BRAK-Mitteilungen 1/2024

zur Erkundigung beim Versicherungsnehmer, welche Beratung und Belehrung dessen Anwalt ihm erteilt hat. Nach der Grundsatzentscheidung des BGH muss der Anwalt den Mandanten auch in einem rechtsschutzversicherten Mandat umfassend und konkret über die Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Rechtsverfolgung belehren und ihm insbesondere bei Aussichtslosigkeit ausdrücklich abraten. Diese Pflicht endet nicht mit der Einleitung eines Rechtsstreits; verändert sich die Ausgangslage im Laufe des Verfahrens, muss der Rechtsanwalt den Mandanten auch über eine damit verbundene Verschlechterung der Erfolgsaussichten aufklären. Für die Erfüllung einer Beratungspflicht trifft den Anwalt nach ständiger Rechtsprechung eine sekundäre Darlegungslast.2 2 Z.B. BGH, NJW 1987, 1322; NJW 2011, 2889; Besprechung von Jungk, BRAK-Mitt. 2011, 234. Bei objektiver Aussichtslosigkeit spricht eine Vermutung dafür, dass der Mandant bei einem entsprechenden Hinweis von der Rechtsverfolgung abgesehen hätte, auch wenn er hierfür Rechtsschutzdeckung hatte.3 3 BGH, Urt. v. 16.9.2021 – IX ZR 165/19, MDR 2021, 1357; Besprechung von Grams, BRAK-Mitt. 2021, 370. Angesichts des Hergangs der Angelegenheit ist die Regressklage des Versicherers doch als bemerkenswert anzusehen. Dieser hat durch seine Säumigkeit selbst den Eintritt der Verjährung der Ansprüche seines Versicherungsnehmers verursacht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Versicherer etwa die ihm erteilten Hinweise zur Verjährung zum Anlass genommen hätte, seinen Versicherungsnehmer zur Rücknahme der Klage aufzufordern. Dies sind allerdings Themen, die nicht den Anwaltsregress, sondern das Versicherungsvertragsverhältnis zwischen Mandant und Versicherer betreffen. Die anwaltlichen Belehrungspflichten bleiben davon unberührt. (hg) FRISTEN KORREKTUR VON FRISTEN MUSS UNVERZÜGLICH ERFOLGEN 1. Überträgt ein Rechtsanwalt die Notierung von Fristen einer Kanzleikraft, muss er durch geeignete organisatorische Maßnahmen oder durch konkrete Einzelanweisung sicherstellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Bei notwendiger Korrektur einer Rechtsmittelbegründungsfrist muss eine mündliche Einzelanweisung klar und präzise beinhalten, dass die Frist sofort und vor allen anderen Aufgaben im Fristenkalender zu korrigieren ist. 2. Ein Rechtsanwalt muss allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. BGH, Beschl. v. 18.10.2023 – XII ZB 31/23, MDR 2024, 55-56 Der Anwalt beantragte am Montag, den 4.7.2022, eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gegen ein ihm am 2.5.2022 zugestelltes Urteil um einen Monat bis zum 4.8.2022. Das OLG gewährte Fristverlängerung nur bis zum 2.8.2022. Die Berufungsbegründung ging erst nach dem 2.8. beim OLG ein. Auf einen Hinweis des OLG beantragte der Anwalt Wiedereinsetzung. Nach Eingang der gerichtlichen Verfügung mit der kürzeren Fristverlängerung habe er seine Mitarbeiterin angewiesen, die bereits auf den 4.8. eingetragenen Fristen (Vor- und Endfrist) auf den 2.8. zu korrigieren. Dies sei versehentlich unterblieben. Vom 25.7. bis 2.8. sei er aufgrund einer Corona-Erkrankung nicht in der Kanzlei gewesen. Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Der BGH verwarf die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde als unzulässig. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, weil ein Verschulden des Anwalts nicht auszuschließen sei, §§ 233 S. 1, 85 II ZPO. Im Falle eines Fristverlängerungsantrags sei das hypothetische Ende der beantragten Verlängerung zunächst als nur vorläufig gekennzeichnet in den Fristenkalender einzutragen. Bei der mündlichen Einzelanweisung an die Mitarbeiterin nach Eingang der Verfügung mit der kürzer als beantragten Verlängerung habe der Anwalt Vorkehrungen dagegen treffen müssen, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Korrektur im Kalender unterbleibt. Hierzu wäre eine individuelle Weisung erforderlich gewesen, die Korrektur sofort und vor allen anderen Aufgaben im Kalender vorzunehmen. Ein Anwaltsverschulden sei auch im Hinblick auf die krankheitsbedingte Kanzleiabwesenheit des Anwalts nicht auszuschließen. Der Vortrag hierzu lasse nicht erkennen, ob und welche Vorkehrungen zur Vertretung im Krankheitsfall getroffen worden waren und warum die Sache nicht zur Vorfrist, spätestens eine Woche vor Ablauf der notierten Endfrist, einem etwaigen Vertreter vorgelegt wurde. Diesem hätte bei Vorlage auffallen müssen, dass die Endfrist nicht auf den 2.8. korrigiert worden war. (hg) BETEILIGUNG AN EINER VERHANDLUNG IM WEGE DER BILD- UND TONÜBERTRAGUNG Ist eine Partei nicht physisch im Gerichtssaal anwesend, sondern entscheidet sie sich zur Teilnahme an der Verhandlung gem. § 128a ZPO, müssen die Beteiligten, die sich nicht im Gerichtssaal befinden, auch eine Übertragung in Bild und Farbe gewährleisten; sind sie im Gerichtssaal lediglich zu hören, genügt das nicht. Der Anwalt hat die technisch notwendige Videoausstattung vor der Sitzung sicherzustellen. (eigener Ls.) LG Bielefeld, Versäumnisurt. v. 25.9.2023 – 3 O 219/20 Der Prozessbevollmächtigte des Klägers informierte das Gericht zunächst telefonisch über Probleme beim Einwählen in die Videokonferenz. Unter Mithilfe des Richters gelang dann eine Tonübertragung aus der Kanzlei in den Gerichtssaal, nicht jedoch eine Bildübertragung, während der Bevollmächtigte die Beteiligten JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 AUFSÄTZE 36

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