BRAK-Mitteilungen 2/2024

Verstoß gegen die berufsrechtliche Pflicht gem. § 14 BORA, ein EB unverzüglich zu erteilen – statt, die Rücksendung willkürlich verzögern, steht außer Frage. Ob allerdings der von der Rechtsprechung eingeschlagene Weg, die Zustellung zu fingieren, eine saubere Lösung ist, kann man hinterfragen. (ju) PRÜFUNG BEI beA-VERSAND ÜBER DIE KANZLEISOFTWARE-SCHNITTSTELLE 1. Die anwaltlichen Sorgfaltsanforderungen an die Überprüfung des ordnungsgemäßen Zugangs fristgebundener Schriftsätze bei Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) erfordern eine präzise Einweisung des für die Versendung zuständigen Personals durch den Rechtsanwalt. Diese hat sich darauf zu beziehen, wo und wie die automatische digitale Eingangsbestätigung i.S.v. § 130a V 2 ZPO in der beA-Webanwendung zu finden ist und welcher Inhalt den ordnungsgemäßen Eingang der elektronischen Nachricht bei Gericht anzeigt. 2. Die erfolgreiche Übermittlung der elektronischen Nachricht an das Gericht über das beA wird in der Webanwendung des Systems durch den Meldetext „request executed“, dem Eingangsdatum und dem Übermittlungsstatus „erfolgreich“ angezeigt. 3. Verwendet die versendende Anwaltskanzlei eine Software, die über eine Schnittstelle zur Webanwendung des beA verfügt, kann ein von der Software eigens generiertes Dokument mit der Bezeichnung „Zustellbestätigung“ nur dann ein taugliches Ersatzdokument der automatischen Eingangsbestätigung i.S.v. § 130a V 2 ZPO und somit positiver Zustellnachweis sein, wenn es dieselben relevanten Prüfungsmerkmale wie der originäre Nachweis in der Webanwendung des beA aufweist. Die erforderliche anwaltliche Einweisung des für die Versendung zuständigen Personals muss sich in diesem Fall auch auf die Identifizierung dieser Merkmale in dem Ersatzdokument beziehen. OLG Hamm, Beschl. v. 15.1.2024 – 22 U 13/23 Der Anwalt begehrt Wiedereinsetzung wegen Versäumung einer Berufungsbegründungsfrist und macht eine technische Empfangsstörung beim Justiz-Server geltend. Der Versand erfolgte rechtzeitig durch eine Kanzleimitarbeiterin über die beA-Schnittstelle der Kanzleisoftware RA-Micro. Sie habe den Versand weisungsgemäß anhand einer von RA-Micro generierten „Zustellbestätigung“ kontrolliert. Das OLG Hamm wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Maßgeblich für den rechtzeitigen Zugang fristgebundener Schriftsätze sei die automatische Eingangsbestätigung i.S.v. § 130a V 2 ZPO. Der Anwalt habe sein Personal nicht hinreichend angewiesen und geschult, das Vorliegen dieser Bestätigung zu prüfen. Die Zustellbestätigung, auf die sich seine Anweisung bezogen habe, sei zum Nachweis des Zugangs untauglich. Werde ein Schriftsatz erfolgreich über das beA übermittelt, zeigten dies in der beA-Webanwendung der Meldetext „Request executed“ (bzw. zum Teil seit einiger Zeit auf Deutsch: „Auftrag ausgeführt“), das Eingangsdatum und der Übermittlungsstatus „erfolgreich“ an. Nur wenn die Eingangsbestätigung diese Angaben enthalte, dürfe der Anwalt auf den Zugang vertrauen. In der als Screenshot vorgelegten Bestätigung fehlten aber die erforderlichen Prüfmerkmale (weder „request executed“ noch „erfolgreich“ werde angegeben). Die „Zustellbestätigung“ stelle auch keinen tauglichen „Ersatznachweis“ dar. Es sei nicht dargelegt, dass die „Zustellbestätigung“ aus beA-Daten erstellt wird, und auch keine technischen Hintergründe zur Generierung der Bestätigung vorgetragen. Selbst wenn die „Zustellbestätigung“ auf beA-Daten beruhe, dürfe man sich nicht einfach darauf verlassen, dass die Kanzleisoftware die beA-Daten immer vollständig und richtig verarbeite. Fehlfunktionen entlasteten den Anwalt grundsätzlich nicht. Der Ausnahmefall einer plötzlichen und unerwarteten Störung liege nicht vor. Selbst wenn man die „Zustellbestätigung“ grundsätzlich als Nachweis genügen lasse, sei dem Anwalt ein eigenes Verschulden anzulasten, weil er sein Personal nicht geschult habe, wie die relevanten Prüfmerkmale in der „Zustellbestätigung“ zu finden und kontrollieren seien, sondern er nur eine allgemeine Anweisung erteilt habe, die „Zustellbestätigung“ zu prüfen. Aus wessen Sphäre die Störung kam, sei ohne Belang, weil bei richtiger Anweisung und korrekter Prüfung das Fehlen eines Nachweises aufgefallen wäre und eine Ersatzeinreichung per Fax hätte erfolgen können. Das OLG wendet die zu den Anforderungen an den erfolgreichen beA-Versand ergangene Rechtsprechung14 14 Z.B. BGH, Beschl. v. 18.4.2023 – VI ZB 36/22, MDR 2023, 858; Besprechung von Grams, BRAK-Mitt. 2023, 234. an und konkretisiert diese. Beim Versand fristgebundener Schriftsätze nicht direkt über die beA-Anwendung, sondern über Schnittstellen einer Kanzlei-Software sind besondere Vorsichtsmaßregeln zu beachten. Mit daraus resultierenden Problemen mussten sich die Gerichte schon in anderen Fällen befassen.15 15 Vgl. LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 8.4.2021 – 1 Sa 358/20, Bespr. von Jungk, BRAK-Mitt. 2021, 298; OLG Braunschweig, Beschl. v. 18.11.2020 – 11 U 315/20, Bespr. von Jungk, BRAK-Mitt. 2021, 87. (hg) GLAUBHAFTMACHUNG DURCH SCREENSHOT 1. Die Einhaltung von § 55d S. 3 VwGO ist eine Frage der Zulässigkeit und von Amts wegen zu beachten; sie steht nicht zur Disposition der Beteiligten. 2. Der pauschale Hinweis auf eine technische Störung beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach genügt zur Glaubhaftmachung ebenso wenig wie die unkommentierte Vorlage eines Screenshots einer Fehlermeldung, die Datum und Uhrzeit des Übermittlungsversuchs nicht erkennen lässt. BRAK-MITTEILUNGEN 2/2024 AUFSÄTZE 90

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