BRAK-Mitteilungen 2/2024

stand der Verfassungsbeschwerde ist darüber hinaus eine weitere Verurteilung der Bf., es zu unterlassen, Schriftstücke aus dem familiengerichtlichen Verfahren zu verbreiten sowie Dritte im Internet dazu anzustiften, dem Verfügungskl. – u.a. durch Abgabe negativer Bewertungen im Internet ohne bestehendes Mandatsverhältnis – zu schaden. [2] II. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da sie offensichtlich nicht den Anforderungen der §§ 23 I 2 Hs. 1, 92 BVerfGG genügt und deshalb unzulässig ist. [3] 1. Allerdings lässt die Verfassungsbeschwerde eine Verletzung von Rechten i.S.d. § 90 I BVerfGG inhaltlich nachvollziehbar erkennen, soweit sie beanstandet, das AG und ebenso das LG hätten für ihre Annahme einer Beleidigung des Verfügungskl. durch die Worte „fetter Anwalt“ und „Rumpelstilzchen“ den Kontext dieser Äußerungen nicht erörtert, zudem fehle es an einer Abwägung zwischen der persönlichen Ehre des Verfügungskl. und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung. [4] a) Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Meinungsäußerungen, dass ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist. Maßgeblich ist hierfür der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren. Urteile, die den Sinn der umstrittenen Äußerung erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, verstoßen gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (vgl. BVerfGE 93, 266 ‹ 295 8 ; 124, 300 ‹ 345 8 ; stRspr). Diese Anforderungen verfehlen die Ausgangsgerichte bereits insoweit, als es den angegriffenen Entscheidungen sowohl an einer Betrachtung des Kontextes der auf der Internetseite „(...)“ veröffentlichten Äußerungen ermangelt, wie schon an jeglichen kontextbezogenen Feststellungen. [5] b) Ebensowenig in Einklang zu bringen mit der Rechtsprechung des BVerfG ist es überdies, wenn das AG seine Annahme einer Beleidigung nach § 185 StGB allein darauf stützt, die Bezeichnungen „fetter Anwalt“ und „Rumpelstilzchen“ seien „ein Werturteil, welches ehrverletzenden Charakter“ habe, und das LG ausführt, das Verhalten der Bf. verletze den Verfügungskl. „wie zutreffend erstinstanzlich ausgeführt“ in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Damit lassen die Ausgangsgerichte jede Abwägung der keine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen widerstreitenden grundrechtlichen Interessen vermissen, die aber nur ausnahmsweise entbehrlich ist, wenn sich eine Äußerung als Schmähung oder Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinne, als Angriff auf die Menschenwürde oder als Formalbeleidigung darstellt (vgl. BVerfGE 82, 43 ‹ 51 8 ; 85, 1 ‹ 16 8 ; 90, 241 ‹ 248 8 ; 93, 266 ‹ 293 f. 8 ; 99, 185 ‹ 196 8 ; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des Ersten Senats v. 19.5.2020 – 1 BvR 2397/19 Rn. 14 ff.; v. 21.3. 2022 – 1 BvR 2650/19 Rn. 26 ff.). Einen solchen Fall haben die Ausgangsgerichte indes nicht angenommen. [6] c) Aus dem Blick verloren haben die Ausgangsgerichte zudem, dass die untersagten Äußerungen im Kontext eines gerichtlichen Verfahrens gefallen sind, in dem die Bf. als Verfahrensbeistand bestellt worden war. Den Ausgangsgerichten war es daher verwehrt, eine Ehrverletzung des Verfügungskl. anzunehmen, ohne zuvor auch nur in Erwägung zu ziehen, dass es unter dem Gesichtspunkt des sog. „Kampfs um das Recht“ im Kontext rechtlicher Auseinandersetzungen grundsätzlich erlaubt ist, auch besonders starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, um Rechtspositionen und Anliegen zu unterstreichen (vgl. BVerfGE 76, 171 ‹ 192 8 ; BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des Ersten Senats v. 28.7.2014 – 1 BvR 482/13 Rn. 13; Beschl. der 2. Kammer des Ersten Senats v. 19.5.2020 – 1 BvR 2397/19 Rn. 33; v. 16.10.2020 – 1 BvR 1024/19 Rn. 20). [7] 2. Die Verfassungsbeschwerde ist aber dennoch starke Ausdrücke im Kampf ums Recht unzulässig, da sie nicht dem in § 90 II 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität gerecht wird. [8] a) Zwar ist der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eröffnete Rechtsweg erschöpft, da das Rechtsmittel der Revision gegen das Urteil des LG gem. § 542 II 1 ZPO ausgeschlossen ist. Die Bf. hat aber nicht den Grundsatz der Subsidiarität gewahrt, da sie den Rechtsweg in der Hauptsache nicht beschritten hat, obwohl sie mit dem Vorbringen, in ihrem Grundrecht aus Art. 5 I 1 GG sowie in ihrem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 I i.V.m. Art. 20 III GG verletzt zu sein, Rügen erhebt, die das Hauptsacheverfahren betreffen. [9] aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG erfordert der Grundsatz der Subsidiarität im materiellen Sinne über die formelle Erschöpfung des Rechtswegs hinaus, dass die Bf. die ihm zur Verfügung stehenden weiteren Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder diese gar zu verhindern. Daher ist auch die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten, wenn dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Gelegenheit besteht, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl. BVerfGE 79, 275 ‹ 278 f. 8 ; 86, 15 ‹ 22 f. 8 ; 104, 65 ‹ 71 8 ). Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn – wie vorliegend – mit der Verfassungsbeschwerde Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen (vgl. BVerfGE 86, 15 ‹ 22 8 ; 104, 65 ‹ 71 8 ). [10] bb) Rechtsschutz in der Hauptsache kann die Bf. erlangen, indem sie den in § 926 I ZPO vorgesehenen BRAK-MITTEILUNGEN 2/2024 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 102

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