lautenden, in den einschlägigen Kommentaren behandelten Muster-Empfehlungen des GDV und den den gerichtlichen Entscheidungen im Einzelfall zugrundeliegenden AVB ist – wie dieser Problemkreis nur exemplarisch und plastisch zeigt – für den Rechtsanwender in allen Sparten des Versicherungsrechts zwingend geboten. 2. DIREKTANSPRUCH GEGEN HAFTPFLICHTVERSICHERER GEM. § 115 VVG UNTERFÄLLT SCHADENERSATZ-RECHTSSCHUTZ Die einzige im Berichtszeitraum ergangene Entscheidung des BGH7 7 Vgl. BGH, Urt. v. 15.2.2023 – IV ZR 312/21 m. Anm. Günther, FD-VersR 2023, 4777; Cornelius-Winkler, jurisPR-VersR 5/2023 Anm. 1. befasste sich mit der Frage, welcher Leistungsart die direkte Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers eines insolvent gewordenen Prospektverantwortlichen gem. § 115 I 1 Nr. 2 VVG, der nicht selbst Anbieter der später gescheiterten Kapitalanlage war, unterfällt. Die zugrundeliegenden Gesellschafts-ARB entsprachen dem seit den ARB 2010 üblichen Modell, wonach unter der Leistungsart Schadenersatz-Rechtsschutz die Geltendmachung derartiger Ansprüche versichert ist, „soweit diese nicht auch auf einer Vertragsverletzung beruhen.“ Dieser Formulierung war bislang der Vorrang der Leistungsart „Vertragsrechtsschutz“ und (Nicht-)Konkurrenz zu Ansprüchen unter der Leistungsart „Schadenersatz-Rechtsschutz“ entnommen worden. Dies mag man nun mit einigem Recht in Frage stellen.8 8 SoCornelius-Winkler, a.a.O. undders., in Veith/Gräfe/Lange/Rogler, Versicherungsprozess, 5. Aufl. 2023, § 23 Rn. 53 f. offenbar insb. mit Blick auf Rn. 12 der Entscheidung. Die Einordnung in die konkrete Leistungsart hat Folgen nicht nur im Firmenrechtsschutz, der typischerweise Vertragsrechtsschutz überhaupt nicht oder ausnahmsweise als Ausschnittdeckung anbietet, sondern wie der konkrete Fall zeigt, auch hinsichtlich der Frage des (zeitlichen) Eintritts des Versicherungsfalls. Die Vorinstanzen waren der Ansicht, die Leistungsart „Vertrags-Rechtsschutz“ sei einschlägig, deren Voraussetzungen aber nicht vorlägen: die Interessewahrnehmung gegenüber dem Haftpflichtversicherer stelle neben derjenigen gegenüber dem Emittenten der Kapitalanlage einen eigenen, zudem nicht auf Schadenersatz gerichteten Rechtsschutzfall dar, der mangels Abschluss der notwendigen Ermittlungen des Versicherers und damit Fälligkeit entsprechend § 14 VVG zeitlich erst in der nach Ende des Rechtschutzversicherungsvertrags erklärten Anspruchsablehnung durch den Haftpflichtversicherer liege. Dies fand nicht den Beifall des IV. Zivilsenats. Er bestätigt zunächst seine Rechtsprechung, wonach der Ausdruck „Schadenersatz“ in der Rechtssprache in seinen Konturen nicht eindeutig festgelegt sei.9 9 Vgl. zur Auslegung von Fachbegriffen in AVB allgemein und zu solchen der Rechtssprache im besonderen jüngst Armbrüster, r+s 2023, 837 (841, hier insb. Fn. 108 f.) oder Günther, a.a.O. Auch für die Umgangssprache gelte nichts anderes, was beides bei der maßgeblichen Auslegung durch den seit der grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 199310 10 Vgl. BGH, Urt. v. 23.6.1993 – IV ZR 135/92, juris Rn. 14. in ständiger Senats-Rechtsprechung omnipräsenten „durchschnittlichen Versicherungsnehmer“ zu berücksichtigen sei. Dieser verstehe darunter unabhängig von der einschlägigen gesetzlichen Haftpflichtbestimmung einen auf Ausgleich eines Schadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadenereignis gerichteten Anspruch. Dennoch die Formulierung des § 115 I 1 Nr. 2 VVG bemühend, der dem Geschädigten erlaube, „seinen Anspruch [...] auch gegen den Versicherer“ geltend zu machen, handle es sich damit nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers insoweit um einen „Schadenersatzanspruch“ i.S.d. ARB. Dies ungeachtet dessen, dass der gegen den Prospektverantwortlichen geltend gemachte Anspruch, soweit er sich nach § 115 VVG gegen den Versicherer richtet, nur im Rahmen der Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag bestehe und nicht zur Naturalrestitution i.S.v. § 249 BGB verpflichte, sondern nur auf Geldersatz gerichtet sei (vgl. § 115 I 2 und 3 VVG). Demgegenüber werde der durchschnittliche Versicherungsnehmer seinen „Schadenersatzanspruch“ nicht als (auch) auf einer „Vertragsverletzung“ beruhend ansehen. Auch dieser Begriff sei in der Rechtssprache nicht eindeutig festgelegt. Die in der versicherungsrechtlichen Literatur streitige Frage, ob Ansprüche aus vertragsähnlichen Verhältnissen, etwa aus culpa in contrahendo (§ 311 II BGB) solchen aus Vertragsverletzungen gleichstehen und damit Deckung unter der Leistungsart „Schadenersatz-Rechtsschutz“ ausschließen,11 11 So etwa Piontek, in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, § 2 ARB 2010 Rn. 7. A.A. Münkel, in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 4. Aufl. 2020, § 2 ARB 2010 Rn. 3; Harbauer/Obarowski, Rechtsschutzversicherung, 9. Aufl. 2018, § 2 ARB 2010 Rn. 49. konnte der BGH offen lassen, weil „jedenfalls“ die Haftung eines Dritten (hier des Prospektverantwortlichen als Garant und berufsmäßiger Sachkenner), der nicht der intendierte Vertragspartner war (sondern der Emittent der Kapitalanlage), sei vom Begriff „Vertragsverletzung“ nicht umfasst. Eintritt des Versicherungsfalls im Schadenersatz-Rechtsschutz sei nach § 4 I lit. a ARB das dem Anspruchsgegner durch den Versicherungsnehmer vorgeworfene Verhalten, für falsche Prospektangaben verantwortlich zu sein. Dies ist überzeugend. Insbesondere kann es, weil § 115 VVG eine akzessorische Haftung im Wege eines gesetzlichen Schuldbeitritts statuiert, entgegen den Vorinstanzen nicht auf Fälligkeit nach § 14 VVG ankommen.12 12 So etwa Steinborn, in Marlow/Spuhl, BeckOK VVG, 21. Ed. 11/2023, § 115 VVG Rn. 22 m.w.N. auch zur Gegenauffassung. Diese ist einzig bei der Frage der hinreichenden Erfolgsaussichten noch relevant. Auf deren Fehlen würde sich der Versicherer allerdings wegen offenbar mit der Deckungsablehnung unterlassenen Hinweises auf ein Schiedsgutachter- oder Stichentscheid-Verfahren gem. § 18 I ARB nicht mehr wird berufen können. VÖLKER, DIE RECHTSPRECHUNG ZUR RECHTSSCHUTZVERSICHERUNG IM JAHR 2023 BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 AUFSÄTZE 28
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