BRAK-Mitteilungen 2/2024

gibt. Zwar könne es die Eigenart der Anwaltstätigkeit als einer Dienstleistung höherer Art mit einer sachlichen Weisungsfreiheit einerseits einem weitgehend durch Sachzwänge bestimmten zeitlichen und örtlichen Arbeitsablauf mit sich bringen, dass sich das Abgrenzungsmerkmal der äußeren Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Ort und Dauer des Arbeitseinsatzes so reduzieren kann, dass es eine sichere Unterscheidung zwischen abhängiger und selbstständiger Ausübung nicht mehr erlaubt. Sofern allerdings im Einzelfall die Weisungsgebundenheit eines Rechtsanwalts deutlich über das sich aus Sachzwängen ergebenden Maß hinausgeht, kann dies ein deutliches Signal sein, dass eine solche Tätigkeit als eine abhängige Beschäftigung zu qualifizieren ist. II. SYNDIKUSRECHTSANWÄLTINNEN UND -RECHTSANWÄLTE 1. KEIN HOHEITLICHES HANDELN Der AGH Rheinland-Pfalz12 12 BRAK-Mitt. 2023, 44 ff. beschäftigte sich mit der Frage, ob eine Geschäftsführerin einer Bezirksärztekammer als Syndikusanwältin zugelassen werden muss. Von der regionalen Rechtsanwaltskammer und der Deutschen Rentenversicherung Bund war diese Frage im Hinblick auf ein etwaiges hoheitliches Handeln unterschiedlich beantwortet worden. Der AGH Rheinland-Pfalz stellte klar, dass kein hoheitliches Handeln vorliegt, wenn ein Berufsträger nicht in den Vorgang der Beitragsfestsetzung durch die Mitarbeiter der Geschäftsstelle involviert ist und keinerlei Entscheidungsbefugnis sowie auch keine Befugnis besitzt, den Mitarbeitern fachliche Weisungen zu erteilen. Wird ein Berufsträger bei der Ausstellung von Fortbildungszertifikaten nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden und kann auch nicht mit Entscheidungsbefugnis auf das Ergebnis der Bescheide einwirken, liegt auch dann kein hoheitliches Handeln vor, wenn dieser bei Streitigkeiten um eine rechtliche Prüfung und eventuell die Anfertigung einer Beschlussvorlage ersucht wird. Bei einer Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Erlass von Widerspruchsbescheiden handelt es sich ebenfalls nicht um eine hoheitliche Tätigkeit, wenn eine Beteiligung des Berufsträgers an dieser hoheitlichen Maßnahme mit Entscheidungsbefugnis nicht vorliegt. 2. KEIN RECHT AUF beA-ABLEHNUNG Ob auch für Syndikusrechtsanwältinnen und -rechtsanwälte, die in einem Verband tätig sind, eine Pflicht besteht, aktiv am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen, war lange Zeit umstritten. Das BAG13 13 BRAK-Mitt. 2023, 255 ff. hat klargestellt, dass ein Syndikusrechtsanwalt, der für einen Verband nach den Bestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes und der BRAO erlaubte Rechtsdienstleistungen gegenüber den Verbandsmitgliedern erbringt, nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, den elektronischen Rechtsverkehr aktiv zu nutzen, wenn er gegenüber einem Gericht tätig wird und beispielsweise ein Rechtsmittel einlegt. Nach Auffassung des BAG spricht der gesetzessystematische Zusammenhang von § 46g ArbGG mit §46c ArbGG dafür, dass es für die Pflicht, den elektronischen Rechtsverkehr aktiv zu nutzen, darauf ankommt, ob es sich bei der das elektronische Dokument einreichenden bzw. übermittelnden Person um eine Person handelt, die kraft ihrer Rechtsstellung über ein besonderes Postfach und damit über einen sicheren Übermittlungsweg verfügt. Für die Einbeziehung auch der Verbandssyndici in den elektronischen Rechtsverkehr würden zudem die entsprechenden Bestimmungen der BRAO sprechen, insb. § 46c BRAO. Gemäß § 46c I BRAO gelten für Syndikusrechtsanwältinnen und -rechtsanwälte grundsätzlich die Vorschriften über Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Etwas anderes gilt (noch) für einen nicht als Syndikusanwalt zugelassenen juristischen Vertreter eines Verbandes. Dieser ist auch dann nicht im Rahmen seiner Tätigkeit für den Verband verpflichtet, den elektronischen Rechtsverkehr zu nutzen, wenn er außerhalb dieses Arbeitsverhältnisses über eine Zulassung als niedergelassener Rechtsanwalt verfügt. Eine aktive Nutzungspflicht für prozessbevollmächtigte Verbände besteht erst ab dem 1.1.2026.14 14 Vgl. hierzu BRAK-Mitt. 2024, 62 f. 3. KEIN ERMESSENSSPIELRAUM Der BGH15 15 BRAK-Mitt. 2023, 331 ff. m. Anm. Huff, der im Zusammenhang mit dieser Entscheidung betont, dass ein Antragsteller ein Recht darauf hat, dass die Verwaltung im Grundsatz gleichmäßig und einheitlich entscheidet. Wird von einer Praxis abgewichen, so müsse die Verwaltung dies begründen. hatte sich mit der Frage zu befassen, was eine gebundene Entscheidung und was eine Ermessensentscheidung der Rechtsanwaltskammer bei der Syndikuszulassung darstellt. Er betonte, dass eine Selbstbindung der Verwaltung nur dann in Betracht kommt, wenn es um die Ausübung von Ermessen geht oder der Verwaltungsbehörde für die Auslegung der maßgebenden Rechtsbegriffe ein sog. Beurteilungsspielraum eingeräumt wäre. Die Frage, ob jemand eine anwaltliche Tätigkeit ausübt oder als Syndikusrechtsanwalt zuzulassen ist, stellt nach Auffassung des BGH hingegen eine gebundene Entscheidung dar, die weder einen Ermessens- noch einen Beurteilungsspielraum eröffnet. 4. DER SYNDIKUS ALS GMBH-GESCHÄFTSFÜHRER? Der BGH konnte die umstrittene Frage, ob eine organschaftliche Tätigkeit als Geschäftsführer einer Gesellschaft i.S.d. § 46 II BRAO als Tätigkeit im Rahmen eines „Arbeitsverhältnisses“ angesehen werden kann, bislang stets offenlassen. Der Bayerische AGH16 16 BRAK-Mitt. 2023, 260. hat diese Frage verneint. Neben dem Wortlaut spreche auch die Entstehungsgeschichte der Norm dagegen, das AnstelDAHNS, DER BERUFSRECHTLICHE JAHRESÜBERBLICK BRAK-MITTEILUNGEN 2/2024 AUFSÄTZE 84

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