BRAK MITTEILUNGEN APRIL 2024 · AUSGABE 2/2024 55. JAHRGANG AKZENTE ANWALTSGEBÜHREN HÄNGEN NUR MIT ANWALTSGEBÜHREN ZUSAMMEN Dr. Ulrich Wessels Gerade einmal ein halbes Jahr ist es her, dass ich an dieser Stelle übers Geld gesprochen habe – mal wieder. Natürlich ging es um die Forderung nach einer Anpassung der gesetzlichen Anwaltsgebühren, und zwar auf ein Level, das auskömmliches Arbeiten und eine angemessene Entlohnung des Kanzleipersonals ermöglicht. Die geltenden Gebühren, festgelegt durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021, konnten die Inflation in der Folge des Angriffskrieges auf die Ukraine gar nicht berücksichtigen. Dass das derzeitige Level nicht stimmen kann, liegt damit auf der Hand – und schon damals wurde bekanntlich die wirtschaftliche Entwicklung seit der letzten Gebührenanpassung nur in Teilen aufgefangen. Wer jetzt unwillkürlich den hängenden Tonabnehmer eines Plattenspielers vor dem geistigen Ohr hat, liegt nicht ganz falsch. Die Forderung ist nicht neu. Sie ist auch durchaus in der Politik angekommen. Immerhin hat der Bundesjustizminister mehrfach versichert, dass eine Gebührenerhöhung kommen soll, nach seiner Vorstellung zum 1.1.2025. Sein Haus hat längst mit den Vorarbeiten begonnen, dem Vernehmen nach kommt bald ein Referentenentwurf. So weit, so vielversprechend. Doch in Sachen Gebührenerhöhung haben die Länder ein gewichtiges Wort mitzureden. Immerhin stellt niemand ernsthaft in Abrede, dass eine Gebührenerhöhung notwendig ist. Die bisherigen Gespräche lassen aber erkennen: Es wird zäh! Die Vorstellungen in Anwaltschaft und Politik, wie groß die geforderte lineare Erhöhung der Gebühren ausfallen soll, liegen – wenig überraschend – ein gutes Stück auseinander. Das liegt unter anderem an der Berechnungsbasis für eine mögliche Erhöhung. Zu diskutieren wäre etwa, ob der Verbraucherpreisindex nicht ein zu niedriger Maßstab ist, wenn mit den Gebühren vor allem Kanzleiräume und Personal zu finanzieren sind. Oder ob sich als statistische Basis wirklich Kanzleien mit Millionenumsätzen eignen, die kaum nach dem RVG abrechnen, und nicht vielmehr vorrangig kleinere und mittlere Kanzleien, die – anders als viele große – auch Prozesskosten- und Beratungshilfemandate übernehmen. Hier gibt es sicher noch Luft. Altbekannt ist die Forderung der Länder, eine Anpassung der Anwaltsgebühren an eine parallele Erhöhung der Gerichtskosten zu koppeln. Dieses Junktim knüpfen die Länder wie immer bei Gebührenerhöhungen. Doch durch Wiederholung wird es nicht richtiger, den Rechtsuchenden die Finanzierung der Justiz aufzuerlegen, die in einem Rechtsstaat selbstverständliche Staatsaufgabe sein muss. Neu ist, dass die Anpassung der Anwaltsgebühren nun auch noch an eine Erhöhung der Vergütungen bzw. Entschädigungen für Betreuer, Dolmetscher und Zeugen gekoppelt werden soll. Von Länderseite wurde signalisiert, all dies nur im Paket verhandeln zu wollen. Dahinter steht Haushaltsschonung; an sich ein legitimes Anliegen. Das Problem dabei: Ein solches Junktim gefährdet letztlich die Anpassung des RVG und schwächt damit Rechtsstaat und Anwaltschaft auf lange Sicht. Denn attraktiver wird der Anwaltsberuf für junge Juristinnen und Juristen so sicher nicht. Und: Ohne eine qualifizierte Beratung zur Rechtslage, etwaigen Gestaltungsmöglichkeiten oder Wegen zur Streitbeilegung ist Zugang zum Recht nicht möglich. Und um das auch künftig leisten zu können, braucht die Anwaltschaft auskömmliche Gebühren. Allzu großer Optimismus, dass bei den Verhandlungen mit den Ländern am Ende ein wenigstens annähernder Inflationsausgleich herauskommt, ist angesichts dessen nicht angezeigt. Dabei müsste eine flächendeckende Versorgung mit anwaltlicher Beratung eigentlich auch den Ländern ein wichtiges Anliegen sein. Denn der Rechtsstaat braucht eine funktionierende Anwaltschaft! Viele von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, schreiben mir mit Sorge zum Thema Anwaltsgebühren. Adressieren Sie das bitte auch an Ihre Justizministerinnen und -minister! Denn der Bund ist willens, angemessene Anwaltsgebühren zu realisieren – zäh und sachfremd agieren hier die Länder. Ihr Dr. Ulrich Wessels AKZENTE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2024 65
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