spruchsverfahren eine erstmalige Beschwer eines Dritten enthält. Insbesondere in mehrpoligen Rechtsverhältnissen mit Drittbetroffenen bestünde andernfalls die Gefahr einer „Endlosschleife“ sich wiederholender Widerspruchsverfahren. Diesem Zweck würde es zuwiderlaufen, wenn jeder, der erstmalig durch einen Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid beschwert ist, ein erneutes Widerspruchsverfahren anstrengen könnte. BGH, Urt. v. 20.7.2023 – AnwZ (Brfg) 14/22 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Gemäß § 79 I Nr. 2 VwGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage der Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält. § 79 II VwGO ergänzt diese Norm dahingehend, dass der Widerspruchsbescheid auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein kann, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbstständige Beschwer enthält. VIDEOKONFERENZ UND GESETZLICHER RICHTER FGO §§ 91a I, 119 Nr. 1, 155 S. 1; GG Art. 101 I 2; ZPO §295 1. Bei einer sog. „Videokonferenz“ muss für die Beteiligten während der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung nach § 91a I der Finanzgerichtsordnung – ähnlich wie bei einer körperlichen Anwesenheit im Verhandlungssaal – feststellbar sein, ob die beteiligten Richter in der Lage sind, der Verhandlung in ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen. Dies erfordert, dass alle zur Entscheidung berufenen Richter während der „Videokonferenz“ für die lediglich „zugeschalteten“ Beteiligten sichtbar sind. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn für den überwiegenden Zeitraum der mündlichen Verhandlung nur der Vorsitzende Richter des Senats im Bild zu sehen ist. 2. Auf die Beachtung der Vorschriften über die Besetzung des Gerichts kann nicht wirksam verzichtet werden. Dies ist der Disposition der Beteiligten entzogen. BFH, Beschl. v. 30.6.2023 – V B 13/22 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: In der Begründung seiner Entscheidung zog der BFH nicht allein das geltende Recht heran, sondern ging auch darauf ein, dass der Gesetzgeber auf einen verstärkten Einsatz von Videokonferenztechnik zielt. In der Begründung des Entwurfs für ein Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik werde ausdrücklich erwähnt, dass jeder Verfahrensbeteiligter und das Gericht die Möglichkeit haben muss, alle anderen Verfahrensbeteiligten und die Mitglieder des Gerichts zu jedem Zeitpunkt der Verhandlung sowohl visuell als auch akustisch wahrzunehmen. Dieselben Maßstäbe legt der BFH auch bereits für das geltende Recht an. FRISTABLAUF BEIM ANTRAG AUF ANWALTSGERICHTLICHE ENTSCHEIDUNG BRAO §§ 74a I 1, 116 I 2; BGB § 193; StPO § 43 II * 1. Die Bundesrechtsanwaltsordnung enthält keine § 193 BGB vergleichbare Regelung, wonach beim Antrag auf anwaltsgerichtliche Entscheidung im Falle eines Fristablaufs an einem Sonnabend oder Sonntag an deren Stelle der nächste Werktag träte. * 2. Ein Rückgriff auf § 43 II StPO ist nicht vorgesehen. * 3. Aufgrund der lex specialis in § 74a II 2 BRAO verbietet sich auch ein Rückgriff auf den für anwaltsgerichtliche Verfahren die ergänzende Anwendbarkeit von GVG und StPO anordnenden § 116 I 2BRAO. * 4. Schließlich existiert kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, wonach eine Frist stets erst mit Ablauf des nächsten Werktages endet, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. AnwG München, Beschl. v. 20.6.2023 – 1 AnwG 29/22 AUS DEN GRÜNDEN: I. Der Vorstand der RAK für den Bezirk des Oberlandesgerichtsbezirks München, Abt. I, hat gegenüber dem Ast. wegen Verstoßes gegen § 12 BORA eine Rüge erteilt. Der Rügebescheid v. 13.4.2021 wurde dem Ast. am 14.4.2021 zugestellt. Der Ast. hat hiergegen mit Schreiben v. 10.5.2021, eingegangen bei der RAK München am 10.5.2021, fristgerecht Einspruch eingelegt und diesen begründet. Der Vorstand hat in seiner Sitzung v. 25.3.2022 die Zurückweisung des Einspruchs beschlossen. Die Zurückweisung wurde dem Ast. mit Schreiben v. 10.5.2022 durch Zustellung am 11.5.2022 bekanntgemacht. Der Ast. hat bei dem AnwG München mit Schreiben v. 13.6.2022, das am selben Tag über das elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereicht wurde, Antrag auf anwaltsgerichtliche Entscheidung gem. § 74a BRAO gestellt. Der Antrag wurde aus dem Postfach des Herrn RA ... übersandt, der den Antrag auch qualifiziert elektronisch signiert hatte. Im Übrigen ist der Antrag mit einer einfachen Signatur des Ast. versehen (digitale Druckbuchstaben, keine handschriftliche Unterschrift), ist unPROZESSUALES BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 418
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