Einrichtung oder Vereinigung der betreffende wirtschaftliche Vorteil zugutekommt, sie also die Verfügungsgewalt über den Vermögenswert erlangt, zu verstehen (BGH, Beschl. v. 11.8.2021 – 3 StR 268/20, BeckRS 2021, 28508 Rn. 18 unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 21.12.2011 – C-72/11, BeckRS 2011, 81942 Rn. 40). In diesem Sinne ist auch das „Zugutekommen lassen“ vom Bereitstellungsverbot des Abs. 1 erfasst (BT-Drs. 17/11127, 27). Wie diese Gelder zur Verfügung gestellt werden, ist ohne Bedeutung. Erfasst ist daher jede Handlung, die unabhängig von ihrer rechtlichen Qualifizierung erforderlich ist, damit eine gelistete Person tatsächlich die Verfügungsgewalt über eine Sache erlangen kann. Der bloße Vertragsabschluss oder sonstige Vorbereitungshandlungen sind hingegen nicht tatbestandsmäßig. Anzuknüpfen ist vielmehr an den Realakt (MüKoStGB/Wagner, 4. Aufl. 2023, AWG § 18 Rn. 33). Gemessen hieran haben die Beschwerdeführer dargelegt, dass der sanktionierten Person U. weder mittelbar noch unmittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zu Gute gekommen sind oder ihm zur Verfügung gestellt wurden. Die Zahlung der 100.000 Euro wurden von einer nicht-sanktionierten Person, der Wirtschaftskanzlei R. aus M. zu Gunsten der Beschwerdeführer vorgenommen. Hierdurch wurde weder auf eingefrorene Gelder der sanktionierten Person U. i.S.v. Art. 2 I VO (EU) 269/2014 zurückgegriffen noch hat die sanktionierte Person U. eine tatsächliche Verfügungsgewalt über den Vermögenswert erlangt. Die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Gelder haben die Beschwerdeführer, die durch die Überweisung der Gelder einen Auszahlungsanspruch gegenüber ihrer Bank erlangt haben und frei über die Gelder für die anfallenden Honorarforderungen verfügen können. Der sanktionierten Person U. ist die Zahlung der 100.000 Euro auch nicht „zu Gute“ gekommen. Zwar werden durch die Zahlungen Forderungen in Höhe fälliger Anwaltshonorare getilgt, sodass nach dem Wortlaut ihm diese Zahlung „zu Gute kommen“ könnte. Allerdings kann der Sinn und Zweck der Norm hier nicht eingreifen, da der sanktionierte U. keinerlei Verfügungsbefugnis erhält und das Geld auch nicht zur Unterstützung für Handlungen, die sich gegen die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine wenden, zu Gute kommen. Zudem hat jeder das Recht, sich effektiv vor Gericht verteidigen zulassen (EuGH, Urt. v. 12.6.2014 – C-314/13 Rn. 26 ff.), was notwendigerweise auch die Bezahlung einer Anwaltsforderung beinhaltet. Hinzu kommt, dass die Anwaltskosten von einer nicht sanktionierten Person gezahlt wurden. Überdies ist die Norm bereits nach ihrem Sinn und Zweck nicht einschlägig. Gemäß Erwägungsgrund Nr. 4 der Verordnung wurden Reisebeschränkungen sowie das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen bestimmter Personen (gelistet in Anhang I der VO), die für Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, einschließlich der ukrainischen Verfassung zuwiderlaufen, verantwortlich sind, am 17.3.2014 durch den Rat beschlossen. Danach sollen vermögenswerte Gegenstände, wirtschaftliche Ressourcen und Gelder auf Bankkonten der in Anhang I gelisteten Personen, die sich im Hoheitsgebiet der Europäischen Union befinden (s. hierzu auch BT-Drs. 20/7219, 5), eingefroren werden. Art. 1 lit. e) und f) VO (EU) 269/2014 definiert das „Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen“ als die Verhinderung der Verwendung von wirtschaftlichen Ressourcen für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen (...) sowie das „Einfrieren von Geldern“ als die Verhinderung jeglicher Form der Bewegung, des Transfers, der Veränderung und der Verwendung von Geldern sowie des Zugangs zu ihnen oder ihres Einsatzes (...). Das Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen und Geldern soll somit dazu dienen, dass die im Anhang I gelisteten Personen die wirtschaftlichen Ressourcen und Gelder, die sich im Hoheitsgebiet der europäischen Union befinden, nicht dazu nutzen, um solche Handlungen oder Vorhaben zu unterstützen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, einschließlich der ukrainischen Verfassung zuwiderlaufen. Gemessen daran kann im vorliegenden Fall von einem solchen Nutzen nicht ausgegangen werden. Die Zahlung i.H.v. 100.000 Euro wurden zum einem von einer nicht sanktionierten dritten Person an nicht sanktionierte Personen zur Tilgung einer Honorarforderung geleistet. Die Gelder stammten zudem nicht aus eingefrorenen Geldern i.S.d. Verordnung, sondern von einer nicht sanktionierten Person außerhalb der Europäischen Union. Zum anderen wurden sie nicht an die sanktionierte Person U. geleistet und gingen in dessen Verfügungsgewalt, sondern faktisch von dessen Verfügungsgewalt weg. Die Gelder können somit nicht i.S.d. Erwägungsgrundes Nr. 4 von der sanktionierten Person genutzt werden. Für die Annahme der Generalstaatsanwaltschaft, dass diese Zahlungen alleine zum Zwecke der sanktionierten Person U. bereitgehalten werden, sind objektiven Tatsachen weder ersichtlich noch vorgetragen. Darüber hinaus fallen Dienstleistungen eines Rechtsananwaltliche Dienstleistung≠ wirtschaftliche Ressource waltes auch nicht unter die Legaldefinition der wirtschaftlichen Ressource. Gemäß Art. 1 lit. d) VO (EU) 269/2014 sind wirtschaftliche Ressourcen Vermögenswerte jeder Art, unabhängig davon, ob sie materiell, beweglich oder unbeweglich sind, bei denen es sich nicht um Gelder handelt, die aber für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können. Als Vermögenswerte werden neben Geld auch alle sonstigen beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie Rechte angesehen, die einen wirtschaftlichen Wert aufweisen. BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 406
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