lapidare Behauptung der Arrestbeklagten zu 2, dass alle angeforderten Geldbeträge zweckentsprechend zur Steuertilgung verwandt worden seien, nicht geeignet, die detaillierten Berechnungen der neuen Steuerberaterin, die mit Unterlagen belegt wurden, infrage zu stellen. (...) 2.6.5. Soweit die Arrestbeklagten hinsichtlich der Glaubhaftmachung der Erfüllung des Untreuetatbestandes gem. § 266 StGB einwenden, dass sie nicht über fremdes Vermögen verfügt hätten und es an einer qualifizierten Pflichtenstellung fehle, geht dies fehl. Die Entgegennahme von Geldern im Auftrag des Mandanten zur Weiterleitung an Dritte oder die Entgegennahme von Geldern im Rahmen eines bestehenden Mandatsverhältnisses, die für den Mandanten bestimmt sind, begründet die Vermögensbetreuungspflicht i.S. eines Treuhandverhältnisses. Die Pflichtwidrigkeit (Verletzung der VermögensbetreuPflichtwidrigkeit ungspflicht i.S.d. Untreuetatbestandes) liegt in der unterlassenen, zweckentsprechenden Verwendung (hier der Differenzbeträge zwischen Einzahlungen und Weiterleitungen an die Finanzbehörden). Der Tatbestand der Untreue nach § 266 I Var. 2 StGB kann dadurch erfüllt werden, dass der Rechtsanwalt pflichtwidrig dem Mandanten oder einem Dritten zustehende Gelder nicht weiterleitet, sondern auf seinem Geschäftskonto belässt, soweit hierdurch dem Mandanten ein Vermögensnachteil zugefügt wird. Für den Mandanten oder einen von diesem bestimmten Empfänger eingehende Gelder hat er unverzüglich zu übermitteln oder falls dies ausnahmsweise nicht sofort durchführbar ist, den Mandanten hiervon sofort in Kenntnis zu setzen und dafür besorgt zu sein, dass ein dem Geldeingang entsprechender Betrag bei ihm jederzeit für den Berechtigten zur Verfügung steht (BGH, NJW 2015, 1190 Rn. 17, 19), wobei der vom BGH letztgenannte Umstand die Frage des Schadens betrifft (s.u.). Durch die eidesstattlichen Versicherungen der neuen Steuerberaterin sowie des Geschäftsführers der Arrestklägerin ist jedenfalls hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Vermögensbetreuungspflichten verletzt wurden, da die unverzügliche Weiterleitung an die Finanzbehörden in Höhe der Differenzbeträge unterblieb, die Arrestbeklagten ferner die Arrestklägerin hinsichtlich der fortlaufend in erheblicher Höhe nicht an die Finanzverwaltung weitergeleiteten Geldbeträge nicht unterrichteten sowie zur Verwendung der Differenzbeträge keinerlei Rechnung legten, was u.a. zur Folge hatte, dass die Finanzbehörden Steuerschulden der Arrestklägerin in erheblicher Höhe durch Umbuchungen (Rückerstattungsbeträge aus anderen Steuerzeiträumen) und Vollstreckungsmaßnahmen ausglichen. Zum Verbleib und der Verwendung der zweckwidrig nicht weitergeleiteten Differenzbeträge fehlt jegliche nachvollziehbare Darstellung der Arrestbeklagten. 2.7. Die Arrestklägerin hat weiterhin hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihr aufgrund der pflichtwidrig nicht zweckentsprechend verwendeten Differenzbeträge i.H.v. insgesamt 595.178,02 Euro ein Vermögensnachteil i.S.d. § 266 StGB in entsprechender Höhe entstanden ist. 2.7.1. Durch die Verletzung der Pflicht zur Weiterleitung Begründung eines Nachteils von Fremdgeldern muss ein Nachteil begründet werden. Maßgeblich ist, ob das Vermögen des Mandanten durch die Pflichtverletzung gemindert wird. Das ist etwa dann der Fall, wenn in der unterlassenen Weiterleitung die Absicht liegt, die eingenommenen Gelder endgültig für sich zu behalten, der Rechtsanwalt die Gelder zwar nicht auf Dauer für sich behalten will, aber ein dem Geldeingang entsprechender Betrag nicht jederzeit für den Berechtigten zur Verfügung gehalten wird oder die Gefahr eines Vermögensverlustes groß ist, weil die auf dem Geschäftskonto befindlichen Gelder dem (unabwendbaren und unausgleichbaren) Zugriff von Gläubigern offenstehen (BGH, NJW 2020, 1689 Rn. 13 m.w.N.). 2.7.2. Die Gesamtumstände ergeben vorliegend eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass in der unterlassenen Weiterleitung der Differenzbeträge die Absicht lag, die eingenommenen Gelder endgültig für sich zu behalten oder zumindest entsprechende Beträge nicht jederzeit für die berechtigte Arrestklägerin bereitgehalten wurden und zur Rückzahlung zur Verfügung standen. Dafür spricht zunächst, dass die unterbliebene, unverzügliche Weiterleitung an die Finanzbehörden über einen längeren Zeitraum, fortlaufend sowie kontinuierlich in erheblicher Höhe erfolgte und die Arrestklägerin diesbezüglich zu keinem Zeitpunkt informiert wurde. Die Arrestbeklagten haben der Arrestklägerin trotz vielfacher Aufforderung keine Auskünfte über den Verbleib und die Verwendung der Differenzbeträge erteilt, wie der Geschäftsführer der Arrestklägerin eidesstattlich am 25.7.2022 versichert hat (AS 2). Die Arrestbeklagten haben auch nicht vorgetragen, bis zum Beginn des Arrestverfahrens hinsichtlich der nicht weitergeleiteten Geldbeträge irgendwelche Informationen an die Arrestklägerin übermittelt zu haben; vielmehr wurde der streitgegenständliche Sachverhalt offensichtlich vollständig verschwiegen. ln der Zusammenschau mit der Höhe und Zeitdauer der zweckwidrig unterbliebenen Weiterleitung spricht dies dafür, dass keine Absicht bestand, nicht weitergeleitete Geldbeträge an die Arrestklägerin zurückzubezahlen; zumindest spricht dies dafür, dass entsprechende Geldbeträge nicht jederzeit zur Rückzahlung zur Verfügung standen. Hinzu kommt, dass die streitgegenständlichen Geldbeträge nicht auf einem Anderkonto eingingen, sondern auf einem allgemeinen Kanzleikonto, und die nicht weitergeleiteten Differenzbeträge seitens der Arrestbeklagten nicht auf ein Anderkonto separiert wurden. Dabei wurden über dieses Kanzleikonto auch Fremdgelder anderer Mandanten sowie Zahlungsverkehr der Kanzlei abgewickelt, sodass eine Vermischung eintrat. Vor diesem Grund sind auch die seitens der Arrestbeklagten zu 2 vorgelegBERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 402
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