erneut vom Ast. selbst verfasst und (einfach) signiert worden. Wäre Herr RA ... tatsächlich als Verteidiger bestellt gewesen, wäre zu erwarten gewesen, dass er selbst als Verteidiger den Verlegungsantrag stellt und diesen nicht seinen Mandanten stellen lässt. Danach bestehen erhebliche Zweifel, ob der Antrag auf gerichtliche Entscheidung dem Formerfordernis des § 37 S. 2 BRAO genügt. Es steht aufgrund der zahlreichen Widersprüche nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass RA ... die Antragsschrift verantwortet hat. 2. Letztlich kann diese Frage aber offenbleiben, da der Antrag jedenfalls nicht fristgerecht gestellt wurde. Ein Antrag auf anwaltsgerichtliche Entscheidung ist nach § 74a I 1 BRAO innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Bescheids über die Zurückweisung des Einspruchs gegen den Rügebescheid zu stellen. Der Bescheid über die Zurückweisung des Einspruchs gegen den Rügebescheid wurde dem Ast. am 11.5. 2022 zugestellt. Die Monatsfrist lief damit grundsätzlich am 11.6.2022 ab. Der Antrag auf anwaltsgerichtliche Entscheidung ging jedoch erst am 13.6.2022 beim Anwaltsgericht ein. Der Tag des Fristablaufs, der 11.6.2022, war allerdings Fristablauf am Samstag ein Samstag. Es stellt sich daher die Frage, ob die Einreichung am darauffolgenden Montag noch fristwahrend erfolgte. Die BRAO selbst enthält keine § 193 BGB vergleichbare Regelung, wonach im Falle eines Fristablaufs an einem Sonnabend oder Sonntag an deren Stelle der nächste Werktag träte. Entscheidend ist daher, ob eine Norm aus einer anderen Verfahrensordnung analog anzuwenden ist. Insoweit werden unterschiedliche Ansichten vertreten, ob und, wenn ja, in welchem Umfang Vorschriften aus einem Allgemeinen Teil bspw. der StPO oder der VwGO oder des VwVfG anzuwenden sind (hierzuOtt, BRAK-Mitt. 2021, 145). Entgegen der früheren Fassung von § 74a BRAO erklärt die Norm seit dem 18.5.2017 nur noch einzelne Vorschriften der Strafprozessordnung für das Verfahren über die anwaltsgerichtliche Entscheidung für anwendbar, namentlich die §§ 308, 309 und 311a StPO (§ 74a I 2 BRAO). Ein Rückgriff auf § 43 II StPO, wonach eine Frist mit Ablauf des nächsten Werktages endet, wenn „das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend“ fällt, ist damit nicht vorgesehen. Dessen ungeachtet seien die §§ 22 ff. StPO nach Weyland (BRAO, 10. Aufl. 2020, § 74a Rn. 15) weiterhin entsprechend anwendbar, weil der Gesetzgeber die Folgen der gegenteiligen Auffassung „schlichtweg übersehen“ habe. Ganz im Gegenteil hierzu betont die Gesetzesbegründung indessen, dass mit der neuen Regelung in § 74a II 2 BRAO „ausdrücklich klargestellt wird, dass andere Normen der StPO von der Verweisung in § 74a II 2 [...] nicht erfasst werden“ (BTDrs. 18/9521 v. 9.5.2016, 129). Angesichts dieser eindeutigen Formulierung wäre eine etwaige Lücke keinesfalls planwidrig, so dass die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung anderer Normen nicht erfüllt sind. In der Literatur wird daher überwiegend vertreten, dass eine entsprechende Anwendung anderer Vorschriften der StPO ausgeschlossen ist (Kleine-Cosack, BRAO, 9. Aufl., 2022, § 74a, Rn. 3; Lauda, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 74a BRAO Rn. 4). Dem schließt sich die Kammer aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts und der eindeutigen Gesetzesbegründung an. Aufgrund der lex specialis in § 74a II 2 BRAO verbietet sich § 74a II 2 BRAO = lex specialis auch ein Rückgriff auf den für anwaltsgerichtliche Verfahren die ergänzende Anwendbarkeit von GVG und StPO anordnenden § 116 I 2 BRAO (Niedersächsischer AGH, Beschl. v. 18.11.2014 – AGH 1/14 Rn. 11; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 25.2.2016 – 1 BvR 1042/15 Rn. 20). § 112c I 1 BRAO erklärt die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung für entsprechend anwendbar, soweit die BRAO keine abweichenden Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren enthält; ausweislich der systematischen Stellung im Fünften Teil, Vierter Abschnitt der BRAO, gilt § 112c BRAO allerdings nur für gerichtliche Verfahren in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen vor dem AGH; nach § 112a I BRAO sind Streitigkeiten anwaltsgerichtlicher Art gerade keine verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen. Ein Rückgriff auf § 57 II VwGO i.V.m. § 222 II ZPO ist daher nicht möglich. § 32 I 1 BRAO erklärt für Verwaltungsverfahren nach der BRAO ergänzend die Verwaltungsverfahrensgesetze für anwendbar; bei dem anwaltsgerichtlichen Verfahren handelt es sich jedoch um kein Verwaltungsverfahren, so dass auch nicht auf Art. 31 III 1 BayVwVfG zurückgegriffen werden kann. Schließlich existiert entgegen der vom Ast. aufgestellten Behauptung kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, wonach eine Frist stets erst mit Ablauf des nächsten Werktages endet, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Wenn dem so wäre, bedürfte es schon keiner gesonderten Regelungen in den einzelnen Verfahrensordnungen. Zudem ist es in der Rechtsprechung bspw. für § 517 2. Alt. ZPO (OLG Frankfurt, NJW 1972, 2313) und § 72b I ArbGG (BAG, NJW 2022, 3732) anerkannt, dass u.a. Rechtsmittelfristen an einem Sonnabend oder einem Sonn- oder Feiertag ablaufen können. Vor diesem Hintergrund besteht keine Veranlassung, kein allgemeiner Rechtsgrundsatz Vorschriften aus anderen Verfahrensordnungen analog anzuwenden. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Reform des § 74a II 2 BRAO zum 17.5.2017 bewusst – wenn auch in der Sache womöglich unbefriedigend – nur noch einzelne Normen der Strafprozessordnung für anwendbar erklärt. Ob dies in anderen Fällen dazu führen könnte, dass Rechte eines Ast. unzumutbar und unter Verletzung des Rechtsstaatsprinzips beeinträchtigt werden und daher eine analoge Anwendung PROZESSUALES BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 421
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