[5] II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 I 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 522 I 4, 238 II 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 II ZPO sind nicht erfüllt. Insbesondere ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch des Kl. auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG) und wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 I GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). [6] 1. Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung verweigert, dem Wiedereinsetzungsgesuch lasse sich nicht entnehmen, dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten eine hinreichende Ausgangskontrolle gewährleistet gewesen sei. Auch bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im elektronischen Rechtsverkehr mittels beA sei es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Dabei sei eine Prüfung erforderlich, ob die richtige Datei versandt worden sei. Der Rechtsanwalt müsse durch eine Organisationsanweisung oder durch konkrete Einzelanweisung sicherstellen, dass jeder fristgebundene Schriftsatz mit einem individuellen Dateinamen versehen werde, der später anhand von Prüfprotokoll und Eingangsbestätigung die Kontrolle auf Fehlversendungen ermögliche. Dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Kl. eine solche Kontrolle angeordnet worden wäre, lasse sich dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht entnehmen. [7] 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Das Berufungsgericht hat dem Kl. zu Recht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt und seine Berufung als unzulässig verworfen. Die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das dem Kl. nach § 85 II ZPO zuzurechnen ist. [8] a) Der Prozessbevollmächtigte des Kl. muss sich so behandeln lassen, als habe er selbst um 16:28 Uhr den nicht zum Verfahren gehörenden Schriftsatz anstelle der Berufungsbegründung an das Berufungsgericht versandt, dessen Übermittlung die Frist zur Berufungsbegründung nicht wahren konnte. [9] Nach § 26 I RAVPV darf der Inhaber eines besondePflicht zur Geheimhaltung ren elektronischen Anwaltspostfachs ein für ihn erzeugtes Zertifikat keiner weiteren Person überlassen und hat die dem Zertifikat zugehörige Zertifikats-PIN geheim zu halten. Möglich ist nach § 23 II und III RAVPV zwar, unter den dort genannten Voraussetzungen anderen Personen Zugang zu dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach zu gewähren und von einem Rechtsanwalt qualifiziert signierte elektronische Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu übersenden. Voraussetzung ist aber, dass für die anderen Personen ein Zugangskonto angelegt ist und der Zugang der anderen Personen über ihr Zugangskonto unter Verwendung eines ihnen zugeordneten Zertifikats und einer zugehörigen Zertifikats-PIN erfolgt. Handelt der Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs dem zuwider und überlässt er das nur für seinen Zugang erzeugte Zertifikat und die zugehörige Zertifikats-PIN einem Dritten, muss er sich so behandeln lassen, als habe er die übermittelte Erklärung selbst abgegeben (vgl. BSG, Urt. v. 14.7.2022 – B 3 KR 2/21 R Rn. 15). [10] Entsprechend muss sich der Prozessbevollmächtigte des Kl. im Rahmen der Prüfung der Wiedereinsetzungsvoraussetzungen nach § 233 ZPO die Übersendung des verfahrensfremden Schriftsatzes am Spätnachmittag des letzten Tages der Berufungsbegründungsfrist so zurechnen lassen, als habe er den verfahrensfremden Schriftsatz anstelle der Berufungsbegründung selbst auf den Weg gebracht. Zu diesem Zeitpunkt konnte er auch nicht mehr erwarten, dass die Übersendung eines mit dem Berufungsverfahren nicht in Zusammenhang stehenden Schriftsatzes innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs noch so rechtzeitig bei dem Berufungsgericht bemerkt werden würde, dass die Nachreichung der Berufungsbegründung noch am 8.9.2022 hätte gewährleistet werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 18.10.2017 – LwZB 1/17, NJW 2018, 165 Rn. 9 ff.). [11] b) Aber auch dann, wenn sich der Prozessbevollmächtigte des Kl. die Übersendung des verfahrensfremden Schriftsatzes anstelle der Berufungsgründung nicht als selbst veranlasst zurechnen lassen müsste, wäre die Fristversäumung mit der Folge der Anwendung des § 85 II ZPO durch ihn verschuldet. [12] aa) Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im ZusamPflicht zur Überprüfung des Versandvorgangs menhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs mittels beA entsprechen denjenigen bei der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch bei der Nutzung des beA ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2021 – VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 21; Beschl. v. 29.9.2021 – VII ZR 94/21, NJW 2021, 3471 Rn. 12; Beschl. v. 20.9.2022 – XI ZB 14/22, NJW 2022, 3715 Rn. 7; Beschl. v. 11.1.2023 – IV ZB 23/21, NJW-RR 2023, 425 Rn. 14). Die Kontrollpflichten umfassen dabei die Überprüfung der nach § 130a V 2 ZPO übermittelten automatisierten Eingangsbestätigung des Gerichts. Sie erstrecken sich u.a. darauf, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2021, a.a.O., Rn. 46; Beschl. v. 30.11.2022 – IV ZB 17/22, NJW-RR 2023, 351 Rn. 10). Dabei ist für das Vorliegen einer Eingangsbestätigung gem. § 130a V 2 ZPO auch erforderlich, dass gerade der Eingang des elektronischen Dokuments i.S.v. § 130a I ZPO, das übermittelt werden sollte, bestätigt wird. Die Bestätigung der Versendung irgendBERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2023 423
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