Telefax übermittelter Antrag, die bis zu diesem Tag verlängerte Berufungsbegründungsfrist gem. § 520 II 2 ZPO im Einverständnis mit der Bekl. erneut zu verlängern, nicht abgelehnt werde. [11] a) Der Rechtsmittelführer ist generell mit dem Risiko belastet, dass der Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts in Ausübung des ihm eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist versagt. Im Wiedereinsetzungsverfahren kann sich der Rechtsmittelführer deshalb nur dann mit Erfolg auf sein Vertrauen in eine Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (BGH, Beschl. v. 4.7.1996 – VII ZB 14/96, NJW 1996, 3155, v. 9.7.2009 – VII ZB 111/08, NJW 2009, 3100 Rn. 8 und v. 31.7.2023 – VIa ZB 1/23 Rn. 9 m.w.N.). So verhielt es sichhier. [12] b) Gemäß § 520 II 2 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegründung auf Antrag wiederholt verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt, unabhängig davon, ob der Rechtsmittelführer erhebliche Gründe für den Antrag geltend macht (BGH, Beschl. v. 31.7.2023 – VIa ZB 1/23 Rn. 11 m.w.N.). Das Vertrauen in die Gewährung einer wiederholten Fristverlängerung ist im Regelfall erst erschüttert, wenn aus Sicht eines Rechtsmittelführers Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens trotz der Einwilligung zu einer Ablehnung der begehrten Fristverlängerung führen kann (BGH, Beschl. v. 31.7.2023, a.a.O.). Solche Anhaltspunkte lagen hier nicht vor. [13] aa) Bei Einwilligung des Gegners ist auch das Vertrauen in eine zweite Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist geschützt (BGH, Beschl. v. 30.1.2023 – VIa ZB 15/22, NJW 2023, 1449 Rn. 10 und v. 31.7. 2023 – VIa ZB 1/23 Rn. 12 f.). Im Übrigen hat die Prozessbevollmächtigte des Kl. zusätzlich einen konkreten Grund für den Antrag – starke Arbeitsüberlastung – angegeben. [14] bb) Der Fristverlängerungsantrag ist auch wirksam gestellt worden. [15] Eine elektronische – und damit formgerechte – Übermittlung des Verlängerungsantrags vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ist hier zwar nicht erfolgt. Allerdings waren entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung gem. § 130d S. 2, 3 ZPO erfüllt. [16] Noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon Voraussetzungen für Ersatzeinreichung erfüllt ausgegangen, dass die am 24.11.2022 bestehende Störung des beA, die dazu führte, dass mehrere Stunden lang keine Verbindung zum beA aufgebaut werden konnte, eine vorübergehende technische Unmöglichkeit der Übermittlung als elektronisches Dokument i.S.v. § 130d S. 2 ZPO begründete und dass der Schriftsatz v. 24.11.2022 eine ausreichende Schilderung der einen Ausnahmefall nach § 130d S. 2 ZPO begründenden Tatsachen enthält. [17] Allerdings überspannt das Berufungsgericht die sich aus § 130d S. 3 ZPO ergebenden Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer auf technischen Gründen beruhenden vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung als elektronisches Dokument, indem es im vorliegenden Fall eine anwaltliche Versicherung des Scheiterns der Übermittlung für zwingend erforderlich erachtet, ohne den vorgelegten Screenshot zu berücksichtigen. [18] Die Vorlage dieses Screenshots, bei dem es sich Störung glaubhaft gemacht um ein Augenscheinsobjekt i.S.v. § 371 I ZPO handelt (OLG Jena, GRUR-RR 2019, 238 Rn. 15; BeckOK ZPO/ Bach, 50. Edition, Stand: 1.9.2023, § 371 Rn. 3), war im vorliegenden Fall geeignet, die behauptete Störung glaubhaft zu machen. Denn sein Inhalt stimmt überein mit den Angaben in der beA-Störungsdokumentation auf der Internetseite der BRAK (www.brak.de/fileadmin/02_ fuer_anwaelte/bea/beA-Störungsdokumentation_ 02.pdf, Stand 14.9.2023 mit Störungen v. 7.12.2018 bis zum 14.9.2023) und in dem Archiv der auf der Störungsseite des Serviceportals des beA-Anwendersupports veröffentlichten Meldungen für den Zeitraum Juli – Dezember 2022 (portal.beasupport.de/fileadmin/user_upload/ pdfs/Archiv_Portalmeldungen_2HJ2022.pdf), nach denen v. 24.11.2022, 14:06 Uhr, bis zum 25.11.2022, 3:33 Uhr eine Störung des beA-Systems bestand, wodurch die beA-Webanwendung nicht zur Verfügung stand und eine Adressierung von beA-Postfächern bzw. eine Anmeldung am beA nicht möglich war. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht die von der Prozessbevollmächtigten des Kl. geschilderte Störung angesichts der auf der Internetseite der BRAK verfügbaren Informationen als offenkundig (§ 291 ZPO) hätte behandeln können (vgl. BGH, Beschl. v. 19.5.2023 – V ZR 14/23 Rn. 1 und v. 24.5.2023 – VII ZB 69/21, WM 2023, 1428 Rn. 17 ff.). HINWEISE DER REDAKTION: Falls eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt wegen eines Ausfalls des beA-Systems genaue Angaben zu einer Störung oder zu ihrer Dauer benötigt (bspw. zur Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand), bietet die BRAK eine Historie der beA-Störungsmeldungen auf dem Portal des beA-Supports an. Die Störungsdokumentation umfasst neben Störungen des beA-Systems auch Meldungen der übrigen Teilnehmer des EGVPVerbunds, insb. auch der Justiz- und Behörden-IT der Länder. Störungsmeldungen gibt es zudem auf der zentralen EGVP-Website der Justiz. Dort werden allerdings nur Störungen im Verantwortungsbereich des Bundes und der Länder dokumentiert. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2024 61
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