menser Marktdynamik geprägt – nichtsdestotrotz ist er auch ein Bereich, der in Teilen immense Kostenrückgänge aufweist und immer erschwinglicher wird.19 19 Vgl. hierzu u.a. die Kostenentwicklung 1956 bis 2022 für (Computer-) Speicher, McCullum, Historical cost of computer memory and storage, 2022, abrufbar unter https://ourworldindata.org/grapher/historical-cost-of-computer-memory-and -storage. Dem Bedarfsargument der finanziell aufwändigen Investitionen wird in der Diskussion verstärkend an die Seite gestellt, dass die Unabhängigkeit ein rechtspolitischer „Kampfbegriff“ ohne Inhalt sei. Dem kann nur entschieden entgegengetreten werden: Die anwaltliche Unabhängigkeit ist und bleibt Funktionsnotwendigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der eine besondere individuelle Verantwortlichkeit gegenüber Mandantinnen und Mandanten und damit der Gesellschaft zugeordnet wird. Diese setzt eine Unabhängigkeit der Anwaltschaft in alle Richtungen voraus, und damit auch die ökonomische Unabhängigkeit. An dieser Stelle wird häufig das Argument angeführt, dass der Anwalt auch heute und trotz des Fremdbesitzverbotes in der Praxis nicht selten zumindest mittelbar in ökonomischer Abhängigkeit zum Mandanten stehe. Hier kann sich der oben geschilderten Ansicht des EuGH nur angeschlossen werden: Der aktive Rechtsanwalt und sein intrinsisches ökonomisches Interesse sind von der anwaltlich obliegenden Verantwortung umhüllt. Im Falle eines berufsrechtlichen Verstoßes riskiert der Anwalt als ultima ratio seine berufliche Existenz – der exogene Investor in erster Linie nur sein Kapital. II. HINTERGRUND DER UMFRAGE Die Diskussionen im Zusammenhang mit der „großen BRAO-Reform“ führten zwar im Ergebnis zu einer – in der Ausgestaltung an die Änderungen im anwaltlichen Gesellschaftsrecht angepassten – Beibehaltung des Fremdbesitzverbots. Gleichwohl blieb das Thema Legal Tech weiterhin auf der gesetzgeberischen Agenda, weil der Bundestag, als er das sog. Legal Tech-Gesetz20 20 Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt, BGBl. 2021 I, 3415. im Juni 2021, gerade noch vor dem Ende der Legislaturperiode, beschloss, der künftigen Regierung eine Reihe von Prüfbitten in Bezug auf die Regulierung von Legal Tech-Anbietern mitgab.21 21 Vgl. BT-Drs. 19/30495, 7 (unter II. 1.). Geprüft werden soll danach u.a., ob die mit dem Legal Tech-Gesetz verbundenen Öffnungen der Möglichkeiten für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Erfolgshonorare zu vereinbaren und bei der außergerichtlichen Forderungseinziehung auch Verfahrenskosten zu übernehmen, in der Praxis genutzt werden und ob sich Risiken für die anwaltliche Unabhängigkeit gezeigt haben. Fremdbesitz bzw. dessen Verbot in anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften hat mit Legal Tech nur nachrangig zu tun und liegt v.a. auch im Interesse anderer Akteure als der Anwaltschaft, insb. aus der Bank- und Versicherungsbranche; diskutiert wurde das Thema jedoch in den vergangenen Jahren nahezu ausschließlich im Kontext mit Legal Tech. Die Parteien der Ampel-Koalition griffen die Prüfbitte des 19. Bundestags in ihrem Koalitionsvertrag auf – und verknüpfen darin das Fremdbesitzverbot ebenfalls mit Legal Tech. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass das in der vergangenen Legislaturperiode gelockerte Verbot von Erfolgshonoraren für die Anwaltschaft evaluiert und modifiziert und zudem das Fremdbesitzverbot überprüft werden soll.22 22 Vgl. Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode, 112. Unter anderem aus Statements des Bundesjustizministers bei verschiedenen Anlässen ließ sich entnehmen, dass bei der „Überprüfung“ in Bezug auf das Fremdbesitzverbot an eine Lockerung gedacht wurde. Dies kommt auch in der Formulierung der Fragen der (unten noch näher zu erwähnenden) Verbändeanhörung zum Ausdruck. Vor einer Befassung damit, ob und wie eine etwaige Lockerung des Fremdbesitzverbots im Einklang mit den berufsrechtlichen Pflichten der Anwaltschaft denkbar wäre, wollte das BMJ eruieren, wie die Rechtsanwaltschaft (und Patentanwaltschaft) als Rechtsanwender mögliche Konflikte mit der Unabhängigkeit einstuft und ob es überhaupt Bedarf für Fremdkapital in Kanzleien gäbe. Trotz der breit geführten, oben23 23 Vgl. unter I. skizzierten Diskussion innerhalb der Anwaltschaft fehlten aus Sicht des Ministeriums allerdings bislang Erkenntnisse dazu, wie stark die sich diametral gegenüberstehenden Auffassungen – Finanzierung durch reine Investoren ist unabdingbar für Legal Tech- und IT-Investitionen vs. Finanzierung durch reine Investoren gefährdet die anwaltliche Unabhängigkeit und das Vertrauen in den Berufsstand – in der deutschen Anwaltschaft vertreten werden.24 24 Das Berufsrechtsbarometer 2021 des Soldan Instituts (vgl. Kilian, AnwBl. 2022, 230 f.) befasste sich zwar (bei einem Panel von 2.770 Personen) u.a. mit dem Fremdbesitzverbot, allerdings nur anhand zweier Fragen; es liefert insofern nur ein sehr grobes Bild. Diese Lücke soll mit der Befragunggeschlossen werden. Flankierend zu der Umfrage führte das BMJ eine Verbändeanhörungdurch. In dem hierzu erstellten Fragebogen wollte das Ministerium zunächst wissen, wo die Verbände Vorteile einer möglichen Lockerung des Fremdbesitzverbots sehen und insb., ob dadurch Chancen für die Entwicklung des Anwaltsmarkts, die (internationale) Wettbewerbsfähigkeit der Anwaltschaft oder für die digitale Transformation des Anwaltsmarkts eröffnet würden. Gefragt wurde zudem, welche Finanzierungsmodelle durch eine Lockerung ermöglicht werden sollten und ob alternative Finanzierungsmodelle bestünden, um einen – insb. in Anbetracht der digitalen Transformation – gestiegenen Finanzierungsbedarf zu befriedigen. Im zweiten Teil des Fragebogens wurden Risiken bei einer möglichen Lockerung des Fremdbesitzverbots adNITSCHKE/WIETOSKA, FREMDBESITZVERBOT AUF DEM EMPIRISCHEN PRÜFSTAND BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 AUFSÄTZE 4
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