BRAK-Mitteilungen 2/2024

heitlich beantwortet. Höchstrichterlich geklärt war nur, dass sich die Voraussetzungen eines derartigen Erstattungsanspruchs einschließlich des Umfangs und der Grenzen des Anspruchs, die sich aus der Rücksichtnahme- und Treuepflicht des einzelnen Funktionsträgers ergeben, nach dem Kommunalverfassungsrecht des jeweiligen Landes richten.6 6 BVerwG, Beschl. v. 2.6.2014 – 8 B 98.13. Laut OLG war bis zu dem gegen die hiesigen Beklagten ergangenen Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg7 7 OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 3.8.2021 – OVG 12 L 15/21. weder in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung noch in der Literatur geklärt, ob nach dem Kommunalverfassungsrecht des Landes Brandenburg der Kostenerstattungsanspruch eines Organmitglieds allein unter dem Vorbehalt steht, dass das Organstreitverfahren nicht mutwillig geführt worden ist, oder ob darüber hinaus die Anrufung des Gerichts zur Durchsetzung individueller Mitgliedschaftsrechte als ultima ratio unumgänglich sein muss. Der im Hinblick auf das Kostenrisiko sicherste und gefahrloseste Weg bestand daher darin, von der Möglichkeit der Einschaltung der Kommunalaufsicht zunächst Gebrauch zu machen, sodass der Kläger verpflichtet war, hierzu zu raten. Dass das VG Cottbus als Kollegialgericht zunächst das Bestehen eines Erstattungsanspruchs gegen die Stadt angenommen hatte, entschuldigte den Rechtsanwalt, anders als das im Beamtenrecht der Fall ist, nicht. Da die übrigen Voraussetzungen für den Ersatzanspruch im Streitfall gegeben waren, ist den Beklagten insofern ein Schaden entstanden und konnten sie diesen gegen die Honorarforderung aufrechnen. (ju) EINSICHT IN DIE HANDAKTEN EINER WP-GESELLSCHAFT DURCH DEN INSOLVENZVERWALTER DER MANDANTIN Der Gesellschaft, deren Jahres- oder Konzernabschluss geprüft wurde und die diese Prüfung in Auftrag gegeben hat, steht als Auftraggeberin gem. § 666 BGB dem Grunde nach ein Anspruch gegen den Abschlussprüfer auf Auskunft und Rechenschaftslegung zu. Der Auskunftsanspruch aus § 666 Var. 2 BGB und die Rechenschaftspflicht aus § 666 Var. 3 BGB erstrecken sich grundsätzlich auf sämtliche zur Erteilung der verlangten Auskunft oder zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Rechenschaftslegung aus Mandantensicht benötigten Informationen zur Mandatstätigkeit des Abschlussprüfers. Hiervon ausgenommen sind Inhalte der Handakte, die später nicht herauszugeben sind, interne Arbeitspapiere, Aufzeichnungen über persönliche Eindrücke des Beraters, Sammlungen vertraulicher Hintergrundinformationen, Briefwechsel zwischen der Beklagten und den Insolvenzschuldnerinnen, Notizen über Gespräche mit den Mandanten und solche Schriftstücke, die der Mandant bereits in Urschrift oder Abschrift besitzt. (eigener Ls.) OLG Stuttgart, Urt. v. 12.12.2023 – 12 U 216/22, DB 2024, 446 Dieses Urteil betrifft nicht unmittelbar Schadenersatzansprüche. Das Thema der Herausgabe von Handakten sowie der Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung im Vorfeld und zur Vorbereitung von Regressansprüchen ist aber eng verknüpft mit solchen Schadenersatzansprüchen, wie der Gesamtkomplex, in der diese Entscheidung steht, deutlich aufzeigt. Der Insolvenzverwalter der Wirecard AG und einer Tochtergesellschaft macht verschiedene Ansprüche im Zusammenhang mit den Inhalten der Akten geltend, die die Wirtschaftsprüfer-Gesellschaft Ernst & Young im Rahmen verschiedener Abschlussprüfungsmandate führte. Im Wege der Stufenklage werden Ansprüche auf Auskunft über den Inhalt der Handakten für verschiedene Jahres- und Konzernabschlussprüfungen, Einsicht in diese Handakten, die Unterlassung der Vernichtung dieser Akten und die Beantwortung eines detaillierten Fragenkatalogs verlangt. Das LG Stuttgart hatte der Klage in vollem Umfang stattgegeben, der OLG-Senat bestätigt das Urteil im Wesentlichen, macht jedoch auch wichtige Einschränkungen. Insoweit sei richtig, dass sich derartige Auskunftsansprüche grundsätzlich aus §§ 675 I, 666 und 667 BGB ergeben – hier i.V.m. § 80 InsO in gleicher Weise für den Insolvenzverwalter wie ansonsten für die geprüfte Gesellschaft selbst. Hinsichtlich des Umfangs der Auskunftspflichten vergleicht der Senat die Situation mit derjenigen von Anwälten und Steuerberatern; Stellung und Organisation der Wirtschaftsprüfer seien jenen der Anwälte und Steuerberater zumindest ausreichend ähnlich. Auch Wirtschaftsprüfer seien nicht ausschließlich im öffentlichen, sondern auch im Parteiinteresse tätig. Neben der Erfüllung der Auskunftspflichten, die sich auf den Stand des Geschäfts und die Ausführung des Auftrags richteten, müssten also auch alle Unterlagen herausgegeben werden, die der Beauftragte von seinem Auftraggeber oder von Dritten erhalten habe, außerdem der gesamte drittgerichtete Schriftverkehr. Herauszugeben seien aber auch Notizen von Besprechungen, die der Berater im Rahmen der Geschäftsbesorgung geführt habe, denn diese seien im Regelfall nicht nur als interne Gedächtnisstütze, sondern auch im Interesse des Auftraggebers zum Zwecke der Dokumentation gefertigt worden. Anders als das LG in der Vorinstanz8 8 LG Stuttgart, Urt. v.15.11.2022 – 31 O 125/21. erkennt der Senat aber auf Basis des § 51b WPO,9 9 Die entsprechende Vorschrift für Rechtanwältinnen und Rechtsanwälte ist § 50 BRAO. also in der berufsrechtlichen Definition der Handakte, Einschränkungen. Interne Arbeitspapiere, die der Auftragnehmer für sich gefertigt habe, um seinen Auftrag zu erfüllen, ließen sich nicht unter den Wortlaut des § 667 Alt. 2 BGB bringen. Dabei sei der Begriff der internen Arbeitspapiere allerdings eng auszulegen. So seien wie erwähnt zwar Notizen über Gespräche, die zur Dokumentation angefertigt wurden, herauszugeben, nicht aber solche Notizen, die JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2024 87

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