BRAK-Mitteilungen 1/2024

„A. Übertragung des Arbeitsverhältnisses 1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zum Übertragungsdatum mit allen Rechten und Pflichten und mit rechtsbefreiender Wirkung für die X.G. auf die X.G.H. übergeht. (...) 2. Vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen bleiben alle Bedingungen des Arbeitsvertrags unverändert und gelten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zwischen der X.G.H. und der Arbeitnehmerin ab dem Übertragungsdatum fort.“ Mit Schreiben v. 1.8.2022 beantragte die Beigeladene unter Mitteilung des Sachverhalts zunächst die Feststellung, dass infolge der Übertragungsvereinbarungen keine wesentliche Änderung ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) eingetreten sei, und mit Schreiben v. 31.8.2022 vorsorglich die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin für die Tätigkeit bei der X.G.H. GmbH ab 1.9.2022. Zudem legte die Beigeladene ein Schreiben der X.G. GmbH und der X.G.H. GmbH v. 28.7.2022 vor, welches ausdrücklich die Maßgeblichkeit der am 29.9.2016 geschlossenen Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag v. 28.7.2015 („Tätigkeitsbeschreibung“) auch nach der Übertragung des Arbeitsverhältnisses bestätigte. Weiter heißt es dort: „Mit der mittlerweile übernommenen Leitungsfunktion der Abteilung Legal & Compliance gehen zwar auch in gewissem Umfang Führungsaufgaben einher, wie beispielsweise Mitarbeitergespräche. Diese sind der anwaltlichen Tätigkeit jedoch weit untergeordnet und machen – wenn überhaupt – max. 5-10 % der Gesamttätigkeit aus. Der weit überwiegende Anteil der Aufgaben bleibt entsprechend der Tätigkeitsbeschreibung anwaltlich geprägt.“ Nach Anhörung der Kl. erließ die Bekl. mit Bescheid v. 22.9.2022 – der Kl. zugestellt am 23.9.2022 – die folgenden Regelungen: „1. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses von der F.G. GmbH auf die F.G.G. GmbH infolge der Übertragungsvereinbarung 1.12.2021 um keine wesentliche Änderung Ihrer Tätigkeit gehandelt hat. 2. Es wird außerdem festgestellt, dass es sich bei dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses von der X.G. GmbH (vormals F.G.G. GmbH) infolge der Übertragungsvereinbarung zum 1.9.2022 um keine wesentliche Änderung Ihrer Tätigkeit handelt. 3. Der Zulassungsbescheid wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Zulassung für das Arbeitsverhältnis mit der F.G.G. GmbH weitergalt. 4. Die Umfirmierung der F.G.G. GmbH zur X.G. GmbH v. 10.5.2022 stellt ebenfalls keine wesentliche Änderung der Tätigkeit dar.“ Am 19.10.2022 legte die Kl. Widerspruch ein, den sie mit Schriftsatz v. 5.12.2022 im Hinblick auf Ziff. 4 des Bescheids zurücknahm. Zur Begründung führte sie aus, dass der Übergang eines Arbeitsverhältnisses aufgrund einer dreiseitigen Übertragungsvereinbarung nicht einem Übergang aufgrund eines Betriebsübergangs gem. § 613a BGB gleichgestellt werden könne, weil der Übergang nicht kraft Gesetzes eintrete. Eine Feststellung, dass keine wesentliche Änderung vorliege, sei daher nicht möglich. Erforderlich sei eine neue Zulassung. Mit Bescheid v. 26.4.2023, der Kl. zugestellt am 27.4. 2023, wies die Bekl. den Widerspruch zurück. Die Rechtsfolgen, die die dreiseitigen Übertragungsvereinbarungen festlegten, seien dieselben Rechtsfolgen wie die eines Betriebsübergangs gem. § 613a BGB. Es sei daher nicht ersichtlich, warum der Arbeitgeberwechsel aufgrund einer dreiseitigen Übertragungsvereinbarung anders zu behandeln sei als ein solcher aufgrund eines Betriebsübergangs. Die Tätigkeit der Beigeladenen habe sich lediglich dahingehend verändert, dass sie Führungsaufgaben übernommen habe. Da die Führungsaufgaben lediglich einen Anteil von maximal 5-10 % an der Gesamttätigkeit ausmachten, sei die Tätigkeit nach wie vor ganz überwiegend anwaltlich geprägt. Am 23.5.2023 erhob die Kl. Klage. Für die unter Ziff. 1 bis 3 getroffenen Regelungen fehle es an einer Rechtsgrundlage (unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 30.3.2020 – AnwZ (Brfg) 49/19 Rn. 10 ff.). Die nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 14.7.2020 – AnwZ (Brfg) 8/20) geltenden Voraussetzungen für die Feststellung, dass eine wesentliche Änderung der Tätigkeit i.S.d. § 46b III BRAO nicht vorliege und die erteilte Zulassung als Syndikusrechtsanwalt fortbestehe, seien nicht erfüllt, weil kein Betriebsübergang und damit kein Übergang des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes vorliege. Von einer entsprechenden Anwendung der Rechtsprechung sei abzusehen. Ob bei einem vertraglichen Übergang eines Arbeitsverhältnisses dieses unverändert auf den neuen Arbeitgeber übergegangen sei, könne im Einzelfall schwierig zu beantworten sein. Auch hier habe erst die Bestätigung der X.G. GmbH und der X.G.H. GmbH v. 28.7.2022 die Klarheit gebracht, dass die am 29.9. 2016 geschlossene Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag weiterhin gültig sei. Zudem gefährde eine entsprechende Anwendung der Rechtsprechung des BGH zum Arbeitgeberwechsel bei Betriebsübergang den vom Gesetzgeber gewollten Gleichlauf zwischen berufsrechtlicher Zulassungsentscheidung und der Entscheidung über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Während nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 16.6.2021 – B 5 RE 4/20 R Rn. 26 ff.) ein Arbeitgeberwechsel im Falle eines Betriebsübergangs keine Auswirkungen auf eine Befreiung nach § 6 I 1 Nr. 1 SGB VI habe, sofern mit dem Betriebsübergang nicht zugleich eine wesentliche Änderung der konkreten Tätigkeit verbunden sei, bedeute ein sonstiger Arbeitgeberwechsel eine Beendigung des früheren Beschäftigungsverhältnisses und die Begründung eines neuen. Die Befreiungsentscheidung nach § 6 I 1 Nr. 1 SGB VI gelte aber nur für eine konkrete Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber. Werde die Beschäftigung aufgegeben, ende die Wirkung der Befreiung (unter Hinweis auf BSG, Urt. v. 31.10.2012 – B 12 R 3/11 R Rn. 16 ff.). Erlasse die RAK aber einen feststellenden Bescheid, bestehe die Gefahr, dass die Beantragung eines SYNDIKUSANWALTSCHAFT BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 56

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