BRAK-Mitteilungen 1/2024

umrissen. Insbesondere zur systematischen Einordnung der neuen Abhilfeklage in das vorhandene Rechtssystem ist die Einleitung sehr hilfreich. Beginnend mit den für beide Klagearten geltenden allgemeinen Vorschriften erfolgt eine ausführliche Darstellung der Klagebefugnis. Der Gesetzgeber hat sich für das Modell entschieden, dass die Verbandsklagen zwischen qualifizierten Verbraucherverbänden und den betroffenen Unternehmen geführt werden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst werden keine Prozessparteien und können demnach nicht aktiv auf das Verfahren Einfluss nehmen. Mit der Abhilfeklage hat der (europäische) Gesetzgeber für Verbraucherinnen und Verbraucher erstmals die Möglichkeit geschaffen, im Wege des kollektiven Rechtsschutzes unmittelbar auf Leistung zu klagen. Ist die Abhilfeklage dabei auf Zahlung gerichtet, kann das Gericht nach § 19 VDuG die Höhe des kollektiven Gesamtbetrags unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung bestimmen. Dabei soll das Gericht die individuellen Ansprüche großzügig zu einem Gesamtbetrag addieren. Für den Erfolg der Abhilfeklage wird entscheidend sein, ob die Gerichte eine substantiierte Darlegung der einzelnen Schadensersatzansprüche fordern. Dem Charakter des Verfahrens würde es entsprechen, hier deutliche Abstriche an das Substantiierungserfordernis zu machen. Die Handhabung von § 19 VDuG durch die Gerichte ist für das Verfahren von herausragender Bedeutung. Hier hätte man sich in der Kommentierung eine stärkere Hilfestellung für die Gerichte gewünscht. Eine weitere Besonderheit der Abhilfeklage ist, dass dem Abhilfeendurteil ein Umsetzungsverfahren folgt. Hervorzuheben ist dabei das Amt des Sachwalters als neuer zivilprozessualer Akteur. Diesem kommt bei der Umsetzung des Abhilfeverfahrens eine Schlüsselrolle zu, vergleichbar mit einem settlement special master der amerikanischen class action. Neben der Bestellung zeigt Röthemeyer auch die Aufgaben des Sachwalters strukturiert auf. Die besonderen Regelungen zur Musterfeststellungsklage beschränken sich im Gesetz auf zwei Paragraphen. Zum Verständnis der Klageart ist daher auf die für beide Verbandsklagen geltenden allgemeinen Vorschriften zurückzugreifen. Röthemeyer hat mit dem Kommentar, wie bereits mit seiner ebenfalls bei Nomos erschienenen Kommentierung der Musterfeststellungsklage, hervorragende Pionierarbeit geleistet und den Maßstab für alle weiteren Kommentierungen des VDuG gesetzt. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN *LEITSATZ DER REDAKTION (ORIENTIERUNGSSATZ) PRINZIP DES DOPPELTEN BERUFSRECHTS BRAO §§ 43, 43a, 51; BORA § 11 * Das Prinzip des doppelten Berufsrechts bedeutet, dass ein Rechtsanwalt sowohl die ihm obliegenden Berufspflichten des Herkunftsstaates als auch das Berufsrecht des Aufnahmestaates zu befolgen hat. AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 11.8.2023 – 2 AGH 06/22 AUS DEN GRÜNDEN: I. Das AnwG Köln hat gegen den Avocat wegen schuldhafter Verletzung der Berufspflicht gem. §§ 43, 50, 51 I, 113 BRAO i.V.m. §§ 675, 667 BGB, § 11 BORA mit Urt. v. 5.5.2022 einen Verweis und eine Geldbuße i.H.v. 7.000 Euro verhängt. Gegen das Urt. v. 5.5.2022 wurde die Berufung am 5.5. 2022, eingegangen am 8.5.2022, fristgerecht eingelegt. II.1. (...) Der Angeschuldigte ist anwaltsgerichtlich noch nicht in Erscheinung getreten. 2. Die Hauptverhandlung v. 11.8.2023 ergab folgenden Sachverhalt: Der angeschuldigte Avocat ließ eine mehrmonatige Versicherungslücke in seiner Vermögensschadenhaftpflichtversicherung entstehen, die er erst nach Intervention der RAK Y. wieder schloss. Aufgrund Zahlungsrückstandes bestand die Deckungslücke bereits seit dem 1.11.2018, zum 8.1.2019 erlosch die Versicherung. Obwohl die RAK den Anschuldigten am 11.1.2019 an die Pflicht zur Aufrechterhaltung einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung erinnerte, sorgte er für einen weiteren Versicherungsschutz erst ab dem 1.2. 2019. Erst nach weiterer Erinnerung der RAK v. 5.2. 2019 versicherte sich der Angeschuldigte durch Überweisung des Beitrages am 11.2.2019 nach. BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 50

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0