BRAK-Mitteilungen 1/2024

menden. Dabei will man in der derzeit geführten Diskussion gerade den vermeintlichen Innovationsbedarf kleiner Einheiten im Wege des Fremdkapitals decken – nur geben diese überwiegend an, hiervon keinen Gebrauch machen zu wollen. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ – auch die Freitextantworten verhielten sich spiegelbildlich zu den Zahlen und fielen weit überwiegend kritisch gegenüber einer Lockerung des Verbots aus. In dem Sinne zielte eine der häufigsten Aussagen der Freitexte darauf ab, dass eine Einflussnahme externer Finanzierer auf die Kanzleipolitik gerade nicht hinreichend unterbunden werden kann. Als häufigstes Negativbeispiel wurden die medizinischen Versorgungszentren (MVZ) angeführt. Folge einer Lockerung des Fremdbesitzverbots wäre nach Ansicht vieler, dass Gewinnmaximierung im Vordergrund stünde und damit die anwaltliche Unabhängigkeit beeinträchtigt wäre. Das von Befürwortern einer Lockerung häufig angeführte Argument, nur mit Hilfe reiner Kapitalgeber könnten Investitionen in Legal Tech gestemmt werden, lässt sich durch die Ergebnisse der Befragung nicht bestätigen. Vielmehr wird nur von relativ wenigen ein Bedarf für derartige Investitionen gesehen und nur sehr wenige wären bereit, reine Kapitalgeber in ihre Kanzleien aufzunehmen. Auch die Freitextantworten sprechen insoweit eine klare Sprache: So wurde vielfach geäußert, dass nicht Fremdkapital nötig sei, sondern auskömmliche RVG-Sätze.54 54 Vgl. hierzu den gemeinsamen Katalog des DAV und der BRAK – Vorschläge zur linearen Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung sowie zu strukturellen Änderungen des RVG, BRAK-Stn.-Nr. 51/2023. Auch im Berufsrechtsbarometer 2021 (vgl. Kilian, AnwBl. 2023, 168) widmete sich eine der Fragen der Erhöhung der RVG-Gebühren, welche durch 2.358 Anwält:innen beantwortet wurde – mit dem Ergebnis, dass sich 60 % für eine jährliche Anpassung der Gebühren durch Ankopplung an einen geeigneten Kostenindex aussprachen. Damit ist ein bedeutender und nicht von der Hand zu weisender Punkt adressiert: Es würde nicht nur der Belastung der Anwaltschaft u.a. durch Inflation und gestiegene Lohn-, Miet- und Energiekosten begegnet, sondern zugleich die anwaltliche Unabhängigkeit gestärkt werden – schließlich setzt diese auch die ökonomische Unabhängigkeit voraus. REFORMVORSCHLÄGE FÜR DAS STRAFRECHT UND DEN STRAFPROZESS ANGESICHTS DER DIGITALISIERUNG AUSSCHUSS STRAFPROZESSRECHT DER BUNDESRECHTSANWALTSKAMMER* * Prof. Dr. Christoph Knauer (Vorsitzender), Dr. Matthias Dann, Prof. Dr. Michael Gubitz, Dr. Vera Hofmann, Dr. Andreas Minkoff, Maximilian Müller, Jürgen Pauly, Anette Scharfenberg, Dr. Alexandra Schmitz, Stefanie Schott, Prof. Dr. Gerson Trüg. Der Ausschuss Strafprozessrecht unterstützt das Präsidium der BRAK in strafrechtlichen und strafprozessualen Fragen und erarbeitet entsprechende Stellungnahmen. Diese werden im Rahmen der Verbändeanhörungen veröffentlicht und fließen in parlamentarische Beratungen ein. Die Mitglieder des Ausschusses werden mitunter als Sachverständige für die Anhörungen des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags benannt. Grundlegende Reformen im Strafrecht und im Strafprozess sind selten – müssen doch die Rechte der Beschuldigten besonders beachtet werden, um ein in jeder Hinsicht rechtsstaatliches Verfahren zu garantieren. Die Digitalisierung eröffnet nun allen Beteiligten ganz neue Möglichkeiten. Vor diesem Hintergrund hat der Ausschuss Strafprozessrecht der Bundesrechtsanwaltskammer konkrete Reformvorschläge erarbeitet. Ergebnis: Das Strafrecht und der Strafprozess halten dem Digitalcheck nicht Stand und müssen an diversen Stellen überarbeitet werden. Der Gesetzgeber ist in der Pflicht, umfassend zu reformieren, damit das mit der Digitalisierung verbundene Potenzial genutzt werden kann, um den Zugang zum Recht für alle zu sichern und zu stärken. Kernthemen sind dabei die Führung von und die Einsicht in elektronische Akten, der Einsatz neuer Ermittlungsmethoden, insb. gestützt auf künstliche Intelligenz, sowie Verbesserungen in bestimmten Verfahrensabschnitten – allem voran die Einführung einer audiovisuellen Dokumentation der Hauptverhandlung. Die Reformforderungen werden jeweils ausführlich begründet und mit konkreten, synoptisch dargestellten Formulierungsvorschlägen für die entsprechenden Regelungen der StPO unterlegt. I. ZIELRICHTUNG DER REFORM UND VORAUSSETZUNGEN Ein zukunftssicherer Rechtsstaat ist ein digitaler Rechtsstaat.1 1 BRAK-Stn.-Nr. 84/2020, 9 – Positionspapier „Rechtsstaat 2.1 – krisensicher durch die Epidemie und in die Zukunft“. Daher begrüßt die BRAK die Diskussionen zur Digitalisierung der Justiz und die Bereitschaft aller Beteiligten, die in Deutschland bereits umgesetzten Digitalisierungsschritte weiter voranzutreiben. Das mit der Digitalisierung verbundene Potenzial muss dafür genutzt werden, den Zugang zum Recht für alle gleichermaßen zu sichern und zu stärken.2 2 BRAK-Presseerkl. Nr. 12/2021 v. 27.9.2021: Digitalpakt, Zugang zum Recht und RVG-Anpassung. Bereits jetzt stellen sich praktische Herausforderungen, da Informationen vermehrt und teilweise nur noch digital verfügbar sind und nicht nur die zu verarbeitenden Datenmengen, sonBUNDESRECHTSANWALTSKAMMER, REFORMVORSCHLÄGE FÜR DAS STRAFRECHT UND DEN STRAFPROZESS BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 AUFSÄTZE 12

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0