BRAK-Mitteilungen 6/2023

zen, für eine Zustellung ausreichenden Moment unbeobachtet von ihrem Ehemann war, sind nicht vorgebracht. Auch die Kl. hat nach eigenem Vorbringen den Kontakt ihres Ehemanns mit dem Postboten nicht mitbekommen. Warum diese Konstellation umgekehrt nicht denkbar sein soll, ist dem Zulassungsantrag nicht zu entnehmen. [18] Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Kl. in der Begründung des Zulassungsantrags, ihr Ehemann habe sich bei dem Erscheinen des Postboten gerade im Flur befunden und es könne deshalb nicht sein, dass er – wie der AGH mutmaße – eine Zustellung in der Hektik nicht bemerkt habe. Denn selbst wenn in diesem Moment eine Zustellung an die Kl. ausgeschlossen werden könnte, bedeutete dies nicht, dass eine solche nicht zu einem anderen Zeitpunkt des Tages – von ihrem Ehemann unbemerkt – stattgefunden haben kann. [19] cc) Soweit die Kl. meint, die zustellende Person habe den Brief wahrscheinlich unsachgemäß in der näheren Umgebung der Wohnung abgelegt, möglicherweise einer anderen Frau in dem Wohnhaus übergeben, in einem anderen Wohnhaus eingeworfen, einer anderen, in derselben Straße wohnenden Familie K. übergeben oder im Treppenhaus auf einen dort gelagerten Backofen oder woanders nicht sichtbar hingelegt, von wo er dann die Treppenstufen heruntergerutscht sein müsse, als der Backofen um den 17.6.2021 herum vom Treppenhaus weggetragen worden sei, ist dieser Vortrag nicht geeignet, um die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde in Frage zu stellen. Insoweit handelt es sich um reine unbelegte Spekulationen zu möglichen Geschehensabläufen, die den erforderlichen Gegenbeweis, dass die Zustellung nicht der Urkunde entsprechend erfolgte, nicht ermöglichen. [20] Der durch Vernehmung des Nachbarn unter Beweis gestellte Vortrag, dass dieser zu dieser Zeit einen an die Kl. adressierten gelblichen Brief im Treppenhaus gefunden und in den Briefkasten der Kl. geworfen habe, ermöglicht den Beweis der unrichtigen Beurkundung ebenfalls nicht. Denn selbst wenn es sich hierbei um den Widerrufsbescheid gehandelt haben sollte, was allein durch die unter Beweis gestellte Aussage, es sei ein gelblicher Brief gewesen, ohnehin nicht belegt wäre, stellte dies eine der Urkunde entsprechende Zustellung an die Kl. nicht in Frage. Das Auffinden des Briefs im Treppenhaus belegte nicht, dass der Postzusteller den Brief unsachgemäß abgelegt und eine Falschbeurkundung vorgenommen hat. Vielmehr könnte dies auch darauf beruhen, dass die Kl. den Brief selbst verloren oder verlegt und vergessen hatte. [21] Nicht geeignet, eine Falschbeurkundung darzulegen und zu beweisen, ist weiter der Vortrag der Kl., dass sie wenige Stunden nach Erhalt des Schreibens am 17.6.2021 Zeugen angerufen und mit diesen hierüber gesprochen habe. Denn dies schließt nicht aus, dass ihr der Brief wie beurkundet bereits am 11.5.2021 übergeben wurde, sie dessen Inhalt aber aus in ihrer Sphäre liegenden Gründen erst am 17.6.2021 zur Kenntnis genommen hat. [22] Letztlich begründet auch der Vortrag der Kl., wonach die Postzustellungen an sie häufig unzuverlässig seien und Briefe sie häufig nicht oder verspätet erreichten, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des AGH, wonach eine Zustellung am 11.5. 2021 durch die Zustellungsurkunde bewiesen und nicht widerlegt ist. Denn selbst wenn es in der Vergangenheit Zustellprobleme gegeben haben sollte, würde sich hieraus nichts für eine Falschbeurkundung in diesem konkreten Fall ergeben, so dass der Beweis einer Falschbeurkundung hierdurch nicht geführt werden könnte. [23] e) Soweit die Kl. sich in der Begründung des Zulassungsantrags auch gegen die Erwägungen des AGH zu einer möglichen Ersatzzustellung an ihren Ehemann wendet, stellt dieser Vortrag das Urteil des AGH im Ergebnis nicht in Frage. Denn eine wirksame Zustellung an die Kl. steht bereits im Hinblick auf die durch die Zustellungsurkunde bewiesene persönliche Zustellung an die Kl. und die fehlende Geeignetheit ihres Vorbringens zur Widerlegung dieses Beweises fest. [24] 2. Dem AGH ist schließlich kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem sein Urteil beruhen kann (§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 5 VwGO). [25] a) Ohne Erfolg beruft sich die Kl. darauf, dass der AGH verfahrensfehlerhaft und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 I GG sowie ihres Anspruchs auf ein faires Verfahren am 16.12.2022 in ihrer Abwesenheit verhandelt habe, obwohl sie einen begründeten Verlegungsantrag gestellt habe. Ein Verfahrensfehler liegt insoweit nicht vor. [26] Nach § 227 I ZPO i.V.m. § 112c I 1 BRAO, § 173 S. 1 VwGO ist Voraussetzung einer Terminsverlegung, dass ein erheblicher Grund vorliegt und dem Gericht unterbreitet wird. Dies war hier nicht der Fall. [27] aa) Der AGH ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kl. in ihrem Verlegungsantrag v. 9.12.2022 ihre Verhandlungsunfähigkeit nicht hinreichend dargelegt hat und eine Verlegung wegen der dort vorgetragenen Erkrankung deshalb nicht geboten war. [28] Eine Partei ist bei einem mit einer Erkrankung begründeten Verlegungsantrag verpflichtet, die Gründe für die Verhinderung so anzugeben und durch Vorlage eines substantiierten ärztlichen Attests zu untermauern, dass das Gericht die Frage der Verhandlungsfähigkeit selbst zu beurteilen vermag (vgl. Senat, Beschl. v. 6.5.2021 – AnwZ (Brfg) 38/20 Rn. 29 ff.; v. 3.5.2021 – AnwZ (Brfg) 63/18 Rn. 16; jeweils m.w.N.). [29] Diesen Anforderungen genügten die Angaben der Verhandlungsunfähigkeit nicht hinreichend dargelegt Kl. in ihrem Verlegungsantrag v. 9.12.2022 nicht. Bereits ihr nicht weiter erläuterter Vortrag, sie habe starken Schnupfen, Kopf-, Hals- und Ohrenschmerzen, begründet eine Verhandlungsunfähigkeit für den BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 415

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