für die Abgabe von Hoheitsrechten an eine Staatengemeinschaft. Dieser unterschiedliche Ansatz bleibt nicht ohne Einfluss auf den verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstab und mag erklären, dass das BVerfG bei seiner Identitätsrechtsprechung nur relativ zurückhaltend an seine Rechtsprechung zur Ewigkeitsgarantie anknüpft. III. EWIGKEITSGARANTIE UND BASIC STRUCTURE DOCTRINE Basic Structure Doctrine und Ewigkeitsklausel verfolgen das gleiche Ziel. Sie versuchen die die staatliche Identität begründenden Merkmale einer Verfassung zu bewahren und dem verfassungsändernden Gesetzgeber entsprechende Schranken zu setzen. Damit soll der Verfassung die erforderliche Stabilität verliehen, zugleich aber auch die nötige Flexibilität gegenüber neuen Herausforderungen gewährleistet werden. Beide Instrumente schützen so vor scheinbar legalen Machtübernahmen, indem sie dem verfassungsändernden Gesetzgeber die Beseitigung wesentlicher systembildeter Merkmale des verfassten Staates verwehren. Weder die Ewigkeitsklausel noch die Basic Structure Doctrine können jedoch vor einer Revolution durch eine neue verfassungsgebende Gewalt schützen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Instrumenten des Verfassungsschutzes liegt darin, dass die Schranken der Ewigkeitsklausel durch den Verfassungsgeber, die pouvoir constituant also, selbst gesetzt sind und folglich nach den Regeln ordnungsgemäßer Verfassungsauslegung bestimmt werden können. Der die Verfassung ändernde Gesetzgeber ist so durch die verfassungsgebende Gewalt ausdrücklich in bestimmten Bereichen gebunden und das BVerfG, das die Einhaltung dieser Grenzen kontrolliert, ist hierzu unmittelbar und ausdrücklich durch die Verfassung legitimiert. Die Basic Structure Doctrine sind hingegen nicht von einer verfassungsgebenden Gewalt unmittelbar konkretisiert und durch Auslegung bestimmbar. Hier bewegt sich das jeweilige Verfassungsgericht bei der Kontrolle verfassungsändernde Regelungen weitgehend auf „freiem Feld“. Die ausdrückliche Legitimation durch die Verfassung fehlt damit dem Indischen Supreme Court bei der Anwendung der Basic Structure Doctrine. Bei deren Entwicklung aus der Verfassung hält er sich allerding im Rahmen seiner Aufgabe, die Verfassung auszulegen und anzuwenden und den Gesetzgeber daran zu messen. Es ist eine spannende aber hypothetische Frage, ob das BVerfG, wenn es die Ewigkeitsklausel im Grundgesetz nicht gäbe, im Zuge seiner Rechtsprechung nicht auch eine Art Basic Structure Doctrine entwickelt hätte, welche dem verfassungsändernden Gesetzgeber die Änderungsbefugnis im Hinblick auf zentrale Werte und fundamentale Strukturprinzipien des Grundgesetzes entzieht. Unwahrscheinlich scheint dies nicht. DER BERUFSRECHTLICHE JAHRESÜBERBLICK EIN BLICK ZURÜCK AUF DIE BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG DES JAHRES 2023 RECHTSANWALT CHRISTIAN DAHNS, BERLIN* * Der Autor ist Rechtsanwalt in Berlin und Geschäftsführer der BRAK. Der Autor befasst sich in seinem Jahresrückblick mit den wichtigsten berufsrechtlichen Entscheidungen, die im Jahr 2023 in den BRAK-Mitteilungen veröffentlicht worden sind. Die Rechtsprechung zum Fachanwaltsrecht sowie zum Rechtsdienstleistungsgesetz wird wie gewohnt in eigenen Beiträgen gewürdigt. I. BERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN 1. DAS FREMDBESITZVERBOT AUF DEM PRÜFSTAND Wohl keine der im letzten Jahr ergangenen berufsrechtlichen Entscheidungen ist so kontrovers diskutiert worden wie der Vorlagebeschluss des Bayerischen AGH1 1 BRAK-Mitt. 2023, 185 ff. m. Anm. Schaeffer; zum Verfahren s. ausf. Dahns/Flegler/ Nitschke, BRAK-Mitt. 2023, 204. an den EuGH. Die Rechtsanwaltskammer München hatte einer Anwaltsgesellschaft die Zulassung widerrufen, nachdem sich eine nichtanwaltliche österreichische GmbH mit 51 % an ihr beteiligt hatte. Die Vorlagefragen stellten u.a. den Ausschluss von Nichtanwälten, das Erfordernis der beruflichen Aktivität eines Gesellschafters sowie den Ausschluss von Stimmrechten nicht sozietätsfähiger Gesellschafter bzw. Berufsausübungsgesellschaften zur unionsrechtlichen Überprüfung. Der Bayerische AGH räumte in seiner Entscheidung zunächst ein, dass der Rechtsanwaltsgesellschaft nach deutschem Recht zwingend die Zulassung zu entziehen war. Gleichzeitig stellte er jedoch fest, dass durch die neue Satzung der UG immerhin sichergestellt sei, dass die österreichische GmbH keinen beherrschenden EinAUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2024 81
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