insb. geltend, dass die behauptete zweckwidrige Mittelverwendung nicht glaubhaft gemacht sei und nicht zutreffe. Ferner fehle es an einem Arrestgrund. Mit Arrestbefehl v. 1.8.2022 ordnete das LG Traunstein auf die Antragsschrift der Arrestklägerin v. 26.7.2022 wegen einer geltend gemachten Schadensersatzforderung der Kl. i.H.v. 595.178,02 Euro sowie einer Kostenpauschale von 22.583,50 Euro den dinglichen Arrest jeweils in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Arrestbeklagten zu 1 und der Arrestbeklagten zu 2 als Gesamtschuldner an sowie weiterhin in das bewegliche und unbewegliche gemeinschaftliche Vermögen der Arrestbeklagten als Gesamtschuldner an. ln Vollziehung des Arrests wurden die Konten des Arrestbeklagten zu 1 und der Arrestbeklagten zu 2 bei der Sparkasse ... bis zu einem Höchstbetrag von 617.761,52 Euro gepfändet und die Arrestbeklagten angewiesen, sich jeder Verfügung über die gepfändeten Forderungen zu enthalten. Ein entsprechendes Leistungsverbot gegenüber Sparkasse ... wurde angeordnet. Weiterhin wurde u.a. bestimmt, dass durch Hinterlegung eines Betrags i.H.v. 617.761,52 Euro die Vollziehung dieses Arrests gehemmt wird und dass die Arrestbeklagten (Schuldner) berechtigt werden, die Aufhebung des vollzogenen Arrests zu beantragen. Mit Schriftsätzen v. 11.8.2022 bzw. 12.8.2022 haben die Arrestbeklagten jeweils Widerspruch gegen den Arrestbefehl eingelegt. Mit Urt. v. 23.9.2022 – 6 O 1649/22 (2), auf das zu den Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das LG Traunstein den Arrestbefehl v. 1.8.2022 bestätigt. Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird gem. § 540 I Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Ersturteils und gem. §§ 313 II 2, 540 ZPO auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen verwiesen. Die Berufungen der Arrestbeklagten zu 1 und zu 2 richten sich gegen die Bestätigung des Arrestbefehls des LG Traunstein v. 1.8.2022 – 6 O 1649/22 (2). Sie begehren mit ihren Berufungen jeweils die Abänderung des Endurteils v. 23.9.2022 dahingehend, dass der Arrestbefehl v. 1.8.2022 sowie die in Vollzug des Arrestes v. 1.8.2022 ausgesprochenen Arrestpfändungen aufgehoben werden und der Antrag der Arrestklägerin auf Erlass eines dinglichen Arrests zurückgewiesen wird. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungen Bezug genommen. II. Die Prüfung der Berufungen durch den Senat zeigt weder auf, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung gem. § 546 ZPO beruht, noch dass die nach § 529 ZPO zugrunde liegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen würden (§ 513 I ZPO). Die zulässigen Berufungen der Arrestbeklagten gegen die erstinstanzliche Bestätigung der angeordneten Arreste und Pfändungsanordnungen v. 1.8.2022 ist nach derzeitiger Würdigung des Senats unbegründet. 1. Nach § 529 I Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, die die in dieser Bestimmung angeordnete Bindung des Berufungsgerichts an die erstinstanzlichen BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 399
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