[7] Entgegen der Auffassung des Kl. scheiden zur Mindergewichtung führende Serienfälle nicht bereits dann aus, wenn es sich um eigenständige Lebenssachverhalte handelt. Vielmehr kommt gerade bei von anderen Sachverhalten unterscheidbaren Lebenssachverhalten die Annahme von Serienfällen in Betracht, soweit die diesbezüglichen Voraussetzungen vorliegen. Serienfälle können je nach Fallgestaltung unterschiedliche Fälle, aber – bei einem einheitlichen Lebenssachverhalt – auch nur einen einzigen Fall darstellen (Senat, Beschl. v. 25.9.2013 – AnwZ (Brfg) 52/12 Rn. 11). Der Annahme von Serienfällen steht mithin nicht entgegen, dass verschiedene Mandanten vertreten wurden und unterschiedliche Gegner betroffen waren. Ihr steht ebenfalls ein gewisser zeitlicher Versatz der bearbeiteten Fälle nicht entgegen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die zu gewichtenden 16 Fälle – wie vom Kl. vorgetragen – innerhalb eines Zeitraums von 17 Monaten (Juni 2016 bis Oktober 2017) bearbeitet wurden. [8] Soweit der Senat in seinem vom Kl. in Bezug genommenen Beschl. v. 6.3.2006 (AnwZ (B) 36/05, BGHZ 166, 292 Rn. 28) ausgeführt hat, es könne allgemein nicht davon ausgegangen werden, dass weniger praktische Erfahrungen erlangt würden, wenn sich einem Rechtsanwalt in unterschiedlichen Fällen wiederholt dieselben Rechtsfragen stellten (so auch Senat, Urt. v. 8.4.2013, a.a.O. Rn. 38), hat er damit seine vorangehende Feststellung begründet, dass § 5 II FAO (a.F.) keine Handhabe dafür biete, eine bestimmte Art der Fallbearbeitung (dort: Steuererklärungen für denselben Mandanten) allgemein – losgelöst vom einzelnen Fall – anders zu gewichten. Das bedeutet aber zugleich, dass eine – wie geboten – am einzelnen Fall orientierte Gewichtung (vgl. dazu Scharmer, a.a.O. Rn. 398) gem. § 5 IV FAO durchaus zu einer Abwertung eines Falles gelangen kann, wenn es sich um einen Wiederholungsfall handelt und dieser mit dem Ausgangsfall im vorgenannten Sinne eng verknüpft ist. Eine Mindergewichtung ist mithin bei Wiederholungsfällen zwar nicht zwingend. Sie ist aber gerechtfertigt, wenn ihnen im Wesentlichen derselbe Lebenssachverhalt und eine gleich gelagerte rechtliche Problematik zugrunde liegt (Senat, Urt. v. 28.11. 2016 und v. 8.4.2013, jew. a.a.O.). Der Kl. irrt daher, wenn er meint, die Wiederholung von Rechtsfragen führe „allenfalls“ an den unteren Rand des noch durchschnittlichen Falles. Sie kann vielmehr – abhängig vom einzelnen Wiederholungsfall – auch zu einer Mindergewichtung führen. [9] b) Der AGH hat die vorstehenden Grundsätze erkannt und zutreffend angewandt. Die von ihm gem. § 5 IV FAO vorgenommene Mindergewichtung der Fälle 5 bis 11 und 13 bis 20 ist nicht zu beanstanden. [10] Der AGH hat in Bezug auf diese Fälle jeweils die auf das vorliegend betroffene Fachgebiet des Informationstechnologierechts bezogenen Sachverhalte und Rechtsfragen geprüft und festgestellt, dass sich die Sachverhalte vom vollgewichteten (Ausgangs-)Fall 1 in den zur Beurteilung stehenden informationstechnologierechtlichen Fragen nicht relevant unterscheiden (z.B. S. 12 Abs. 2 des angefochtenen Urteils). Letzteres wird vom Kl. nicht – schon gar nicht in einer den Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes genügenden Weise (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 3.5.2016 – AnwZ (Brfg) 58/15 Rn. 3 m.w.N.) – in Frage gestellt. Eine Überschneidung der Sachverhalte in den durch sie Überschneidung von Sachverhalten aufgeworfenen informationstechnologierechtlichen Fragen ist auch unmittelbar nachvollziehbar, da es sich jeweils um unverlangt zugesandte Werbe-E-Mails handelte, bei denen sich im Wesentlichen immer wieder dieselben informationstechnologierechtlichen Fragen stellten (v.a. sog. „Double-Opt-In“ und Impressumspflicht nach Telemediengesetz). [11] Nach alledem handelt es sich um im vorstehenden Sinne eng miteinander verknüpfte Wiederholungsfälle, die der AGH zu Recht gem. § 5 IV FAO mit einer Punktzahl von lediglich 0,2 gewichtet hat. [12] 3. Soweit der Kl. meint, hinsichtlich der – von der Bekl. und dem AGH mit 1,0 Punkten gewichteten – Fälle 2, 3, 4 und 21 sei eine Höhergewichtung angezeigt, lassen seine Ausführungen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils erkennen. Allein daraus, dass ein Fall sich über mehrere Instanzen erstreckt, folgt nicht zwingend eine höhere Gewichtung. Die Fallbearbeitung in einem Berufungs- oder sonstigen Rechtsmittelverfahren bietet nicht schon für sich genommen eine Gewähr dafür, dass der Rechtsanwalt hierbei in dem betreffenden Fachgebiet besondere praktische Erfahrungen erwirbt, die über diejenigen eines „durchschnittlichen“ Falles hinausgehen. Wird etwa bei unstreitigem Sachverhalt um Fragen des materiellen Rechts gestritten, besteht, wenn die Sache in zweiter Instanz nicht gleichsam rechtlich auf „neue Beine“ gestellt wird, kein Anlass für eine Höhergewichtung (Senat, Beschl. v. 12.7.2010 – AnwZ (B) 85/ 09, AnwBl. 2010, 798 Rn. 5). [13] Hiervon ausgehend hat der Kl. nicht hinreichend dargelegt, dass die Fälle 2, 3, 4 und 21 durch ihre Verhandlung in zwei Instanzen eine höhere Gewichtung verdienen. Auch soweit Fall 4 darüber hinaus einen Gegner im EU-Ausland betraf, ergibt sich aus dem Vortrag des Kl. nicht, warum die konkrete Fallbearbeitung deshalb eine höhere Gewichtung rechtfertigt. HINWEISE DER REDAKTION: Benennt ein Antragsteller, der die Erlaubnis zum Führen eines Fachanwaltstitels begehrt, Verfahren, denen ein Serienfall mit sich wiederholender rechtlicher Problematik zugrunde liegt, führt dies grundsätzlich zu einer niedrigeren Gewichtung, nicht dagegen dazu, dass die weiteren Verfahren mit gleichgelagerter Problematik von vornherein nicht als Fälle anzuerkennen wären. Für die Gewichtung nach § 5 IV FAO besteht in quantitativer Hinsicht keine rechtliche Unteroder Obergrenze (vgl. hierzu auch Bayerischer AGH, Urt. v. 24.11.2022 – BayAGH III-4-8/20, BRAK-Mitt. 2023, 42). BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 2/2024 105
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