BRAK-Mitteilungen 1/2024

Vorgeschlagen wird eine Regelung entsprechend der §§ 100a und 100b StPO, in der die Voraussetzungen einer solchen Maßnahme konkret festgeschrieben werden. Hierbei sollte ein Tatverdacht beschränkt auf schwere Straftaten entsprechend dem Katalog des § 100a II StPO sowie ein Richtervorbehalt entsprechend § 100e I StPO erforderlich sein. Auch wenn im Darknet kein Vertrauensschutz anerkannt wird, der verletzt werden kann, sollten die Regelungen zur Vermeidung einer ausufernden staatlichen Überwachung auch hierauf anwendbar sein. 2. ANKLAGEERHEBUNG UND ZWISCHENVERFAHREN In der Anklageschrift muss die Staatsanwaltschaft gem. § 200 I 2 StPO auch die Beweismittel angeben, auf die sie den Tatverdacht stützt. Bei der Auswahl der Beweismittel sollen nur Beweismittel angegeben werden, die für die Aufklärung des Sachverhalts und die Beurteilung der Persönlichkeit des Angeschuldigten wesentlich sind (vgl. RiStBV 111 I). Hierdurch soll einerseits die Hauptverhandlung nicht überfrachtet werden75 75 Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 200 Rn. 16; KK-StPO/Schneider, 9. Aufl. 2023, § 200 StPO Rn. 26. und andererseits die Prozessbeteiligten, insb. der Angeschuldigte und sein Verteidiger, in die Lage versetzt werden, den Anklagevorwurf nachzuvollziehen und sich hiergegen zu verteidigen. Urkunden und Augenscheinsobjekte sollten dabei möglichst konkret mit Fundstelle in der Akte bezeichnet werden. Hierbei ist die Praxis der Staatsanwaltschaften jedoch uneinheitlich. Teilweise ist zu beobachten, dass Beweismittel nicht konkret aufgelistet werden, sondern insb. im Falle von digitalen Daten auf ganze Datenträger Bezug genommen wird, die der Anklage beigefügt werden. Hierbei wird gerade kein konkretes, sondern eine Fülle lediglich potenziell relevanter Beweismittel bezeichnet. Durch ein solches Vorgehen bleibt offen, ob alle auf dem Datenträger befindlichen Daten tatsächlich für den Tatnachweis erforderlich sind. Dies überfrachtet die Hauptverhandlung mit oftmals umfangreichen Datenmengen und schränkt die Verteidigungsmöglichkeiten erheblich ein. Durch eine Klarstellung im Gesetz könnte dies vermieden und Einheitlichkeit hergestellt werden. Zudem wird eine ggf. folgende Erörterung des Verfahrensstands gem. § 202a StPO und auch die Hauptverhandlung selbst erleichtert und beschleunigt. Daher schlägt die BRAK die folgende Ergänzung des § 200 StPO vor: §200 Inhalt der Anklageschrift (1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend. Wird im Beweismittelverzeichnis der Anklage auf einen Datenträger verwiesen, dürfen sich nur die für die Hauptverhandlung relevanten und in der Anklage konkret bezeichneten Beweismittel hierauf befinden. (2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird. 3. HAUPTVERHANDLUNG a) DOKUMENTATION DER HAUPTVERHANDLUNG Im Hinblick auf die Hauptverhandlung begrüßt es die BRAK76 76 Vgl. BRAK-Stn.-Nr. 8/2023 und BRAK-Stn.-Nr. 23/2023. ausdrücklich, dass nunmehr eine umfassende und zeitgemäße Dokumentation der Hauptverhandlung in Strafsachen eingeführt werden soll.77 77 Entwurf eines Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung (Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz – DokHVG), BT-Drs. 20/ 8096. Zum aktuellen Stand des parlamentarischen Verfahrens vgl. Nachr. aus Berlin 25/2023 v. 14.12.2023 und BRAK-News v. 15.12.2023. Mit einer Aufzeichnung des Verfahrens, wie sie die Gesetzesentwürfe vorsehen, soll nunmehr die Lücke der fehlenden inhaltlichen Dokumentation der erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht geschlossen werden. Hierdurch kann insb. die Transparenz, Wahrheitsfindung und Rechtskontrolle gestärkt werden. Dies erscheint vor allem bei (Zeugen-)Aussagen von maßgeblicher Bedeutung, da hierbei eine für die Verfahrensbeteiligten verbindliche Dokumentation erfolgt.78 78 BRAK-Stn.-Nr. 8/2023, 3. Diese zuverlässige Dokumentation bildet wiederum auch eine zuverlässige Grundlage für das Urteil selbst. b) VIDEOVERHANDLUNG Eine Videoverhandlung im Strafverfahren, wie bereits jetzt im Zivilverfahren möglich,79 79 Vgl. § 128a ZPO; hierzu allg. van Hattem/Bafteh, MMR 2023, 100. wird hingegen abgelehnt.80 80 Vgl. bereits BRAK-Stn.-Nr.70/2020. Wie eingangs erwähnt,81 81 Vgl. hierzu I. würde es dem Grundsatz der Unmittelbarkeit zuwiderlaufen, wenn dem Gericht zu Lasten des Angeklagten die Möglichkeit des Verschaffens eines persönlichen Eindrucks verwehrt wird. Auch aufgrund der Grundsätze der Mündlichkeit und der Öffentlichkeit ist die persönliche Anwesenheit des Angeklagten als Zentralfigur der Hauptverhandlung absolut zwingend und muss dies auch bleiben. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 25

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